Bad Lauterberg/Walkenried. Kaputte Fahrbahnen und leere Kassen veranlassen Bad Lauterberg möglicherweise zu drastischen Schritten, die auch die Bürger kosten könnten.

Katastrophal - das ist das Wort, das viele Bad Lauterberger Bürger benutzen, wenn sie den Zustand der Straßen in der Kneipp-Stadt beschreiben. Die Frage, wann Straßensanierungen erfolgen, ist in nahezu jeder Bauausschusssitzung Thema, die Antwort immer dieselbe: Der Stadt fehlt das nötige Geld. Immerhin: Die Pflasterung auf dem Boulevard wurde gerade erst ausgebessert. Es gibt allerdings eine Möglichkeit, wie sich Bad Lauterberg auch weitere Straßensanierungen leisten könnte: indem die Stadt Straßenausbaubeiträge erhebt.

Grundlage dafür ist eine entsprechende Satzung (Strabs), erklärt Andreas Bähnsch, Leiter des Fachbereichs Bauen, Ordnung und Soziales in Bad Lauterberg. Diese gibt es in Bad Lauterberg zwar. Die Satzung sei allerdings nicht mehr aktuell und müsste überarbeitet werden. Das macht aber nur dann Sinn, wenn der Stadtrat mehrheitlich für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen ist, so der Fachbereichsleiter. Das letzte Mal, dass in der Kneipp-Stadt Straßenausbaubeiträge erhoben worden sind, war Bähnsch zufolge 2010, also vor 13 Jahren. „Die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen wurde beziehungsweise wird auch in Bad Lauterberg im Harz kontrovers diskutiert. Ich erhoffe mir aber bis zum Ende dieses Jahres mehr Klarheit“, sagt er.

Bad Lauterberger Verein stellt sich gegen Straßenausbaugebühren

Bähnsch will in der kommenden Bauausschusssitzung im November einige Musterberechnungen vorstellen. Diese sollen „grob“ die möglichen Kosten abbilden, die auf Eigentümer zukommen würden. „Grundlage hierfür werden fiktive Straßen mit unterschiedlichen Gegebenheiten sein“, erklärt Bähnsch und nennt als Beispiele für unterschiedliche Gegebenheiten Anliegerstraßen, Eckgrundstücke und Ähnliches. Er betont: „Rückschlüsse einzelner Eigentümer sind nicht gewollt und wären rein zufällig. Die Vorstellung dieser Musterberechnungen ist unverbindlich.“

Der Verein Haus und Grund Bad Lauterberg positioniert sich bei einer Mitgliederversammlung gegen die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. In einem Vortrag plädiert Dr. Reinhold Horst, der niedersächsische Landesverbandvorsitzende von Haus und Grund, kompromisslos gegen Straßenausbaubeiträge und für deren Abschaffung.

Verschuldete Kommunen sind auf Strabs angewiesen

Horst zufolge war bis 2022 im kommunalen Abgabegesetz geregelt, dass Kommunen nur dann kreditfinanzierte Maßnahmen erlaubt werden, wenn eine Beitragserhebung aus zwingenden Gründen nicht in Betracht kommt. Um also keine Kredite aufnehmen zu müssen, hätten Kommunen deshalb gern auf Straßenausbaubeiträge zurückgegriffen. Eine Korrektur des Gesetzes im Jahr 2022 besagt laut Horst, dass das nicht für die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen gilt - diese dürften kreditfinanziert werden. Der Landesverbandsvorsitzende erklärt allerdings auch das große Aber: Ist eine Gemeinde bereits stark verschuldet, werden keine neuen Kredite gewährt - und die Kommunalaufsicht kann die Kommune anweisen, Beiträge von den Anliegern zu verlangen.

Seit der letzten Landtagswahl in Niedersachsen im Jahr 2022 herrscht Horst zufolge nahezu „Ebbe im Karton“ zu diesem Thema. Wie soll man sich also verhalten, wenn man einen Beitragsbescheid erhält? Diese Frage bewegt die Vereinsmitglieder. Zunächst sollten sich die betroffenen Anlieger gemeinschaftlich beraten, schlägt Horst vor. Für die Prüfung der Bescheide gibt es Checklisten und grundsätzlich sollte man auch die Rechtsgrundlage der Bescheide prüfen, nämlich die geltende Satzung. Dazu müsse man beim Verwaltungsgericht ein Normenkontrollverfahren beantragen. Der Verein Haus und Grund unterstützt dabei garantiert, versichert Horst.

Weniger als die Hälfte der Kommunen in Niedersachsen halten an Strabs fest

Bernd Jackisch, Sprecher der Interessengemeinschaft Strabs-freies Bad Lauterberg und Mitglied im Ortsverein von Haus und Grund, informiert: In zehn Bundesländer wurden die Strabs abgeschafft und auch in Niedersachsen schafften 57 Prozent der Städte und Gemeinden die Strabs auf kommunaler Ebene selbst ab. Mithin halten nur noch 43 Prozent der Kommunen an den Straßenausbaubeitragssatzungen fest.

Darunter sind alle Städte im Altkreis Osterode, wie eine Übersicht des NDR zeigt. Die Angaben für die Gemeinde Walkenried sind in der NDR-Übersicht veraltet: Walkenried hatte ihre Straßenausbaubeitragssatzung tatsächlich schon einmal abgeschafft, musste diese jedoch aufgrund der hohen Verschuldung wieder einführen.

Straßenausbaubeiträge niedersachsenweit abschaffen?

„Die Kommunen, welche die Strabs abgeschafft haben, haben meist ausgeglichene Haushalte und viele starke Unternehmen vor Ort. Die können es sich schlicht leisten. Städte wie Osterode – oder gar Walkenried – haben diese Möglichkeit nicht“, erläuterte Jackisch in einem Gespräch mit dem Harz Kurier im Sommer 2023die regionalen Unterschiede in Bezug auf die Strabs. Darum pochte etwa die niedersächsische FDP, die den Einzug in den Landtag verpasste, immer auf eine landesweite Abschaffung.

Der Landesverbandsvorsitzende von Haus und Grund nennt in seinem Vortrag in Bad Lauterberg eine Alternative zur Strabs: eine Grundsteuererhöhung. Diese würde sich auf Mieterinnen und Mieter umlegen lassen. Gibt es jedoch bei den kommunalen Straßen einen großen Instandhaltungsstau (wie es in Bad Lauterberg der Fall ist, Anm. d. Red.), so gab der Landesvorsitzende zu bedenken, dann bezahlen die Bürger die Straßen quasi doppelt - denn die Anlieger bezahlen ja schon immer die Grundsteuer, die unter anderem zur vernünftigen Instandhaltung und regelmäßigen Reparatur vorgesehen ist.

Einen genauen Termin für die nächste öffentliche Bauausschusssitzung hat die Stadtverwaltung noch nicht veröffentlicht. Es ist aber davon auszugehen, dass diese vor der kommenden Ratssitzung stattfindet, die für Donnerstag, 23. November, ab 18 Uhr im Haus des Gastes vorgesehen ist.

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