Bad Sachsa. Landesaufnahmebehörde, Landkreis Göttingen und die Stadt Bad Sachsa geben im DGH Neuhof Antworten zur Notunterkunft für Geflüchtete.

Rund 220 Personen sind am Mittwochabend ins Dorfgemeinschaftshaus (DGH) Neuhof gekommen, um sich über die geplante Notunterkunft für Geflüchtete in Bad Sachsa zu informieren. Zunächst hatte die niedersächsische Landesaufnahmebehörde (LAB) eine Erstaufnahmeeinrichtung für 400 Personen aus der ehemaligen Paracelsus-Klinik machen wollen. Seit September spricht das Landesinnenministerium von einer Notunterkunft für 200 Personen.

Eine umfassende Sammlung und Beschreibung der Geschichte der Flüchtlings-Unterkunft in Bad Sachsa, die erstmals im Jahr 2015 für Aufsehen sorgte, können Interessierte hier nachlesen: Flüchtlings-Unterkunft in Bad Sachsa - Die Entwicklung bislang.

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Wo der Unterschied zwischen Erstaufnahmeeinrichtung und Notunterkunft liegt, welche Menschen in die Uffe-Stadt kommen, wie sie medizinisch versorgt werden, was mit der Baugenehmigung ist und wer für Sicherheit sorgt - diese Fragen haben Bürgerinnen und Bürger bei der Versammlung gestellt. Organisiert hatte die Veranstaltung die Stadtverwaltung. Aufgrund des erwarteten hohen Interesses gab es eine Einlasskontrolle. Menschen aus Bad Sachsa und den Ortsteilen sollten bevorzugt Eintritt erhalten. Letzten Endes war jedoch genug Platz für alle Interessierten und es musste niemand weggeschickt werden.

Wer saß beim Info-Abend zur Geflüchtetenunterkunft in Bad Sachsa im Oktober auf dem Podium?

Auf dem Podium saßen Kreisrätin Marlies Dornieden, der Leiter der LAB Klaus Dierker, Sandro Schirmer als Zuständiger für die Unterkunft und Bad Sachsas Bürgermeister Daniel Quade (FDP). Der stellvertretende Bürgermeister Lutz Rockendorf (FDP) moderierte die Veranstaltung.

Die Podiumsgäste bei der Bürgerinformation in Bad Sachsa.
Die Podiumsgäste bei der Bürgerinformation in Bad Sachsa. © FMN | Kevin Kulke

Was unterscheidet eine Notunterkunft von einer Erstaufnahmeeinrichtung?

„Eine Erstaufnahmeeinrichtung ist langfristig gedacht, während bei der Notunterkunft humanitäres, schnelles Helfen gefragt ist“, erklärt Bürgermeister Daniel Quade den Unterschied. Unter Erstaufnahmeeinrichtung versteht man eine offizielle Anlaufstelle für Asylbewerber, in der sie einen Asylantrag stellen. Eine Notunterkunft ist eine behelfsmäßige Unterkunft, die Obdachlosigkeit vermeiden soll, zum Beispiel im Katastrophenfall - und in Bad Sachsa geht es genau darum: Man will Obdachlosigkeit vermeiden, das betont LAB-Leiter Klaus Dierker.

Wer soll in die Notunterkunft einziehen?

Die Notunterkunft ist für Geflüchtete vorgesehen, die zur Gruppe der vulnerablen Personen gehören. Das sind zum Beispiel Familien mit Kindern und Personen mit Handicap - beispielsweise Menschen im Rollstuhl, oder mit posttraumatischer Belastungsstörung, erläutert LAB-Leiter Dierker.

Über 200 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um sich über den Stand der Notunterkunft für Flüchtlinge in Bad Sachsa zu informieren.
Über 200 Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um sich über den Stand der Notunterkunft für Flüchtlinge in Bad Sachsa zu informieren. © FMN | Kevin Kulke

Wie viele Geflüchtete aus der Ukraine befinden sich bereits in Bad Sachsa?

Laut Bürgermeister Quade sind in Bad Sachsa bisher 220 Ukrainer und 100 Geflüchtete anderer Nationalitäten in Privatwohnungen untergekommen.

Soll das seit kurzem leer stehende Haus Feierabend eine weitere Flüchtlingsunterkunft werden?

Nein. Das LAB habe kein Interesse an dem ehemaligen Altenheim Haus Feierabend. Aber es laufen Verhandlungen mit möglichen Investoren, verrät Moderator Rockendorf.

Das Alten- und Pflegeheim Haus Feierabend in Bad Sachsa musste schließen.
Das Alten- und Pflegeheim Haus Feierabend in Bad Sachsa musste schließen. © FMN | Thorsten Berthold

Ist das Thema Erstaufnahmeeinrichtung in Bad Sachsa nun vom Tisch?

Nein. „Wir wünschen uns weiterhin, hier mit 400 Personen unterzukommen“, betont LAB-Leiter Dierker - und Kreisrätin Dornieden bestätigt: Der Bauantrag vom 9. Mai hat weiter Bestand. Dieser Antrag strebt eine Nutzungsänderung für die ehemalige Paracelsus-Klinik an, sodass man das für 119 Plätze ausgelegte Gebäude für 400 Plätze nutzen kann. Dornieden teilt bei der Bürgerversammlung mit, dass der Landkreis gerade eine bauplanrechtliche Stellungnahme vom niedersächsischen Wirtschaftsministerium erhalten hat, nach der „die Baugenehmigung nicht zu versagen“ - also zu erteilen - ist. Sie stellt aber auch klar, dass gewisse den Brandschutz betreffende Dokumente, dem Kreis noch nicht vorliegen. Solange die fehlen, könne der Kreis keine Genehmigung erteilen.

Moderator Rockendorf verspricht: Die Notunterkunft zur Unterbringung von 200 Geflüchteten wird nicht in ein Erstaufnahmelager mit 400 Plätzen umgewandelt, ohne dass die Öffentlichkeit davon erfährt. „Bevor das passiert, kommen wir in dieser Runde wieder zusammen.“ Denn: „Bei 400 ist eine Überforderung der Stadt zu befürchten.“

Warum kann das Land schon Bauarbeiten an der ehemaligen Paracelsus-Klinik durchführen, wenn noch keine Baugenehmigung vorliegt?

LAB-Leiter Dierker versichert, dass bisher nur Arbeiten durchgeführt wurden, die ohne Baugenehmigung zulässig sind.

Warum droht Geflüchteten in Niedersachsen Obdachlosigkeit?

Das Land Niedersachsen hat laut LAB-Leiter Klaus Dierker 10.000 Plätze für Geflüchtete aufgebaut. Davon seien 93 Prozent belegt. Weil in Hannover gerade eine große Messe läuft, musste das LAB die Messehallen abgeben, die 400 Menschen Platz bieten. Diese musste man nun auf die Kommunen verteilen - eine Herausforderung, denn der Wohnungsmarkt sei erschöpft, nachdem man seit Beginn des Kriegs in der Ukraine am 24. Februar 2022 160.000 Geflüchtete von dort aufgenommen hat.

Wie viele Geflüchtete kommen nach Niedersachsen?

1.300 Geflüchtete pro Woche nimmt das Land Niedersachsen LAB-Leiter Klaus Dierker zufolge auf - in den beiden Nächten vor dem Info-Abend in Bad Sachsa waren es 340 beziehungsweise 232.

Wie viele Plätze hält der Landkreis Göttingen für Geflüchtete bereit?

Der Landkreis Göttingen rechnet laut Kreisrätin Marlies Dornieden damit, bis März 2024 weitere 233 Menschen aufzunehmen. Derzeit sind von 505 Plätzen 270 frei, nämlich 90 von 120 Plätzen in Unterkünften in Germershausen, 60 Plätze in Osterode am Harz und 120 in Lenglern.

Warum nutzt man nicht erstmal die freien Plätze im Landkreis Göttingen, bevor man eine neue Unterkunft in Bad Sachsa baut?

Der Landkreis Göttingen hält Plätze für Geflüchtete vor, die bereits dem Landkreis zugewiesen sind. Die Menschen brauchen jedoch schon eine Unterkunft, bevor diese Zuweisung erfolgt - und eben so eine Einrichtung entsteht in Bad Sachsa. Dafür zuständig ist das Land Niedersachsen, genauer gesagt die LAB.

Wie lange wird die Notunterkunft für Geflüchtete in Bad Sachsa gebraucht?

Der Leiter der LAB, Klaus Dierker, spricht erstmal nur von einer Notunterkunft in Bad Sachsa für die Winterzeit bis Jahresende. Die LAB bestätigt am Donnerstagmorgen auf Nachfrage des Harz Kuriers, dass Dierker Jahresende 2023 meint. Die LAB möchte die ehemalige Paracelsus-Klinik allerdings weiterhin langfristig als Erstaufnahmelager nutzen und wartet dafür auf Genehmigung.

Wann ist die Notunterkunft in Bad Sachsa bezugsfertig?

Klaus Dierker von der LAB geht davon aus, dass Geflüchtete in der 45. bis 47. Kalenderwoche - also ab dem 6. November, spätestens ab dem 20. November - in die ehemalige Paracelsus-Klinik einziehen können. Vorher müssten noch Brandschutzauflagen wie Feuerwehrstellplätze, Brandschutztüren und Trockenlöschleitungen erfüllt werden. Diese müsse das staatliche Baumanagement absegnen.

Wird es einen neuen Zaun rund um die Notunterkunft in Bad Sachsa geben?

Ja, es soll ein neuer Zaun gebaut werden. Die Genehmigung dafür liegt laut Sandro Schirmer, dem Leiter der Einrichtung, vor. Nun liege es am Handwerker, rechtzeitig vor dem Einzug der Geflüchteten fertig zu werden. Das bedeutet aber nicht, dass die Geflüchteten auf dem Gelände eingesperrt sind. Die Menschen dürfen sich frei bewegen. Sein Vorgesetzter Dierker vertraut darauf, dass die örtliche Polizei für Sicherheit sorgt. Der leitende Polizeidirektor der Polizeiinspektion Göttingen, Rainer Nolte, erklärt, dass er und sein Kollegium seit acht Jahren Erfahrungen mit Flüchtlingsunterkünften in Göttingen haben. Er stellt aber auch klar: „Permanente Sicherheit ist nicht garantierbar.“ Sollte im Bereich der Notunterkunft ein Brennpunkt entstehen, werde die Polizei dort verstärkt Streife fahren.

LAB-Leiter Dierker lädt die Anwesenden ein, sich andere Einrichtungen der Landesaufnahmebehörde anzugucken, um sich zu überzeugen, dass kein Grund besteht, sich um den Frieden in der Stadt zu sorgen.

Welche Aufgaben hat der Sicherheitsdienst in der Notunterkunft?

Die Anzahl der vorgesehenen Sicherheitsleute für die Einrichtung ändert sich nicht, obwohl nun erstmal 200 statt 400 Personen in die ehemalige Paracelsus-Klinik einziehen sollen. 16 Sicherheitsleute sollen tagsüber und zehn in der Nacht vor Ort sein. Zusätzlich sind sieben Mitarbeiter des LAB vertreten – diese Anzahl wurde entsprechend reduziert – und das Team vom Dienstleister ASB.

Die Sicherheitsleute haben drei Aufgaben: Sie schützen die Einrichtung vor Eindringlingen von außen, sollen Streitigkeiten drinnen unterbinden und den Brandschutz sicherstellen.

Wie soll die medizinische Versorgung für so viele Menschen gewährleistet werden?

Der Arbeiter-Samariter-Bund (ASB) soll die Notunterkunft für die LAB betreiben und stellt dazu auch einen Hausarzt zur Verfügung. Die dort untergebrachten Geflüchteten müssen also nur Termine bei Fachärzten in der Umgebung wahrnehmen. Bürgermeister Quade versichert: Was das betrifft, steht Bad Sachsa gut da. Und Dornieden ergänzt: Sollte man feststellen, dass gehäuft Notfälle auftreten, werde man den Rettungsdienst aufstocken.

Muss es für die in der Notunterkunft untergebrachten Kinder Plätze in Krippen, Kindergärten, Grundschulen und weiterführenden Schulen in Bad Sachsa geben?

Nein, die Kinder werden in der Einrichtung betreut.

Wie werden die Geflüchteten in der Notunterkunft auf das Leben in Deutschland vorbereitet?

Die Geflüchteten werden laut Einrichtungsleiter Sandro Schirmer einen Wegweiserkurs Modul Deutschland in abgespeckter Form machen – abgespeckt, weil nur eine vorübergehende Unterbringung vorgesehen ist. In einer Erstaufnahmeeinrichtung würden die Geflüchteten einen langen Kurs absolvieren.

Wie lange sollen die Menschen in der Notunterkunft bleiben?

Darauf kann Einrichtungsleiter Sandro Schirmer keine genaue Antwort geben. Die Aufenthaltsdauer in der Notunterkunft sei offen, insbesondere für die Rollstuhlfahrer unter den Geflüchteten, weil es schwer sei, für diese einen barrierefreien Wohnort zu finden.

Werden alle 200 Plätze in der Notunterkunft belegt sein?

Nein, denn die Notunterkunft in Bad Sachsa ist in erster Linie für Familien vorgesehen – und die möchte man nicht auseinanderreißen, so LAB-Leiter Dierker. Deswegen wird die Unterkunft voraussichtlich immer nur zu etwa 80 Prozent belegt sein.

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