Bad Lauterberg/Bad Sachsa. Landwirte aus dem Südharz haben einen Trecker-Korso durch Bad Lauterberg gemacht. Was eine Agrarsoziologin zu den Bauern-Demos sagt.

Die deutschlandweiten Proteste der Landwirte wirken sich weiterhin auf den Verkehr im Südharz aus: Am Donnerstagabend schlängelte sich ein Trecker-Konvoi durch die Straßen von Steina aus über Osterhagen, Bartolfelde, Barbis, Bad Lauterberg und über den Butterberg zurück nach Steina. Auf einer Wiese an der Bundesstraße 243 fand der Abschluss an Lagerfeuern statt. In der Planungsphase war mal angedacht, dass die Fahrt über den Bad Lauterberger Boulevard gehen sollte - das war nicht der Fall.

Die ursprünglich für 17 Uhr geplante Abfahrt verzögerte sich um eine halbe Stunde. Mehr Teilnehmer als erwartet waren am Treffpunkt erschienen und deswegen mussten mit der begleitenden Polizei noch Absprachen getroffen werden - mit Erfolg: Veranstalter Jan Preisel aus Hohegeiß und viele Kollegen aus dem Südharz bildeten einen langen Zug. Unter die rund 50 Traktoren mischten sich Teilnehmer aus der heimischen Wirtschaft und auch viele Privatleute mit ihren Autos.

Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle befindet sich ein externer Inhalt von Instagram, der von unserer Redaktion empfohlen wird. Er ergänzt den Artikel und kann mit einem Klick angezeigt und wieder ausgeblendet werden.
Externer Inhalt
Ich bin damit einverstanden, dass mir dieser externe Inhalt angezeigt wird. Es können dabei personenbezogene Daten an den Anbieter des Inhalts und Drittdienste übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung

Landwirt aus Pöhlde war bei Kundgebung in Hannover dabei

„Ich finde es wichtig, der Bevölkerung hier vor Ort zu zeigen, was los ist“, erklärt Mitorganisator Gordon Fuchs die ergänzende Aktion zu der Kundgebung in Hannover. Bereits am Donnerstagmittag hatten sich dort rund 2000 Landwirte aus ganz Niedersachsen mit ihren Treckern versammelt, um gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung zu demonstrieren. Unter den Versammlungsteilnehmern befanden sich auch Mitglieder des Landvolks Northeim-Osterode mit ungefähr 100 Schleppern, wie Jonas Kenner vom Landvolk-Vorstand berichtet.

Um die Landeshauptstadt rechtzeitig zur Kundgebung gegen 11 Uhr zu erreichen, seien sie bereits nachts gegen 3 Uhr in Northeim gestartet. „Alles hat funktioniert. Es gab keine Zwischenfälle oder Ähnliches“, so Kenner. Der Pöhlder betont: „Wir Landwirte protestieren friedlich“ - Rechtsextremen werde auf den Veranstaltungen keine Plattform geboten. Zu Wort kamen Landvolk, -jugend und -frauen und Politiker von FDP, SPD und den Grünen.

Auch interessant

Wie haben die Landwirte im Südharz bisher demonstriert?

Außerdem fand am Donnerstagabend ein Mahnfeuer in Wulften statt. Bereits am Mittwochabend veranstalteten Landwirte aus der Region ein Mahnfeuer bei Gieboldehausen. Auch bei Bad Sachsa gab es ein Treffen auf einem Feld.

Am Montagmorgen blockierten die hiesigen Bauern im Rahmen einer bundesweiten Aktion die Auffahrten zur B243 zwischen Mackenrode und Herzberg. „Es gab viele positive Rückmeldungen aus der Bevölkerung“, erzählt Fuchs von der Aktion. Unternehmer schlossen sich ihm zufolge der Protestaktion an. Außerdem hätten Privatpersonen Getränke und Speisen - zum Beispiel Waffeln - bei den Demonstrierenden vorbeigebracht.

Dieses Plakat konnte abgenommen werden: Die Landwirte haben mit ihren Protesten bereits ein Teilziel erreicht: Die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen soll nicht kommen.
Dieses Plakat konnte abgenommen werden: Die Landwirte haben mit ihren Protesten bereits ein Teilziel erreicht: Die Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Maschinen soll nicht kommen. © HK | Karl-Heinz Wolter

Warum demonstrieren die Landwirte im Altkreis Osterode und in ganz Deutschland?

Auslöser für die Proteste der Landwirte waren Pläne der Bundesregierung, eine Kfz-Steuer für landwirtschaftlich genutzte Fahrzeuge einzuführen und Steuerrückerstattungen für Agrardiesel zu streichen. Inzwischen soll das grüne Kennzeichen bleiben und die Dieselvergünstigung schrittweise abgebaut werden.

Nach Ansicht der Agrarsoziologin Janna Luisa Pieper sind die Bauernproteste trotz großer medialer Aufmerksamkeit kommunikativ betrachtet bislang kein Erfolg. „Es ist den Landwirten nicht gelungen, der breiten Gesellschaft deutlich zu machen, worum es ihnen eigentlich geht“, sagte Pieper in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Die Streichung der Agrardiesel-Subventionen ist lediglich der letzte Tropfen in einem Fass voller Themen.“ Pieper forscht am Lehrstuhl für die „Soziologie Ländlicher Räume“ an der Georg-August-Universität Göttingen.

Landwirtschaft in Deutschland: Was sind die Herausforderungen?

Viele Landwirte seien in großer Sorge - „um ihre Betriebe, ihre Hofnachfolge, ihre Zukunft“, sagte Pieper gegenüber dem epd. Aufgrund der sich verändernden politischen Rahmenbedingungen gebe es immer wieder neue Gesetze, Regeln und bürokratische Zwänge. „Das ist für einen Berufsstand, der sehr viel Wert auf Autonomie legt, schwierig.“ Dazu kämen multiple Krisen wie der Klimawandel, Hochwasser oder Dürren. Mit ihnen kämen zwar alle Menschen in Berührung, sie träfen die Landwirtschaft aber viel unmittelbarer und existenzieller. Gleiches gelte für die Auswirkungen der Globalisierung und des weltumspannenden Handels: „Die Herausforderungen sind wirklich komplex.“

Sie bewirkten bei vielen Bauern Überforderung und Verunsicherung. „Es entsteht das Gefühl, dass Veränderungen zu schnell passieren und man da nicht hinterherkommt“, sagte die Agrarsoziologin. Der Eindruck, dass viele Menschen kein Verständnis für die schwierige Situation der Landwirtschaft hätten, sowie das Gefühl mangelnder Anerkennung und Wertschätzung hätten bei vielen Landwirten dazu geführt, dass sie sich nicht mehr der Gesamtgesellschaft zugehörig fühlten.

Bauern-Proteste: Unterwandern Rechtsextremisten die Demonstrationen?

So sei es auch zu erklären, dass völkische, verschwörungsideologische und antidemokratische Parolen in Teilen der Bauernschaft Anklang fänden. „Das rechtspopulistische Narrativ von der Kritik am Establishment, an ‘denen da oben’, an den Politikern, den Medien, an der Ampel-Regierung oder den ‘Berliner Eliten’ ist in diesem Milieu durchaus anschlussfähig“, sagte Pieper.

Die Distanzierung der Bauernverbände von der Blockade-Aktion norddeutscher Landwirte gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat nach Ansicht der Wissenschaftlerin recht spät stattgefunden. Manches Statement hätte deutlicher ausfallen müssen. „Außerdem dürfen wir aus der Distanzierung der Verbände nicht schließen, dass alle Bauern ein Vorgehen wie an diesem Fähranleger verurteilen.“

Expertin: Weitere Bauern-Demos werden folgen

Pieper geht davon aus, dass die Aktionswoche nicht der letzte Protest dieser Art sein wird. Bereits die Bauernproteste 2019/2020 hätten das Frustpotenzial in der Landwirtschaft deutlich gezeigt. „Die Demonstrationen fanden nur ein Ende, weil dann die Corona-Pandemie kam.“

Lesen Sie mehr Geschichten aus Bad Lauterberg, Bad Sachsa, Walkenried und dem Südharz:

Unser Top-Angebot: 12 Monate HK PLUS für 49 € lesen! Jetzt Angebot und Vorteile checken.