Pöhlde. Staatsschutz ermittelt nach Vorfällen vor Weihnachten in der „Post“ in Pöhlde. Auswirkung auf Rosenmontagsumzug im Dorf und Karneval. Was vorgefallen ist.
„L‘amour toujours“: Der Hit-Song von Gigi D’Agostino wird beim Pöhlder Rosenmontagszug nicht zu hören sein. Die Vorsitzende des Pöhlder Carneval Club (PCC) Sarah Kreiner, hat es den Wagenbauern und anderen Teilnehmern des Zuges in einer internen Anweisung, die dem Harz Kurier vorliegt, verboten. Telefonisch bestätigt sie die Information.
Der Grund: In der Weihnachtsdisco in der „Post“ in Pöhlde soll das Lied gespielt worden sein und Besucher der Disco haben dazu rassistische Textzeilen gesungen. Auf die Melodie des bekannten Discohits skandieren in der jüngsten Zeit immer wieder Feiernde die Parole „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus!“. Eine Parole aus Nazizirkeln, die bis in die 20er Jahre zurückreicht und auch von Adolf Hitler aufgegriffen wurde. In den 90ern wurde der Satz unter anderem im Zusammenhang mit den ausländerfeindlichen Ausschreitungen in Hoyerswerda oder Rostock-Lichtenhagen bundesweit bekannt.
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Den Vorfall bestätigt Jasmin Kaatz, Sprecherin der Polizeiinspektion Göttingen, auf Nachfrage des Harz Kurier. „Ja, das Staatsschutzkommissariat der Polizeiinspektion Göttingen hat im Zusammenhang mit einem gleichgearteten Sachverhalt am 23. Dezember 2023 in Pöhlde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen Volksverhetzung (§ 130 Strafgesetzbuch) eingeleitet“, heißt es dazu in ihrer schriftlichen Antwort.
Rassistisches Liedgut in der „Post“ in Pöhlde im Harz
Weiter heißt es: Die Ermittler seien angesichts des Vorfalles an die Stadt Herzberg herangetreten, um zur Vermeidung von weiteren Straftaten auf die mögliche strafrechtliche Relevanz hinzuweisen. Aufgrund der bevorstehenden Karnevalsveranstaltungen, vor allem in Pöhlde am kommenden Rosenmontag, wurde mit dem Fachbereich Ordnung besprochen, dass die Veranstalter kontaktiert werden sollten. Dabei solle den Veranstaltern deutlich gemacht werden, dass das Lied „L’amour toujours“ von Gigi D’Agostino die Gefahr birgt, dass es zu strafbaren Handlungen, also zu Volksverhetzung wie im vorliegenden Fall in Pöhlde, kommen kann.
Jasmin Kaatz weist auch darauf hin, dass das reine Abspielen des Liedes strafrechtlich nicht relevant ist. Wohl aber der strafrechtlich relevante „Gesang“ dazu.
PCC-Vorsitzende in Pöhlde: „Wir sind geschockt!“
Die Vorsitzende des PCC, Sarah Kreiner, bestätigt den Vorgang. Sie weist in aller Deutlichkeit darauf hin, dass der Vorfall nicht auf einer Karnevalsveranstaltung des PCC passiert sei, sondern auf einer Veranstaltung der „Post“-Disco. Der PCC habe mit der Party vor Weihnachten nichts zu tun gehabt. Dennoch sagt sie auch: „Wir sind geschockt. Das ist ein Partylied, es geht doch darin um Liebe.“ Sie distanziert sich von jeglicher rassistischer Tendenz: „Wir wollen nichts mit Rechten zu tun haben“, sagt sie vehement. „Der Karneval ist bunt und steht für Gleichheit. Deswegen feiern wir ja überhaupt Karneval. Es ist völlig egal, wie alt man ist und was man beruflich macht. Hier duzt sich jeder. Es geht einfach um Gleichheit. Jedem, der hier sowas singt, sage ich: Da ist die Tür!“
Auch Hilmer Andres, Besitzer und Betreiber der „Post“, in dem die Party stattfand, distanziert klar von dem Vorfall: „Unser DJ hat den Song angestimmt, weil er als Klassiker auf der Playlist des Abends stand“, erzählt er. Als dem Diskotheken-Betreiber die Parolen auffielen, habe er kurzen Prozess gemacht: „Ich bin sofort zu unserem DJ gegangen und habe ihm gesagt, dass dieser Song nicht mehr bei uns gespielt wird, wenn er diese Reaktion zur Folge hat - und so werden wir es weiter handhaben. Wir distanzieren uns klar von dem Geschehenen und unterstützen ein solches Verhalten auf keinen Fall.“
Vorfall in Pöhlde ist kein Einzelfall: Volksverhetzender Gesang geht viral bei TikTok
Pöhlde ist damit kein Einzelfall. Fast schon deutschlandweit wird das eigentlich harmlose Partylied in Discos gespielt und es werden rechte und rassistische Liedzeilen dazu gesungen.
Zu den markanten Tönen des Popsongs werden rassistische Zeilen wie „Ausländer raus, Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gesungen. Die rassistische Parole ist natürlich nicht der Originaltext des mittlerweile schon 23 Jahre alten Popsongs. Allerdings: Mit dem abgeänderten Text erlebt das Liebeslied derzeit ein Revival unter Jugendlichen als neurechte Hymne. Etliche Partyvideos kursieren mittlerweile aus ganz Deutschland und Österreich auf der Kurzvideo-Plattform TikTok. Dem Landeskriminalamt und dem Staatsschutz sind einige Vorfälle bekannt – wie jetzt auch der aus Pöhlde.
Der Rosenmontagsumzug wird sich dennoch in Bewegung setzen: am kommenden Montag, dem 12. Februar, ab 13.30 Uhr in Pöhlde.
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