Braunschweig. 450 bis 500 Worte sind für Heiko Frubrich das Maß der Dinge. So viele Worte darf der gelernte Banker sprechen, wenn er im Dom predigt.

Die fünf Minuten dauernde Andacht, „Das Wort zum Alltag“, ist an einem Werktag – in der Regel montags – zu hören. An diesem eher herbstlichen Sommertag haben rund 40 Besucher auf den Bänken des Doms Platz genommen, um ihm zu lauschen. Sein Thema: „Einfach mal machen“. Es geht um Barmherzigkeit.

Im blauen Anzug und weißen Hemd steht Frubrich auf der Kanzel und ist mit seinen Worten dicht bei den Menschen, er zieht Vergleiche zum Berufsleben, spricht von Sparringpartnern im Sport, von Karstadt und Amazon, vom Geben und Nehmen, Leistung und Gegenleistung. Und er schlägt den Bogen zur Barmherzigkeit, bei der man anderen ganz ohne Gegenleistung etwas zukommen lässt: Geld, Nahrung, Obdach, Wertschätzung, Zeit, Liebe.

Seit rund drei Jahren spricht der 53-Jährige im Dom das „Wort zum Alltag“ und begreift diese Möglichkeit als „große Ehre“. Und er will seinen Job gut machen: „Ich habe den Anspruch, dass die Qualität passt, vor allem hier im Dom, die Leute sollen etwas mitnehmen.“

Dabei ist es manchmal gar nicht so einfach, eine Aussage in einer schlüssigen, nur fünf Minuten dauernden Andacht pointiert zu formulieren. „Manchmal ist es einfach leichter, eine längere Predigt zu schreiben“, sagt Frubrich, der als ausgebildeter Prädikant die „Befähigung zur freien Wortverkündigung“ hat und nicht nur im Dom, sondern auch in anderen Gemeinden als Laie predigt.

Beim „Wort zum Alltag“ will er nicht die „hohe Theologie“ vermitteln, sondern Denkanstöße geben, ganz ohne erhobenen Zeigefinger, und er will authentisch sein: „Ich vertrete auf der Kanzel nur Dinge, hinter denen ich auch stehe.“ Das dürfen durchaus auch Themen aus der Politik sein. Ideen für seine Andachten liefern oft Jahrestage: das Hitler-Attentat am 20. Juli, der ehemalige Tag der Deutschen Einheit am 17. Juni oder auch der „Tag der Hängematte“. Doch Frubrich steht nicht nur auf der Kanzel, als Mitglied des Kirchenvorstands ist er auch in kirchlichen Gremien tätig.

Das Team des Kirchenvorstands unterstützt Aktivitäten im Dom, etwa die Veranstaltungsreihe „Sommernächte“. Dabei hatte er viele Jahre gar keinen Bezug zur Kirche: „Ich bin mit 16 Jahren ausgetreten und war ein gut argumentierender Atheist.“

Doch nach einer Predigt aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit an einem regnerischen Tag im Herbst 2005, die er „eher zufällig“ im Dom hörte, war alles anders. „Ich bin nach einer Stunde verändert aus der Kirche gegangen und habe den Weg zum Glauben zurückgefunden“, erinnert sich Frubrich.

Heute kann er sich sogar vorstellen, sein kirchliches Engagement auf eine fundierte wissenschaftliche Ebene zu stellen und nach dem Ende seines Berufslebens als Banker Theologie zu studieren.

Die fünf Minuten dauernde Andacht „Das Wort zum Alltag“ findet montags bis freitags jeweils ab 17 Uhr im Dom statt, samstags beginnt um 12 Uhr das Mittagsgebet mit 20-minütiger Orgelmusik.

Das Wort zum Alltag wird meistens von Dompredigerin Cornelia Götz oder Dompfarrerin Katja Witte-Knoblauch gehalten oder von anderen Pfarrern und Prädikanten.