Braunschweig. Innenminister Boris Pistorius tauscht sich in Braunschweig mit Polizei, Feuerwehr und Hilfsorganisationen aus. Dabei werden Mängel deutlich.

„Der brutale Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer veränderten Sicherheitslage und Zeitenwende geführt“, findet nicht nur der Braunschweiger Landtagsabgeordnete Christoph Bratmann. „Unser Land sieht sich neuen Gefährdungen der inneren und äußeren Sicherheit ausgesetzt, unsere Sicherheitsarchitektur braucht neue Antworten auf das Nebeneinander von Krisen und neuen Bedrohungen“, ergänzte der SPD-Politiker jetzt während einer von ihm organisierten „Blaulichtkonferenz“ im Kufa-Haus am Westbahnhof.

Dabei gab Bratmann hochrangigen lokalen Vertretern von Feuerwehr, Polizei und Hilfsorganisationen, die nicht nur im Katastrophenfall wichtige Dienste zum Schutz und der Versorgung der heimischen Bevölkerung übernehmen, die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius. Auch zahlreiche Gäste zeigten das Interesse der Bevölkerung an diesem Thema.

Von den mit Sicherheit und Rettung befassten Institutionen gab es eine Wunschliste an den Innenminister. Dabei ging es unter anderem um Ausrüstung und nicht zuletzt auch um Wertschätzung des haupt- sowie des ehrenamtlich tätigen Personals von Polizei, Feuerwehr sowie der Hilfsorganisationen Arbeiter-Samariter-Bund, Deutsches Rotes Kreuz, Johanniter-Unfallhilfe, Malteser Hilfsdienst und des Technischen Hilfswerks.

Minister: Polizei ist gerüstet

„Die Zeiten sind anders als vor dem 24. Februar“ – dem Beginn des Angriffs Russlands auf die Ukraine –, bestätigte Pistorius, sieht aber insgesamt die Polizei im Land nicht nur personell gut aufgestellt („1700 zusätzliche Stellen seit 2013“), sondern auch strategisch gerüstet für „neue dynamische Herausforderungen“, nicht zuletzt wegen bereits erfolgter moderner Ausstattung.

Dabei betonte der Minister: „Wir leben insgesamt in einem sicheren Bundesland“ und begründete das mit der niedrigsten Quote an Straftaten „seit 35 Jahren“.

Gleichwohl gebe es Zuwächse in den Bereichen Drogenkriminalität, Kinderpornographie, politisch motivierte Kriminalität, Angriffe gegen sexuelle Selbstbestimmung sowie generell im Bereich digitaler Straftaten. Vor der Diskussionsrunde hatte Pistorius, der als Innenminister schon gut neun Jahre im Amt ist, die neue Integrierte Regionalleitstelle (IRLS) im Hasenwinkel – Einsatzzentrale für Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz in Braunschweig, Peine und Wolfenbüttel – besichtigt.

Vorbereitet sein auf Großlagen

„Wir brauchen jetzt kein Klein-Klein-Denken mehr, sondern übergreifende Konzepte, um mit vorgeplanten Einheiten auf unvorhersehbare Lagen vorbereitet zu sein“, forderte Sebastian Damm von der Berufsfeuerwehr und Leiter der IRLS vom Minister. „Bitte halten sie die Landkreise dazu an, übergreifend zu denken.“

Diesen Gedanken unterstrich Ingo Schönbach, als Stadtbrandmeister Vertreter der Freiwilligen Feuerwehren: „Wir müssen groß denken, weil auch die Gefahrenlagen groß sein können.“

Dazu bedürfe es auch einer funktionierenden Vernetzung der Stäbe und möglichst einheitlicher Fahrzeuge. „Bei unserem Hilfseinsatz nach der Flutkatastrophe im Ahrtal haben wir gesehen, dass eine schlechte Informationslage zwischen Einsatzkräften aus verschiedenen Ländern nicht hilfreich ist.“

Pistorius verwies auf ein Anfang April verabschiedetes Ad-hoc-Paket im Umfang von 40 Millionen Euro für den Katastrophenschutz im Land. Er sei für weitere Vorschläge offen, „aber wir müssen auch so ehrlich sein: Sobald die aktuell spürbare Gefahr aus den Augen gerät, wollen die Menschen, dass das Geld anderswo investiert wird“.

Der 62-Jährige räumte ein, dass in vergangenen Jahrzehnten angesichts scheinbar sinkender Bedrohungen die Infrastruktur im Sicherheitsbereich stark gelitten habe.

Allein bei den Polizeigebäuden im Land gebe es einen Investitionsstau von mindestens 225 Millionen Euro. Thomas Bodendiek, Leiter der Polizeiinspektion Braunschweig, bestätigte, dass der Zustand der Dienstgebäude teils sehr zu wünschen übrig lasse, „das hat auch etwas mit Wertschätzung zu tun – und sei „auf den Wachen ein Dauerbrenner“. Außerdem forderte er ein, die Polizisten bei der Beschaffung von Arbeitsmaterial dringend in den Prozess einzubeziehen.

Nachwuchs ist zentrales Thema

Wie die Freiwilligen Feuerwehren sind auch die Hilfsorganisationen angewiesen auf den Einsatz Ehrenamtlicher – beginnend mit der Akquise von jungen Menschen. „Diese Helfer müssen alle ausgebildet werden, das kostet Zeit und Geld“, zählte Nicolai Hollander, Dienststellenleiter der Malteser, auf. „Wir sind dabei dringend auf Unterstützung von Seiten des Landes angewiesen.“ Nachwuchsgewinnung sei eines der zentralen Themen im Katastrophenschutz.