Braunschweig. Mit der Energiewende gibt es immer mehr kleine dezentrale Stromerzeuger und Speicher. Sie müssen anders koordiniert werden als fossile Großkraftwerke.

Die fortschreitende Energiewende stellt das deutsche Stromnetz zunehmend vor Herausforderungen. Erneuerbare Energien decken zukünftig den steigenden Energiebedarf. Damit dies künftig auch verlässlich ist, forschen Mitglieder des Energie-Forschungszentrum Niedersachsen (EFZN) an einem Energienetz der Zukunft. Die Technische Universität Braunschweig koordiniert das Projekt der vier EZFN-Standorte Clausthal, Hannover, Oldenburg und Braunschweig.

Zum Hintergrund: „Noch ist das Stromnetz für einen sicheren Betrieb auf die Systemdienstleistungen aus konventionellen Großkraftwerken angewiesen“, heißt es in einer Pressemitteilung der TU. Das bedeutet: Die Generatoren dieser Kraftwerke garantieren die Stabilität des Stromnetzes – etwa durch Spannungs- und Frequenzhaltung. Sie steuern auch gegen Überlastungen und bauen das Netz bei einem Zusammenbruch wieder auf. Dabei koordinieren sich diese Kraftwerke und passen die Stromerzeugung stetig dem Bedarf an.

Das Stromnetz wird gleich dreifach gefordert

„Zukünftig sollen erneuerbare Energien und flexible Lasten, wie Energiespeicher, diese Rolle übernehmen“, so die TU. „Während aber die bisherigen Großkraftwerke auf einer Netzebene arbeiten, reichen die nachhaltigen Anlagen vom Offshore-Windpark auf Hochspannungsebene bis zur privaten Photovoltaik-Anlage in der lokalen Niederspannungsebene. Dadurch erzeugen zunehmend dezentrale, kleine Produzierende den Strom.“

Um zukünftig Systemdienstleistungen sicherzustellen, müssen also deutlich mehr Erzeugende auf unterschiedlichen Ebenen koordiniert werden. Gleichzeitig produzieren viele nachhaltige Anlagen abhängig von Umwelteinflüssen und nicht nach Bedarf. Das Stromnetz wird so gleich dreifach gefordert.

Stromnetz soll auch digitalisiert werden

Das interdisziplinäre Forschungsprojekt SiNED steht für „Systemdienstleistungen für sichere Stromnetze in Zeiten fortschreitender Energiewende und digitaler Transformation“. Laut der TU integriert das Projekt fünf Institute mit der Expertise aus Energietechnik, Energieinformatik, Wirtschafts- und Rechtswissenschaft: „Gemeinsam entwickeln sie ein Stromnetz, das nicht nur stabil und effizient, sondern auch digitalisiert, profitabel und (datenschutz-)rechtlich abgesichert ist.“

Für das Institut für Hochspannungstechnik und Elektrische Energieanlagen (elenia) stehen die netzdienlichen „Prosumer“ im Mittelpunkt. Das Wort verknüpft „producer“ ( Hersteller) und „consumer“ (Verbraucher). „Prosumer“ sind also Menschen, die ein bestimmtes Gut sowohl produzieren als auch konsumieren können. In diesem Fall interessieren sich die Wissenschaftler für die private Stromerzeugung und private Energiespeicher. Private Photovoltaikanlagen verfügen immer häufiger über Batteriespeicher, um die schwankende Energieproduktion auszugleichen.

Wichtigstes Ziel: Netzstabilität

„Die Energiewende kann nur gelingen, wenn die für die Netzstabilität erforderlichen Systemdienstleistung auch dezentral durch erneuerbare Energieanlagen, flexible Lasten und Speicher bereitgestellt werden“, sagt der Gesamtprojektleiter, Professor Bernd Engel vom Institut elenia der TU Braunschweig.

Des Weiteren entwickle das Institut Schutzsysteme für die veränderten Ansprüche an die dezentralen Netze. „Ob Batteriespeicher, Elektrofahrzeug oder Solaranlage: Jede Anlage ist über einen Umrichter mit dem Netz verbunden“, so Engel. „Die Schutzsysteme warnen einerseits diese Geräte vor Störungen, etwa um Kurzschlüsse zu vermeiden. Andererseits schützen sie das Netz vor übersteuernden Umrichtern. Erst wenn die Schutzsysteme intelligent auf die Einzelgeräte reagieren, können Prosumer Systemleistungen an das Netz liefern.“

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur fördert das Projekt SiNED über drei Jahre mit mehr als zwei Millionen Euro bis Oktober 2022. Die TU Braunschweig erhält eine anteilige Fördersumme von 710.000 Euro. Die weiteren Projektpartner sind das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt und OFFIS e.V. in Oldenburg, die Leibniz-Universität Hannover und die TU Clausthal.