Braunschweig. In seiner Kolumne „Hirn auf“ zeigt Bestseller-Autor Martin Korte an sechs Beispielen, wie man die Zahl der gesunden Lebensjahre erhöhen kann.

Gerade hat das, bezogen auf das finanziell zur Verfügung stehende Budget, wohl weltweit größte Startup-Unternehmen‚Altos Labs‘ nach langer Planung in Kalifornien seine Arbeit aufgenommen. Es hat auf seiner Forschungsagenda nicht weniger, als die Alterungsprozesse in unserem Körper aufzuhalten.

Unabhängig davon fördert seit neuestem die weltweit größte Forschungsorganisation, das amerikanische NIH, Studien, die direkt das Altern und dessen Verlangsamung erforschen, um Erkrankungen wie Alzheimer, Parkinson, Alters-Diabetes und Schlaganfälle, die alle ein hohes Altersrisiko haben, zu verhindern.

Kampf gegen Viren, Bakterien, Pilze und Würmer

Aber insgesamt sind die Erfolge, unser Leben zu verlängern, auch ohne neue milliardenschwere Start-ups, enorm. Vor allem durch eine verbesserte Produktion von Lebensmitteln, durch biomedizinische Forschung und gesundheitliche Versorgung. Berechnungen zeigen hier, dass wir es in den letzten 150 Jahren geschafft haben, unser Lebensalter in den Industrieländen von 30 auf über 80 Jahre im Durchschnitt zu steigern.

Und das vor allem aufgrund des erfolgreichen Kampfes gegen Infektionen durch Viren, Bakterien, Pilz- und Wurmerkrankungen. Dabei spielen generell Impfungen eine wichtige Rolle, aber auch die Wasserqualität, Hygieneregeln und die direkte Bekämpfung bestimmter Pathogene.

Prof. Martin Korte, Biologe und Hirnforscher, ist Direktor des Zoologischen Instituts der Technischen Universität Braunschweig.
Prof. Martin Korte, Biologe und Hirnforscher, ist Direktor des Zoologischen Instituts der Technischen Universität Braunschweig. © TU Braunschweig

Ununterbrochene Jahre, die man bettlägerig verbringt? Nein, danke!

Nun halten die meisten Menschen ein längeres Leben für eine gute Sache. Zusätzliche Tage auf Weltreise mit dem Ehepartner oder Entspannung mit dem Enkelkind? Ja, bitte. Ununterbrochene Jahre, die man bettlägerig verbringt? Nein, danke. Mit vielen Krankheiten alt zu werden, ist also keine attraktive Aussicht.

Aber die Verlängerung der Lebensdauer ist eine Sache, die Zahl der gesunden Lebensjahre zu erhöhen, eine andere – und genau dies in den letzten Jahrzehnten nur sehr eingeschränkt gelungen. Die Erfolge der letzten Jahre in der Behandlung von Krebs, Herz- und Stoffwechselerkrankungen haben uns älter werden lassen, allerdings zu dem Preis, dass die letzten Lebensjahre zu oft immer noch von Krankheiten und Schmerzen begleitet werden.

Fast zehn ungesunde Lebensjahre

Die meisten Menschen, die das Glück haben, alt zu werden, werden zumindest einige ungesunde Jahre im späteren Leben haben. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation beträgt der Unterschied zwischen der Lebenserwartung und den gesunden Lebensjahren weltweit fast zehn Jahre (dies gibt an, wie lange ein Mensch ohne massive gesundheitliche Probleme lebt).

Das ist schon schlimm genug für den Einzelnen und seine Familie, aber es ist auch besorgniserregend für alternde Länder, in denen eine vielköpfige, ältere Bevölkerung die öffentlichen Finanzen belasten kann. In Japan, dem Land, in dem Menschen am ältesten werden, leben Männer durchschnittlich fast 82 Jahre und Frauen durchschnittlich fast 88 Jahre.

Doch im Jahr 2019, dem letzten Jahr, für das Daten vorliegen, war der gesunde Teil dieses Lebens für Männer im Durchschnitt 9 Jahre und für Frauen etwa 12 Jahre kürzer. Die Verkleinerung dieser Lücke ist daher zu einem wichtigen Ziel der modernen Gesundheitsforschung geworden.

Japan: Angestellte gehen in Turnschuhen zur Arbeit

Länger gesund zu bleiben, so die Überlegung, macht jeden von uns zufriedener und entlastet die medizinischen Systeme und den Staatshaushalt. In Japan hat das Gesundheitsministerium gar die Verlängerung der Lebenserwartung zu einem zentralen Pfeiler seiner Politik gemacht. Es vergibt jährlich einen Preis unter dem Motto „Verlängerung der gesunden Lebensjahre“ an Kommunen.

Zu den jüngsten Preisträgern gehören die Präfektur Fukui, nördlich von Kyoto, für ihr „Sneaker Biz“-Programm, das örtliche Unternehmen dazu ermutigt, ihre Angestellten in Turnschuhen zur Arbeit gehen zu lassen. Die Betonung liegt hier nicht auf der sportlichen Mode, sondern dem Gehen und dabei wurde ein starker Anstieg der absolvierten Schrittzahl festgestellt.

Eine der höchsten Krebsfrüherkennungsraten Japans

Die japanischen Kommunalverwaltungen sind sogar verpflichtet, Pläne für die Erhöhung gesunder Lebensjahre zu erstellen. Die Initiativen reichen von praktischen bis hin zu exotischen Maßnahmen. In Oita, auf der südlichen Insel Kyushu, wurde eine App eingeführt, die Schritte zählt und diese in Punkte umwandelt, mit denen man in örtlichen Geschäften und Einrichtungen Rabatte erhält (auch neben dem Stadtradeln eine Idee für Braunschweig?).

Viele Bemühungen in diesem Kontext ähneln den Rezepten zur Erhöhung der allgemeinen Lebenserwartung, entsprechend helfen auch Vorsorgeuntersuchungen: Yamanashi, ein ländlicher Landkreis am Fuße des Berges Fuji, die bei der gesunden Lebenserwartung von Männern und Frauen stets auf einem der ersten Plätze rangiert, hat eine der höchsten Krebsfrüherkennungsraten Japans (auch dies eine sinnvolle Erinnerung an uns, diese nicht weiter aufzuschieben).

Länger arbeiten und mehr Wertschätzung erfahren?

Viele Krankheiten, die die Lebensqualität einschränken, sind nicht tödlich, z. B. Rückenschmerzen, Augenkrankheiten oder psychische Probleme. Um den Menschen zu helfen, gesund und nicht nur am Leben zu bleiben, müssten entsprechend auch vermehrt soziale Überlegungen angestellt werden.

In diesem Kontext können auch Arbeitsplätze wichtig sein: So zeigt sich, wenn Menschen länger arbeiten und eben hierbei sozial weiter mit Wertschätzung eingebunden sind, dann bleiben sie körperlich und geistig fitter, und sie sind auch sozial besser eingebettet. Yamanashi, der oben bereits genannte Landkreis mit einer der höchsten Lebenserwartungen in der Welt, hat auch eine enorm hohe Anzahl an älteren Menschen, die bis in das hohe Alter hinein arbeiten (aber nicht müssen!).

Wohltuende Vereinstreffen bei Nudeln und Sake

Soziale Netze spielen also ebenfalls eine große Rolle. Starke Bindungen zu Freunden, Familie und Nachbarn tragen zu einer besseren geistigen Gesundheit, einem aktiveren Lebensstil und einer besseren Unterstützung bei. Investitionen wie die Modernisierung von Kultureinrichtungen haben zwar auf den ersten Blick nichts mit Gesundheit zu tun, können aber der öffentlichen Gesundheit ob ihrer sozialen Vernetzung und intellektuellen Anregung zugutekommen.

In Yamanashi verweisen viele Fachleute für öffentliche Gesundheit auf soziale Vereine, die sich dort entwickelt haben. Die Mitglieder zahlen Geld für regelmäßige Zusammenkünfte ein, um sich dann von diesem Geld bei Nudeln und Sake zu treffen. Langzeitstudien haben hier ergeben, dass diejenigen, die aktiv an diesen Vereinsaktivitäten teilnehmen, länger gesund bleiben, selbst wenn man den individuellen Wohlstand und andere Variablen berücksichtigt.

Das Geheimnis eines gesunden Lebens

Die Gruppenaktivität bietet ein Gefühl der Sinnhaftigkeit und dient auch als informeller Sicherheitsmechanismus, da die anderen Mitglieder bemerken, wenn jemand depressiv oder ängstlich wird oder schlechter aussieht als im Vormonat. Das Geheimnis eines gesunden Lebens ist also ähnlich wie das eines glücklichen: sich beschäftigen und sich regelmäßig mit Freunden treffen, auch bei ein oder zwei Drinks – und schön, dass das jetzt aufgrund einer sich etwas entspannteren Pandemielage in Niedersachsen wieder leichter möglich ist. Wichtig, dass wir es nicht durch Leichtsinn verspielen.

Erfolgsautor Prof. Martin Korte („Jung im Kopf“) von der TU Braunschweig ist einer der bekanntesten deutschen Gehirnforscher. Er berät große Wissens-Shows im TV und schreibt für unsere Zeitung.