Herzberg. Seit 10 Jahren besteht die Autismusambulanz der Lebenshilfe in Herzberg. Zum Jubiläum blicken die Initiatoren zurück auf ihre Erfolgsgeschichte.

„Wenn die Gesichter der anderen eine fremde Sprache sprechen“,titelt der Harz Kurier im Januar 2015. Es war der Anfang der Autismusambulanz der Heilpädagogischen Einrichtungen der Lebenshilfe in Herzberg. Schon 2013 hatte die Gruppe die Förderung vom damaligen Landkreis Osterode erhalten, um ihre Arbeit aufzunehmen. Doch bis alles unter Dach und Fach war, ging noch einige Zeit ins Land, wie sich Einrichtungsleiterin Nina Schlesier erinnert. Deswegen wollte die Lebenshilfe das Jubiläum jetzt schon feiern – vom Ursprung an, wenn man so will.

Das Konzept der Autismusambulanz richtet sich Menschen, mit einer Autismusspektrum-Störung und deren Lebensumfeld. „Wir sind maßgeblich Unterstützer für Eltern. Wir sind Fachberater rund um das Thema Autismus und helfen in allen Lebenslagen“, erklärt Schlesier. Es gehe darum, das Wissen in den Alltag zu übertragen, um zu helfen, diesen bewältigen zu können. „Teilhabe: Das ist unser A und O.“

Nicht nur Kinder, auch Erwachsene nutzen das Angebot der Autismusambulanz in Herzberg

Autismus ist eine Störung der Gehirnentwicklung, die sich in vielen Formen äußern kann. Entsprechend individuell sind die Bedürfnisse von Menschen mit Autismus und ihrer Familien. Die Konzepte müssen stets angepasst werden. Zu diesem Zweck arbeiten sieben Kolleginnen und Kollegen in der Autismusambulanz, darunter ausgebildete Sozialarbeiter und Heilpädagogen. „Im Prinzip erstellen wir für jeden Fall ein eigenes Förderkonzept“, erklärt Schlesier. Doch es sind nicht nur Kinder, welche die Angebote des Teams nutzen: „Insgesamt betreuen wir 62 Klienten hier am Standort in Herzberg – darunter auch einige Erwachsene.“

Die Vorsitzende des Vereins Lebenshilfe Südharz Petra Becker-Marhenke beschreibt den Auftrag entlang der Richtlinien der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen: „Es geht darum, dass alle Menschen gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben können.“ Aus ihrem Grußwort an die über 50 Gäste der Jubiläumsfeier geht hervor, dass das Wachstum, welches die Autismusambulanz in den vergangenen zehn Jahren erfahren hat, auch Ausdruck einer Gesellschaft ist, die sich zunehmend mit den Fragen von Inklusion und Teilhabe befasst. „Die größte Herausforderung an Autismus ist, die Gesellschaft darauf vorzubereiten“, sagt eine Mutter eines betroffenen Kindes, den Gästen. Der Wechsel der Perspektive, ist manchmal entscheidend, um in Fragen der Inklusion weiterzukommen.

Unwissenheit über Autismus bringt Nachteile für alle

Dass die Autismusambulanz großes Wachstum erfahren hat, ist ein Beleg für ihren Erfolg. Nach den Anfängen in der Kastanienstraße in Herzberg zog die Lebenshilfe mit weiteren Angeboten 2018 schließlich in die Räume in der Hindenburgstraße. „Hier haben wir für alle unsere Aufgaben ausreichend Platz und eine Menge gut strukturierter Räume. Das ist für unsere Klienten enorm wichtig“, so Nina Schlesier. Jetzt stehe ihnen sehr viel Raum zur Verfügung, um ihr Angebot abzurunden, zum Beispiel mit einem Raum für Bastelarbeiten oder für verschiedene Bewegungsprogramme.

Das Haus der Lebenshilfe in Herzberg gibt so auch Eltern den Raum, sich auszutauschen und gegenseitig zu beraten. „Wir haben ein spannendes Familienleben“, beschreibt es die Mutter zweier Kinder. Ihr Sohn sei auf dem Autismus-Spektrum, ihre Tochter nicht. Konstellationen wie diese brächten naturgemäß viele Herausforderungen mit sich, die es navigieren gelte. Um auch anderen Eltern dabei zu helfen und sich über die Bedürfnisse ihrer Kinder und die Lösungen dafür auszutauschen, hatte sie mit Bekannten schon 2011 eine Selbsthilfegruppe ins Leben gerufen. Gemeinsam veranstalten sie regelmäßig Lesungen und Gesprächsrunden in den Räumen der Autismusambulanz: „Wir sind einfach Eltern, die auch andere Eltern mitnehmen und Erfahrungen teilen wollen. Wir wollen die Wege gemeinsam gehen und einander unterstützen.“ Dabei sei wichtig, Vorurteilen und falschen Vorstellungen gemeinsam zu begegnen: „Aus Unwissenheit resultieren Nachteile für alle“, sagt sie den Gästen zum Abschluss.

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