Braunschweig. Auf dem Europaplatz in Braunschweigs kleinstem Dorf ist die Politik noch in Ordnung.

510 Millionen Menschen leben in der Europäischen Union. Nur 240 Einwohner hat hingegen Stiddien, Braunschweigs kleinstes Dorf. Und trotzdem kann das große Europa von dem kleinen Stiddien, das gleich neben Geitelde und Broitzem liegt, eine ganze Menge lernen. Zum Beispiel, wie es gelingt, über Jahrzehnte Europa-Begeisterung aufrechtzuerhalten.

Stiddien hat seit 1984, als in Europa noch Granden wie Helmut Kohl, Francois Mitterand und Margaret Thatcher regierten, sogar einen richtigen Europaplatz. Einen mit deutscher Eiche, Hecke und zwei Bänken. Für den sorgte maßgeblich Ortsbürgermeister Heinrich Bosse. Anfang der 1990-er Jahre kam noch ein Gedenkstein hinzu. „Deutschland für Europa“ hämmerte ein Steinmetz aus Stiddien da hinein.

Zeitzeuge aller Stadien dieses Europaplatzes ist Klaus Sukopp (76), Bezirksratsmitglied, seit 1950 in Stiddien. Ein Mann, der in Reitverein, Feuerwehr und Tischtennisklub zu Hause ist. Warum ist dieser Platz im kleinen Stiddien so wichtig? „Weil ich mich für Politik interessiere. Und weil Europa in aller Munde und in allen Schlagzeilen war und ist“, sagt Klaus Sukopp. Und, ganz klar, erstmal ist man Deutscher, dann Europäer, aber Frieden, der ist wichtig, und den gibt’s mit Europa.

Und so hält nicht nur Stiddien Europa hoch, es kommen jetzt auch immer mehr Leute aus anderen Teilen der Stadt zum Europaplatz in Braunschweigs kleinstem Dorf und machen da Rast. Dafür sorgt der Kleine-Dörfer-Weg, der rund um die ganze Stadt führt. Klar, dass auch die Fahrradgruppe vom Bürgerverein aus der Weststadt (Motto: „Der Westen fährt ab“) mit Wolfgang Weber und die Radtouren-Truppe um Eckhard Becker (Motto: „Auf grünen Wegen“) hier Station machen.

So muss das sein. Und die Briten? Alles traurig, alles traurig, zu viele Forderungen, zu wenig Verständnis, meint Klaus Sukopp. Edmund Heide von der Europa-Union der Region nickt, grübelt, dann macht er klar: „Jetzt erst recht, Europa, das ist nicht nur was für die da oben, sondern für alle.“ Europa, das musst du eben mit dem Herzen sehen, mit dem Verstand und auch mit Klugheit. Übrigens nicht nur vor Wahlen. Vom kleinen, weltoffenen Stiddien, hier auf dem Europaplatz, klare Sache, kann man noch lernen.

Deshalb haben wir dort an einem unserer Lieblingsorte in der Stadt jetzt mal einen Europa-Gipfel zusammengetrommelt, na ja, einen im entsprechenden Maßstab.

Auch Ortsheimatpflegerin Claudia Helmholz ist heute dabei, dazu Bezirksbürgermeisterin Julia Kark. Die hat gleich ihren Freund Henning Hofmann mitgebracht, Bezirksbürgermeister in Hannovers Stadtbezirk Buchholz-Kleefeld. Von Hannover und Braunschweig kann man immerhin lernen, wie man in Europa trotz verschiedener Ansichten über Fußball und Politik leidlich Frieden halten kann.

Europa-Veteran Edmund Heide hat Mitstreiter Johannes Wolframm an seiner Seite. Für beide ist wichtig, dass die überparteiliche Europa-Union mit Veranstaltungen, Aktionen für Schüler, Schulwettbewerben, Diskussionen und Infoständen Lobbyarbeit in Sachen EU und Demokratie leistet.

Und für die Bezirksbürgermeisterin, die uns eine neue Pflanzschale mit Heidekraut auf dem Europaplatz zeigt, ist Stiddien eben auch der Ort für ein klares Statement, gerade jetzt: „Gerade in der heutigen zeit, wo Europa schwankt und viele Probleme in der Welt aufkommen, da ist es wichtig, dass wir hier in Stiddien an den Zusammenhalt der Menschen erinnern“, sagt sie.

So fängt große Politik immer im Kleinen an. Mit Bürgerengagement wurden jetzt übrigens kleinere Schäden, die nächtens auf dem Europaplatz angerichtet worden waren, wieder beseitigt. War da was? Schwamm drüber.