Braunschweig. . Wer die besten Mitarbeiter will, muss die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern, sagt die Betriebsratsvorsitzende bei VW Financial Services.

Die Gründe für ein Arbeiten in Teilzeit sind vielfältig: Kinder sind zu betreuen, Angehörige zu pflegen – und mancher möchte einfach mehr Freizeit für sich haben. Doch wie wirkt sich Teilzeit auf die berufliche Zukunft aus? Dazu sprachen wir mit Simone Mahler, der neuen Betriebsratsvorsitzenden bei VW Financial Services.

Frau Mahler, ist Teilzeit Ihrer Beobachtung nach immer noch mit einer beruflichen Sackgasse und einem Karriereknick verbunden?

Die Frage ist, wie man Karriere für sich definiert. Die Auffassungen sind da durchaus unterschiedlich.

Es lässt sich aber nicht von der Hand weisen, dass immer noch viele Menschen Karriere mit langen Arbeitszeiten verbinden. Nach dem Motto: „Wer lange da ist, arbeitet viel.“ Da findet aber ein langsames Umdenken statt: Zum einen, dass Präsenz nicht gleichzusetzen ist mit Leistungsfähigkeit, und zum anderen, dass sich die Bedürfnisse ändern und die Menschen nicht nur leben wollen, um zu arbeiten. Hier ist Flexibilität auf allen Seiten gefragt.

Was können Arbeitgeber und Arbeitnehmer tun, damit Teilzeit nicht das Karriereende bedeutet?

Arbeitgeber könnten mehr Verständnis für die Lebensphasen und die sich daraus ergebenden Bedürfnisse ihrer Beschäftigten entwickeln. Wer in Zukunft die besten Mitarbeiter gewinnen will, muss Instrumente zur besseren Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben anbieten.

Und für Arbeitnehmer gilt: Sie sollten keinesfalls einfach ausharren und darauf warten, dass sie einer für die Karriere entdeckt. Das gibt es weder in Vollzeit noch in Teilzeit. Wer Karriere machen will, muss das auch klar sagen und eine gewisse Flexibilität signalisieren.

Sie sind selbst Mutter von zwei Kindern und in einer Führungsposition. Wie war das bei Ihnen?

Nach der Geburt meiner Tochter 2005 bin ich bereits nach zwölf Wochen wieder in Teilzeit eingestiegen. Das war nicht immer einfach, vor allem, weil ich mich erstmal damit arrangieren musste.

Rückblickend kann ich sagen, dass Teilzeit meiner Karriere nicht geschadet hat. Ich war aber trotz Teilzeit immer bereit, flexibel auf Situationen zu reagieren. Beispiel: Wenn es eine Besprechung um 16 Uhr gab, war ich da, dafür bin ich dann an einem anderen Tag früher gegangen. Ich weiß, dass das nur funktioniert, wenn die Bedingungen und das Umfeld es zulassen. Mein Mann und die Großeltern haben mir viel abgenommen, dafür mussten wir uns täglich absprechen.

Ihr Fazit?

Unstrittig bleibt, dass Karriere als Frau mit Kindern nicht einfach ist, unabhängig vom Arbeitszeitmodell. Für viele ist es immer noch eine tägliche Zerreißprobe. Dazu kommt die Stigmatisierung: Die Frau, die Karriere macht, ist egoistisch und vernachlässigt ihre Familie. Die Frau, die zu Hause bleibt, hat keine Lust zum Arbeiten. Das sind leider weit verbreitete Vorurteile. Vielleicht wählen deshalb viele Frauen den Mittelweg. Gesellschaftlich muss sich hier noch viel bewegen.

Doch jüngere Generationen, egal ob Mann oder Frau, gehen ganz anders damit um. Das finde ich toll, und es stimmt mich zuversichtlich.

Was hat Teilzeit mit Work-Life-Balance, Zufriedenheit im Job und Wertschätzung zu tun?

Work-Life-Balance ist sicher für viele ein Grund, in Teilzeit zu arbeiten. Wie gut ich mich damit fühle, hängt sicher davon ab, ob ich mich bewusst dafür entscheiden konnte. Wertschätzung und Zufriedenheit im Job sind unheimlich wichtige Faktoren. Wer gerne arbeitet, arbeitet produktiver und gesünder.

Für mich sind das Dauerthemen sowohl für die Beschäftigten als auch für die Arbeitgeber, die unabhängig von der Stundenzahl zu betrachten sind. Schlechte Stimmung im Laden wirkt sich langfristig auf alle Akteure negativ aus.

Wie sieht es bei VW Financial Services aus: Wie viele Teilzeit-Beschäftigte gibt es und welche Teilzeit-Modelle sind möglich?

Unser Betriebsrat hat die Vereinbarkeit von Familie und Beruf konsequent vorangetrieben. So gibt es über 300 verschiedene Arbeitszeitmodelle, zum Beispiel eine Drei- und Viertagewoche. Wir haben eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit, die Flexibilität bietet sowie eine Vereinbarung über Flex Work, also mobiles Arbeiten.

All diese Möglichkeiten bieten individuelle Gestaltungsmöglichkeiten der Arbeitszeit. On top haben wir einen Kindergarten und Kinderferienbetreuung. Das sind tolle Bedingungen. In Teilzeit arbeiten am Standort Braunschweig mehr als 1600 Teilzeitbeschäftigte, fast 90 Prozent davon sind Frauen.