Osterode. Die gebürtige Brasilianerin besucht das erste Mal den Harz und ist schwer begeistert. Sie lernt Osterode kennen und erwandert die Region.

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Aber ich zeige unheimlich gerne Gästen meine Heimatregion. Erst recht, wenn diese meinem Besuch noch komplett unbekannt ist. Da packt mich der Ehrgeiz und die Heimatliebe meldet sich zu Wort. Es vollzieht sich dann bei mir eine Art Verwandlung, vergleichbar wie im Roman „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“. Zwar mutiere ich nicht zu Letzterem, ich möchte ja keinen vergraulen. Aber ein begeisterter Fremdenführer tritt schon hervor, was natürlich viel passender ist. So geschehen vor Kurzem, als mich Edenilda Ferreira besuchte. Die gebürtige Brasilianerin kommt ursprünglich aus Lages do Batata/Stadt Jacobina-Bahia.

Auch meiner Grundschule Jacobitor statten Edenilda und ich einen Besuch ab.
Auch meiner Grundschule Jacobitor statten Edenilda und ich einen Besuch ab. © FMN | Ralf Gießler

In Lages do Batata/Stadt Jacobina-Bahia leben zehn indigene Ethnien, und somit stellt die Stadt die zweitgrößte indianische Bevölkerung Brasiliens. Edenilda oder auch Deni gerufen wohnt zwar schon seit Jahren mit ihren Kindern in Paderborn. Im schönen Harz war sie allerdings noch nie. Ein Umstand, den ich keinesfalls so stehen lassen wollte. Zum Glück sah sie es genauso. Aus ihrer Sicht sei es an der Zeit, das nördlichste Mittelgebirge Deutschlands genauer unter die Lupe zu nehmen.

Wald ist Edenilda ein liebgewonnener Ort

Ihre persönliche Wald-Messlatte liegt hoch, sehr hoch. Schließlich fließt in Edenildas Adern zum Teil indianisches Blut, der Wald ist ihr ein liebgewonnener Ort. Ihre Großmutter war eine Angehörige der Yanomami oder Payayàs. Das sei nicht ganz gesichert, sagte Deni, vermutlich gehörte sie zum letztgenannten Stamm. Die Yanomami waren mir ein Begriff. Ich kannte sie aus Schilderungen in Büchern der deutschen Abenteuerlegende Rüdiger Nehberg. Ein faszinierender Stamm, der unter anderem Endo-Kannibalismus praktizierte. Ob das heute noch der Fall ist, vermag ich nicht zu sagen. In einer Buchpassage schilderte Nehberg den Brauch näher: Die Asche der Toten wird mit zerdrückten Bananen zu einem Brei vermischt und von Angehörigen verspeist. Auf diese Weise sollen die Verstorbenen in ihnen weiterleben. Die Aussage eines Yanomami - Wenn du tot bist, esse ich dich auf - gilt als Ehre und Liebesbeweis, so Nehberg.

Edenildas Großmutter jedenfalls nannte noch den Amazonas-Regenwald ihr Zuhause. Immerhin der weltweit größte tropische Regenwald. Gegen ihn ist der Harz winzig und wenig vergleichbar. Dennoch hat er einiges zu bieten, was es nur hier gibt - zum Beispiel das Oberharzer Wasserregal, aber dazu später mehr.

Sehenswürdigkeiten Osterodes entdecken

Zunächst ging es auf unserer ersten Tour nach Osterode am Harz. Dort angekommen zeigte ich ihr einige Sehenswürdigkeiten, die man aus meiner Sicht unbedingt gesehen haben muss. Beispielsweise das Kornmagazin mit dem angeketteten Einhorn unterhalb des Daches oder das Ritterhaus. Die Altstadt mit Stadtmauer hat ihr gut gefallen. Da ich ein Faible für Geschichte habe - besonders wenn diese etwas Gruseliges an sich hat - zeigte ich ihr auch das frühere Haus des Scharfrichters sowie den Galgenturm am Ührder Berg mit angrenzendem König Georg Pavillon.

Edenilda Ferreira am Galgenturm in Osterode am Harz.
Edenilda Ferreira am Galgenturm in Osterode am Harz. © FMN | Ralf Gießler

Edenilda fand es witzig, dass man das Henkerhaus noch heute an der Hausnummernfarbe erkennen kann. Es ist nämlich die einzig rote Nummer in der Straße. Diese Erkenntnis habe ich einmal vor ein paar Jahren während einer Stadtführung erhalten, die ich in diesem Zusammenhang nur empfehlen kann. Auch als Osteroder kann man da noch einiges über seine Heimatstadt lernen.

Stollen, Wasserfälle und das Oberharzer Wasserregal

Weiter ging es nach Lerbach zu den Eisensteinstollen. Ihre Begeisterung stieg. Am liebsten hätte mein Gast die gezeigten Stollen von innen erkundet. Und einmal mehr wünschte ich mir das magische Schlüsselbund vom kleinen Gespenst aus Otfried Preußlers gleichnamigen Kinderbuch. Damit konnte das Gespenst nämlich jede erdenkliche Tür zu öffnen. Nächster Halt war die Steinkirche in Scharzfeld, wo wir uns lange aufhielten.

Am Spiegeltaler Wasserfall hat es meinem Besuch besonders gut gefallen.
Am Spiegeltaler Wasserfall hat es meinem Besuch besonders gut gefallen. © FMN | Ralf Gießler

Dann machten wir uns auf in den Harz, genauer gesagt zum Spiegeltaler Wasserfall. Leider - oder sollte ich sagen zum Glück - waren die Clausthaler Bergwiesen bereits abgemäht. Wahrscheinlich würden wir jetzt noch dort sitzen und Blumen ansehen, denn Edenilda ist ausgesprochener Blumenfan. Auf dem Weg hin zum Spiegeltaler Wasserfall erklärte ich ihr den Sinn und Zweck des Oberharzer Wasserregals. So etwas hatte sie noch nie gesehen. Und wir staunten gemeinsam über die Leistungen der Altvorderen in Sachen Baukunst.

Pilze am Oderteich fotografiert

Am Wasserfall angekommen bedauerte Deni, dass wir dort nicht alleine waren. Deswegen fiel für sie ein kurzes Bad unter dem Wasserfall aus, obwohl es schon sehr verlockend war. So endete das erste Wochenende im Harz. Offensichtlich hatte es ihr gefallen. Denn einige Zeit später kam Deni zu einem zweiten Besuch.

Diesmal ging es zum Oderteich, wo von ihr gefühlt jeder Pilz fotografiert wurde. Es waren aber auch echt schöne Exemplare dabei. An diesem Tag war der Oderteich nahezu ein internationaler Wandertreff. Wir hörten neben Deutsch auch Niederländisch, Schwedisch, Ukrainisch oder - man glaubt es kaum - Indisch.

Auf unseren Wanderungen sehen wir tolle Pilze wie aus dem Bilderbuch.
Auf unseren Wanderungen sehen wir tolle Pilze wie aus dem Bilderbuch. © FMN | Ralf Gießler

Angst vor Bären und Wölfen im Harz, aber es gibt keine Anakondas

Dass man auch Wanderstempel sammeln konnte, fand sie klasse. Natürlich habe ich abschließend gefragt, was sie denn im Harz beeindruckt habe, hier ihre Antwort: „Ich bin zwar schon ziemlich lange von Brasilien weg und hier in Deutschland zu Hause. Aber noch nie bin ich so nahe an die deutsche Kultur gekommen wie dieses Mal. Am Galgenturm habe ich tatsächlich Gänsehaut bekommen. Was mich am meisten beeindruckt hat, sind die ganz vielen Pilzarten, die ich nie in Brasilien gesehen habe. Ebenso die vielen Miniflüsse im Harz sowie der Spiegeltaler und Lonauer Wasserfall. Ich bin durch den Wald gegangen, ohne Angst. Sehr spannend für mich, dass man viele Wanderfans trifft, die sich freundlich grüßen. Das fand ich sehr nett. Das Moor am Oderteich mit dem langen Holzweg darüber fand ich auch faszinierend. Beim Wandern im Harz musste ich keine Angst vor Anakondas oder Jibòias haben (gemeint sind Boa-Schlangen). Im Gegensatz zu Brasilien. Wenn man dort aus Freude an den schönen Ausblicken in die Natur seine Umgebung vergisst, kann man auch häufig böse Überraschungen erleben. Denn tropische Länder, wo es so schön warm und feucht ist, sind eben auch ein Paradies für große und giftige Schlangen. Aber ich gebe zu, ich hatte auch im Harz ein bisschen Angst vor Bären oder Wölfen.“

Ein Wanderstempel ist Pflicht.
Ein Wanderstempel ist Pflicht. © FMN | Ralf Gießler

Die Angst vor Meister Petz konnte ich schnell ausräumen. Als ich ihr Tage später jedoch berichtete, dass Wölfe im Harz in eine Fotofalle getappt sein sollen, wurde Deni nachträglich doch noch etwas mulmig zumute.

Sehenswürdigkeiten in unserer Region gibt es viele

Eines fällt mir immer wieder auf, wenn ich Gäste von weiter her durch meine Heimat führe. Es werden Dinge fotografiert, die ich jetzt nicht sofort auf den Schirm hätte. Zu nennen wäre da beispielsweise ein Kreisel in Osterode, den ich zweimal langsam umfahren musste, damit meine Begleiterin die hübsch anzusehenden Blumen mehrfach fotografieren konnte. Die Ausflüge waren jedenfalls ein voller Erfolg. Und ihre Aussage „Der Harz ist Hammer!“ hat mich natürlich sehr gefreut. Eine baldige Wiederholung ist bereits fest eingeplant. Denn Sehenswürdigkeiten gibt es in unserer Region nun wahrlich mehr als genug!

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