Osterode. Die Söse in Osterode ist teils komplett überwuchert von Pflanzen. Ein Experte klärt nun auf, wie es um die Gesundheit des Flusses steht.

Die Söse – kaum erkennt man den Osteroder Stadtfluss unter dem grünen Dickicht. Gerade wenn man an der Sösepromenade entlangspaziert, ist der Wasserlauf nahezu vollkommen überwuchert von Wasserpflanzen und Sträuchern. Wir haben uns mit einem Experten über die Gesundheit der Söse unterhalten. Er verrät uns, wie es um den Stadtfluss steht, ob es sich bei den wuchernden Pflanzen gar um invasive Arten handelt und welche Auswirkungen der Zustand auf das Stadtklima hat.

Frank Schwieger ist Experte vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN). Er ist studierter Biologe und ist nun für die Wasserwirtschaft unter anderem auch für unsere Region zuständig – und damit auch für unseren Stadtfluss, die Söse.

Warum ist die Söse so zugewachsen – ist das natürlich oder vielleicht eine invasive Art?

Da muss ich etwas weiter ausholen. Natürlich ist der Zustand der Söse eigentlich nicht. In der Osteroder Innenstadt sieht man ja, dass der Fluss in die Ufermauern eingefasst ist. Ein Beispiel für einen natürlichen Flussverlauf wäre die Söse oberhalb der Talsperre. Nämlich mit einer flachen Uferböschung. Dort ist der Fluss auch beschattet und es finden sich natürliche Hindernisse wie Steine oder Holz. Diese Rahmenbedingungen finden wir im Stadtverlauf nicht. Vor allem variiert bei Flüssen eigentlich der Wasserstand – mal ist er höher, mal niedriger.

... das ist bei dem Osteroder Stadtfluss nicht der Fall?

Wir haben hier in Osterode ein Abflussproblem. Von der Talsperre werden gegenwärtig konstant 500 Liter pro Sekunde abgegeben. Ohne diesen Eingriff in den Flussverlauf gäbe es Höhen und Tiefen der Wasserströmung – und das in relativ kurzen Abständen. Diese 500 Liter werden nahezu vollständig in den Mühlgraben geleitet. Lediglich 100 Liter pro Sekunde werden später aus einem Wasserkraftwerk wieder in die Söse abgelassen.

Gerade im Sommer ist die Söse im Osteroder Stadtverlauf oft komplett überwuchert.
Gerade im Sommer ist die Söse im Osteroder Stadtverlauf oft komplett überwuchert. © FMN | Kevin Kulke

Wozu führt diese niedrige Fließgeschwindigkeit in der Söse?

Man kann durchaus dafür ein naturnahes Fließgewässer „nachbauen“. Wenn es aber nicht dafür passende Wassermengen gibt, werden diese hergestellten Strukturen wieder zerfallen. Das Problem ist, dass mitgeführte Erde, Sand und anderes Material, das aus dem Oberlauf angeschwemmt wurde, sich hier ablagert: in der Flusssohle. Diese ist in Fließgewässern aber eigentlich ein sehr wertvoller Lebensraum. Bei einem natürlichen Flussverlauf wäre es eine vielfältige Sortierung aus Schlamm bis Steinen. Dieses Labyrinth nennen viele wirbellose Tiere ihr Zuhause.

Und diese verstopfte Fußsohle hat auch mit der Bewucherung zu tun?

Genau, deshalb kommt es auch zu dem starken Aufkommen von Pflanzen. Die großblättrige Wasserpflanze, die in der Osteroder Innenstadt fast den ganzen Fluss bedeckt, ist die Pestwurz. Das hört sich erstmal schlimm an, ist aber eine heimische Art, die auch total typisch für Flüsse wie die Söse ist. Bloß nicht in diesem Übermaß.

Warum nimmt die Pestwurz in der Osteroder Söse so überhand?

Sie bekommt durch den festgesetzten Schlamm am Boden sehr viele Nährstoffe. Weiterhin wird sie von der Strömung auch nicht angegriffen, weil diese ja eher gering ist. Ein weiterer Faktor ist der fehlende Schatten. Gerade dort, wo die Söse in die Ufermauern eingefasst ist, bekommt die Pestwurz sehr viel Sonne. Es gibt durchaus auch einzelne invasive Arten an der Söse, aber zum Großteil sind es heimische Arten, die sich wegen der Bedingungen stark ausbreiten können. Bei Gewässeruntersuchungen hat sich herausgestellt, dass es ein unbefriedigender Zustand ist. Dies geht auf die geringe Vielfalt der Arten zurück. Wenigen Arten – wie der Pestwurz – geht es sehr gut, viele andere kommen dagegen kaum vor.

Gibt es gesetzliche Regelungen, was Stadtflüsse angeht?

Es gibt von der EU die Vorgabe, dass alle Fließgewässer in einen „guten“ ökologischen Zustand zu bringen sind – das heißt Stufe zwei von fünf. Die Söse hat zurzeit eine Einstufung von vier, das heißt „unbefriedigend“. Für die Umsetzung dieser Wasserrahmenrichtlinie bleibt noch bis 2027 Zeit. In Niedersachsen entsprechen gerade einmal drei Prozent der Fließgewässer diesem Standard. Für eine Verbesserung sind Maßnahmen an den Gewässern notwendig. Das Problem ist immer, wer macht es? Es gibt keine Verpflichtung dazu, obwohl ja die Anforderung aus Brüssel besteht. Im Grunde basiert es auf Freiwilligkeit. Es gibt tatsächlich umfangreiche Fördermittel, aber es mangelt an Trägern, die diese Projekte angehen.

Teile der Söse wurden im Rahm von Bauarbeiten angepasst. Dies ist laut Fluss-Experte ein Schritt in die richtige Richtung.
Teile der Söse wurden im Rahm von Bauarbeiten angepasst. Dies ist laut Fluss-Experte ein Schritt in die richtige Richtung. © FMN | David Krebs

Welche Maßnahmen würden Sie als Experte empfehlen?

Eine Idee wäre, die Söse - innerhalb der Ufermauern - tatsächlich winden lassen. Dann könnte man auch natürliche Hindernisse einbauen, wie Steine oder Holz. Auch Kiesbänke, Geröll und Schüttungen wären sehr positiv. Durch diese Windungen würde die Söse auch bei niedrigem Wasserablauf tiefe und flache Stellen bekommen. Da entsteht eine Eigendynamik, die diese Habitate in der Flusssohle ermöglicht. Nötig wäre, den Wasserfluss aus der Talsperre zu verändern. Einerseits mehr Wasser und andererseits näher an der Natur – mal stärkere, mal schwächere Wasserströmung.

Hat der aktuelle Zustand der Söse Auswirkungen auf die Umwelt in Osterode und Region?

Für die Söse im Osteroder Stadtverlauf habe ich dahin gehend wenig Bedenken. Da geht es tatsächlich um das ästhetische Bild – aus dem Stadtfluss wieder ein Erlebnis machen. Andere Städte gehen voran und versuchen ihre Gewässer zu verbessern und versuchen die Natürlichkeit zur Schau zu stellen. Das wäre für Osterode auch ein schöner Punkt. Daneben geht es auch um Feuchtigkeit und Verdunstung. Mit einer stärkeren Strömung und mehr Schatten könnte die Söse im Sommer auch besser zu einem kühlen Stadtklima beitragen.