Braunschweig. Aufräumcoach Marcel Niemeier spricht im Podcast Yes BS darüber, wie viel Lebensqualität ein geordneter Kleiderschrank mit sich bringt.

Vertagen, verdrängen, weggucken - wenn's um Ordnung im eigenen Zuhause geht, neigt so mancher zu Prokastination.

Hier kommt Aufräumcoach Marcel Niemeier ins Spiel. Aufräumen müsse wie das Zähneputzen zur Routine werden, sagt er. Doch wie fängt man an?

Die gute Nachricht: Sie müssen nicht mit dem vollgerümpelten Keller beginnen, sondern können mit einer kleinen Schublade starten.

Im Podcast Yes BS spricht Marcel Niemeier über die Vorteile von Minimalismus: „Wenn du einen Gegenstand ein Jahr nicht benutzt hast, kannst du dich davon trennen. Sonst belastet dich das und der Gegenstand guckt dich jedes Mal an und sagt: Nutz mich!“ Das bedeute nicht, möglichst wenig Gegenstände zu besitzen, sondern sich von denen zu trennen, die nicht benutzt werden.

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Herr Niemeier, als Aufräumcoach liegt in Ihrer eigenen Wohnung vermutlich nicht viel Frühjahrsputz an, oder täusche ich mich da?

Das ist korrekt! Durch das „Weniger“ benötige ich viel weniger Zeit zum Putzen, da einfach weniger Dinge angefasst, weggeschoben oder beiseite geräumt werden müssen. Allerdings bleibt mir das Abwischen der Armaturen, das Putzen der Fenster und auch das Saugen hinter dem Sofa nicht erspart.

Ein wenig scheint das Wort „Frühjahrsputz“ der Zeit entrückt. Wer hat denn noch Zeit, die ganze Wohnung oder das ganze Haus auf den Kopf zu stellen?

Viele Menschen beklagen sich beim Frühjahrsputz, dass die Zeit fehlt. Aber ich sage immer: Komischerweise haben wir alle die Zeit gehabt, uns die Dinge anzuschaffen, aber wir haben sie nicht, um diese zu pflegen oder zu entrümpeln. „Space Clearing“ würde in der heutigen Zeit ein passenderer Begriff sein. Denn Putzen und Aufräumen sind zwei unterschiedliche Dinge.

Welches Vorgehen empfehlen Sie?

Aufräumen ist ein ständiger Prozess und kann bis zu ein Jahr dauern. Wichtig ist dabei, nicht nur im Frühjahr aufzuräumen, sondern das ganze Jahr über. Es muss wie das Zähneputzen als Routine mit in den Alltag integriert werden.

Fangen Sie klein an, um einzelne Erfolge zu sehen und dadurch für die nächsten Bereiche motiviert zu bleiben. Das kann ein ganzer Raum, ein Schrank oder auch nur eine Schublade sein. Wichtig ist es, sich die Zeit bewusst zu blocken und mit positiven Gefühlen zu kombinieren. Hören Sie dabei Musik oder ein Hörbuch, räumen Sie gemeinsam als Event auf, planen Sie eine Flohmarkt-Aktion mit den Kindern. Mein Tipp: Fangen Sie dort an, wo sie sich am meisten aufhalten. Ein aufgeräumter und strukturierter Flur, wo sie jeden Tag mehrmals durchgehen, ist ein besserer Anfang als das Büro im zweiten Stock.

Wo fangen Sie persönlich am liebsten an?

Natürlich da, wo das Chaos am größten ist! Tatsächlich macht mir bei meinen Kundinnen und Kunden aber die Küche immer am meisten Spaß.

Da es beim Frühjahrsputz nicht nur ums Putzen, sondern auch Ausmisten geht: Wie schafft man es, sich von Gegenständen oder Kleidungsstücken zu trennen?

Das ist von Person zu Person leider sehr unterschiedlich, dennoch gibt es ein paar hilfreiche Fragen, die es einem leichter machen, Dinge gehen zu lassen: Habe ich den Gegenstand innerhalb des letzten Jahres benutzt? Würde ich den Gegenstand nochmals kaufen, wenn er kaputt oder verloren geht? Macht mich der Gegenstand glücklich? Die schwierigste Frage: Was würde ich mitnehmen, wenn es brennt und mir nur wenige Minuten zum Entscheiden bleiben?

Interessanterweise stehen bei den Antworten immer die Familie und die Haustiere im Vordergrund – was mal wieder ein Beweis dafür ist, wie unwichtig die vielen Dinge um uns herum eigentlich sind. Wenn man es aus alleiniger Motivation nicht schafft, gibt es dafür uns Aufräumcoaches, die genau da unterstützen, die richtigen Fragen stellen, mit anpacken und auch das eigene Konsumverhalten hinterfragen.

Was ist, wenn es bei den Gegenständen nicht allein um mich selbst geht, sondern auch um das Kind und seine Steinsammlung, die verstorbene Oma und ihre Vase oder die Tante, die die hässlichen Weingläser geschenkt hat, und die regelmäßig vorbei kommt und die Vitrine checkt?

Geschenke, Kinderbilder oder Überbleibsel von Verstorbenen sind meistens hoch emotional. Daher hier ein paar Tipps: Alle Werke, die ihre Kinder ihnen schenken, können fotografiert und somit digitalisiert werden. Sie verschwinden somit nicht aus der Erinnerung – nur das Physische geht.

Bei der Vase müssen Sie sich fragen: Wollte Ihre Oma, dass Sie sich mit ihrer Vase belasten? Steht diese nur im Keller herum, fotografieren und entsorgen Sie sie. Mögen Sie die Vase allerdings, dann nutzen Sie sie unbedingt und integrieren Sie sie in Ihren Alltag. Es ist wie mit dem guten Geschirr der Mutter: Meistens bleibt es Jahre ungenutzt im Schrank. Nutzen Sie es, wenn es Ihnen Freude bereitet, und trauern sie keinem kaputten Teller hinterher, denn Sie nutzen sie ja!

Bei Geschenken sieht es jedoch wieder anders aus: Nach der Schenkung geht der Gegenstand automatisch in Ihren Besitz über, das heißt Sie können damit tun und lassen was Sie möchten. Entsorgen Sie die Weingläser und machen Sie Ihrer Tante klar, dass das eine schöne Geste gewesen ist, über die Sie sich sehr gefreut haben, die Gläser Ihnen aber nicht gefallen und Sie unglücklich gemacht haben. Die beste Lösung überhaupt ist aber, erst gar keine Vitrine zu haben, die Dinge zur Schau stellt, die Sie nicht nutzen.

Wie kann Ordnung nachhaltig gelingen, damit man in einem Jahr zum Frühjahrsputz nicht wieder vor einem riesigen Berg steht?

Wichtig ist es, Aufräum-Routinen zu entwickeln und den eigenen Konsum zu hinterfragen. Müssen es 40 Hosen sein, obwohl wir rein praktisch betrachtet eigentlich nur zwei benötigen? Muss das eigene Smartphone bereits nach einem Jahr einem neueren Modell weichen? Grundsätzlich gilt: Immer zwei bis drei Nächte über den Kauf eines neuen Teils nachdenken. Kommt etwas Neues ins Haus, muss etwas Altes gehen. Das klappt besonders gut bei Kindern: Zwei Spielsachen abgeben, um ein neues zu erhalten und den Kindern dabei klar machen, dass die Spielsachen an andere Kinder gehen, denen es vielleicht nicht so gut geht.

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