Göttingen. „Querdenken einfrieren“: Etwa 2.500 Demonstranten protestierten gegen Querdenken, Verschwörungsideologien und rechte Gesinnung.

„Querdenken einfrieren“ - so lautete das Motto, unter dem sich zehn angemeldete Kundgebungen mit insgesamt etwa 2.500 Teilnehmern aller Altersgruppen vergangenen Samstag in Göttingen einfanden. Ihre Demonstrationszüge kamen sternförmig aus vier verschiedenen Richtungen, um sich gegen Mittag am Gauß-Weber-Denkmal an der Bürgerstraße zu vereinen.

Der gemeinsame Protest richtete sich gegen die Kundgebung „Versammlungsfreiheit statt Extremismus“. Diese fand zeitgleich direkt gegenüber vor dem Neuen Rathaus mit circa 450 Teilnehmern aus der Querdenker-Szene statt.

Ein Großaufgebot der Polizei mit mehreren hundert Einsatzkräften war vor Ort. Sie sorgten dafür, dass das Recht zur Meinungs- und Versammlungsfreiheit gemäß demokratischer Regeln in Anspruch genommen werden konnte. „Für die Polizeiinspektion Göttingen ist es einer der größten Einsätze der letzten Jahre. Die Vorbereitungen laufen bereits seit mehreren Wochen“, erklärte Gesamteinsatzleiter Rainer Nolte, Leiter der Polizeiinspektion Göttingen, im Vorfeld (wir berichteten).

Engagierte Jugendliche am Albaniplatz.
Engagierte Jugendliche am Albaniplatz. © FMN | Ralf Gießler

Zahlreiche Gruppen und Einzelpersonen - auch aus dem Altkreis Osterode am Harz - waren gekommen, um klare Kante gegen Hass, Hetze, Verschwörungstheorien sowie rechte Ideologien zu zeigen. So meinten die Omas gegen Rechts Altkreis Osterode, die mit neun Aktiven dabei waren: „Die Omas gegen Rechts Altkreis Osterode werden die Omas gegen Rechts Göttingen und das Bündnis gegen Rechts bei der Demonstration gegen die Querdenker unterstützen. Wir wenden uns gegen die Menschen, die unsere Demokratie mit enthemmter Wut, Verrohung und ständiger Verbreitung von Fake News zerstören wollen. Wir wenden uns gegen eine Partei, die Hass, Lügen und Spaltung als Hauptinhalt hat. Wir stehen ein mit vielen anderen Menschen, denen das Bestehen unserer Demokratie wichtig ist, für die Erhaltung unserer Demokratie.“

Winterliche Temperaturen und eisklare Positionen: „Göttingen lässt Querdenken einfrieren!“

Das Bündnis gegen Rechts Göttingen erklärte dazu: „Wir wollen die winterlichen Temperaturen für eisklare Positionen nutzen: Göttingen lässt Querdenken einfrieren! Gemeinsam können wir diese Aufmärsche von Rechts stoppen. Das tragen wir heute gemeinsam solidarisch, bunt und kreativ im Rahmen von Demonstrationen und Kundgebungen auf die Straße.“ Und weiter: „Auch im Landkreis Göttingen und im gesamten Südharz sind dieselben altbekannten Verschwörungsideologen, Coronaleugner und Impfgegner nahtlos zu Themen wie Ukrainekrieg, Bauernprotest, Lkw-Maut und vieles mehr umgeschwenkt. Sie versuchen dabei massiv, berechtigte Kritik zu ihren Zwecken umzumünzen und zu vereinnahmen, bestehende Verunsicherungen in der Bevölkerung mit Wortergreifung zu radikalisieren und damit demokratische Prozesse auszuhebeln. Das lassen wir nicht zu“.

Das Bündnis gegen Rechts Göttingen wurde dabei unterstützt von einem breitem Spektrum von Gewerkschaften, Vertretern verschiedener demokratischer Parteien und Organisationen, wie beispielsweise von der AWO Göttingen, Attac, Amnesty International Ortsgruppe Göttingen, dem AstA Uni der Göttingen oder der evangelischen Kirche, um nur einige zu benennen. Ebenso von Institutionen aus dem Kulturbereich, wie von Vertretern des Deutschen und des Jungen Theaters Göttingen oder des Theater Boat People Projekt.

Osteroder Politikerin zu Demo in Göttingen: „Demokratien müssen engagiert verteidigt werden“

Almut Mackensen, Bündnis 90/Die Grünen-Politikerin aus Osterode am Harz, erklärte: „Nicht nur das Treffen von Rechtsradikalen bei Potsdam macht es noch deutlicher als zuvor: Demokratien müssen engagiert verteidigt werden, nur sie schützen Freiheit, Frieden und Gerechtigkeit. Gegenwind ist wichtig, wenn unsere Demokratie durch Hetze, Lügen und Gewalt bedroht ist. Deswegen brauchen zivilgesellschaftliche Organisationen und alle demokratischen Parteien Unterstützung. Daher war es am Samstag wirklich sehr erfreulich, wie groß die Beteiligung an der Gegen-Demo in Göttingen aus einem weiten Umkreis war. Es ist ja wirklich so, dass wir uns als Demokraten stark machen müssen, gegen diese populistischen und staatsfeindlichen Strömungen, die so vermeintlich leisetreterisch daher kommen.“

Und in der Tat war es mitunter nicht ganz leicht, gezeigte Plakate sofort dem einem oder anderen Demonstrationslager eindeutig zuzuordnen - wie beispielsweise ein Friedensplakat bei den Querdenkern, welches das Wort „Frieden“ in mehreren Sprachen beinhaltete. Die Statements der Gegner rechten Gedankenguts waren dabei jedoch oft auch kreativ gestaltet. So konnte man unter anderem „Keine Schoki für Nazis“, „Nazis einen Vogel zeigen“ oder „Schwurbeln macht hässlich“ sehen.

Auch eine Gruppe aus Herzberg zeigt Flagge.
Auch eine Gruppe aus Herzberg zeigt Flagge. © FMN | Ralf Gießler

Im weiteren Verlauf des Nachmittages kam es dann doch noch zu einigen Situationen, in denen die Polizei eingreifen musste. Wie die Polizei berichtet, ist es zu Straßen- und Sitzblockaden sowie kleineren Auseinandersetzungen mit der Polizei gekommen: „Gegendemonstrierende zogen an mehreren Stellen der Aufzugsroute Müllcontainer auf die Straße und setzten sie in Brand. Die Göttinger Berufsfeuerwehr musste ausrücken und die Feuer ablöschen. Zur Höhe der verursachten Sachschäden liegen noch keine Informationen vor. Die Polizei nahm mehrere Personen unter anderem wegen tätlichen Angriffs auf Einsatzkräfte vorläufig fest“.

Am Theaterplatz kommt es zu einer Sitzblockade. Pyrotechnik fliegt.
Am Theaterplatz kommt es zu einer Sitzblockade. Pyrotechnik fliegt. © FMN | Ralf Gießler

Und weiter heißt es vonseiten der Polizei im Nachgang der Veranstaltungen: „Die Aufzugstrecke der von mehreren Gruppierungen als Querdenker-Versammlung eingestuften Demonstration war im Laufe des Tages immer wieder blockiert worden. Einsatzkräfte mussten zum Teil unmittelbaren Zwang in Form von Wegschieben sowie ganz vereinzelt Pfefferspray und Schlagstöcke einsetzen. Ein ursprünglich noch für 19 Uhr geplanter Autokorso wurde von der Anzeigenden am frühen Abend abgesagt.“ Laut Jasmin Kaatz, zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der Polizeiinspektion Göttingen, dauere die Auswertung der Tagesgeschehnisse sowie die Zusammenführung aller Daten noch an. Voraussichtlich Anfang der Woche können weitere Informationen folgen.

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