Braunschweig. Der Stadtbezirksrat Innenstadt hat entschieden. Die Umbenennung des Schlossplatzes in „Platz der Republik“ wurde abgelehnt.

Soll der Schlossplatz in „Platz der Republik“ umbenannt werden? Darüber musste nach hitziger öffentlicher Diskussion der Stadtbezirksrat Innenstadt entscheiden – und er hat diese Umbenennung jetzt mit 8 gegen 3 Stimmen abgelehnt.

Friedrich Walz (BIBS) hatte vorgeschlagen, der neue Name „Platz der Republik“ solle an die Revolution in Braunschweig vor 100 Jahren erinnern. Am 8. November 1918 dankte der Herzog von Braunschweig als erster Monarch Deutschlands ab. Es ist mithin das hiesige Gründungsdatum der Demokratie und des Freistaates.

Die CDU reagierte heftig. Thorsten Köster, Fraktionschef im Rat, keilte aus, bei dem Antrag gehe es in Wahrheit mal wieder gegen das Schloss. Das stecke dahinter.

„Wenn man schon nicht das Gebäude abreißen kann, so soll es doch mit allen Mitteln aus der Öffentlichkeit getilgt werden“, so Köster. Der Bezug zur Revolution von 1918 sei da nur ein durchsichtiges Manöver, dieses eigentliche Vorhaben zu verschleiern. Das sei typisch für die Schloss-Gegner. Sie könnten nicht akzeptieren, „dass eine überwältigende Mehrheit ihr wiederaufgebautes Schloss liebt und es ein großer Gewinn für Braunschweig ist“. Ins gleiche Horn stieß Parteifreund Maximilian Beyrich aus dem Stadtbezirksrat: „Jeder weiß, wo der Schlossplatz ist, nämlich am Schloss und da gehört er auch hin.“

Auch die Grünen sahen den Walz-Vorschlag kritisch und lehnten ihn wohlbegründet ab. „Der Antrag ist schlecht durchdacht und nicht überzeugend“, so Helge Böttcher.

Bereits der erste Satz der Begründung („Das bedeutendste Ereignis der letzten 100 Jahre war der Wechsel von der Monarchie zur Republik“) sei historisch gesehen abwegig: Damit würden Ereignisse und Katastrophen ausgeblendet, insbesondere die Errichtung der NS-Diktatur samt Zivilisationsbruch und Völkermord, die Entfesselung des 2. Weltkriegs, militärische Zerstörung und politische Befreiung Deutschlands durch die Alliierten sowie die friedliche Revolution von 1989 samt Wiedervereinigung.

Alles in allem, so die Grünen, solle man symbolische Diskussionen um Umbenennungen doch lieber sein lassen. Wenn man sich schon mit dem leidigen Thema Schlossplatz befassen müsse, solle man doch lieber darüber diskutieren, „wie wir die Aufenthaltsqualität dieser trostlosen Steinwüste verbessern können“ – also dann doch eher Begrünung statt Umbenennung.

Das wäre ein anderes Thema. Was den Namen betrifft, liegen für den Historiker Gerd Biegel ohnehin die Dinge klar. Der Schlossplatz sei ja keineswegs eine junge Erfindung in Verbindung mit der „Wiedererrichtung“ des Residenzschlosses, so Biegel in einer Expertise für unsere Zeitung.

Die Bezeichnung Schlossplatz habe sowohl ihren Platz in der Alltagskultur der Bevölkerung, wie durch Aufrufe zur Versammlung auf dem „Schloßplatz“ seit den 1920er Jahren vielfältig belegt sei. Ebenso in Publikationen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts: „Führer durch die Stadt Braunschweig“ von 1884, „Brockhaus“ 1910 oder „Festschrift zum Regierungsantritt des jungen Herzogspaares“ 1913, um nur einige zu nennen.

In offiziellen Karten erscheine auch der Begriff Schlosshof, so lange eine Umzäunung stand, „allerdings gelegentlich auch nur auf dem Platz hinter dem Schloss, während er zum Bohlweg hin auch Schlossplatz genannt wird“.

Eine aktenkundige Umbenennung, so Biegel, erfolgte indes 1935 von „Schloßplatz“ zu „Platz der SS“ – und schließlich im Mai 1945 eine Rückbenennung zu „Schloßplatz“, womit auch eine offizielle Platzbenennung belegt sei.

Biegel: „Im Übrigen ist der Schlossplatz in der Geschichte ein Platz, der im Zentrum der Revolutionen stand – ganz unabhängig von der Frage nach der Demokratie.“ In Bezug auf die Demokratie wäre der richtige Erinnerungsort schließlich der Platz an der Martinikirche vor dem Parlamentsgebäude, heute Amtsgericht.

Wollte man also an die Revolutionen von 1830, 1848 und 1918 erinnern, so böte sich keine Umbenennung eines historisch gewachsenen Schlossplatzes an, vielmehr besser dort eine zweite Gedenkplatte.

Eben vergleichbar mit jener, die an den 10. Mai 1933 und die Bücherverbrennung durch die Nazis erinnert. Biegel plädiert zusammenfassend für „historische Erinnerung statt unhistorischer Beliebigkeit“.

Mathias Möller (FDP) verweist auf „gelebte Realität“: „Die Bezeichnung muss für den Bürger nachvollziehbar und verständlich sein, sonst wird sich ein neuer Name nie durchsetzen – und sei er noch so gut historisch begründet.“

Anke Schneider, Die Linke, sagte hingegen: „Der Antrag zur Umbenennung genießt durchaus unsere Sympathie. Die Novemberrevolution, die dadurch erzwungene Abdankung des Herzogs und das Ausrufen der Republik, die mit der Revolution verbundene Beendigung des 1. Weltkrieges, das Ende der Feudalherrschaft und des Dreiklassenwahlrechts, Wahlrecht für Frauen, Anerkennung von Gewerkschaften, Einführung von Tarifverträgen und des Acht-Stunden-Arbeitstages sind Ereignisse, auf die Braunschweig stolz sein kann.“

Bisher erfahre all dies, so Anke Schneider, nirgendwo in der Stadt eine dauerhafte Würdigung. Auch Martin Bonneberg (Piraten) war für die Umbenennung: „Einen Platz der Republik empfinde ich als starkes Symbol für Demokratie und Mitbestimmung, das uns erinnert, ermahnt und inspiriert“, sagte er.

Die SPD-Fraktion im Stadtbezirksrat lehnte den Antrag zur Umbenennung des Schlossplatzes eindeutig ab.