Bad Sachsa. Zwei Länder, zwei Städte, zwei Sprachen, eine Freundschaft: So wird Städtepartnerschaft wahrhaft gelebt.

Offizieller Ratsempfang, geladene Gäste, Festvorträge – was nach einer steifen Veranstaltung mit viel Etikette klingen mag, ist in Bad Sachsa vor allem eines: ein Treffen langjähriger und guter Freunde. Von Steifheit war da im nahezu voll besetzten Kursaal zum Auftakt der Feierlichkeiten der 50-jährigen Städtepartnerschaft zwischen Bad Sachsa und Castelnau-de-Médoc in Frankreich keine Spur. Es war vielmehr die erste große Zusammenkunft von Menschen, die zwar knapp 1.500 Kilometer im Alltag trennen, die unterschiedliche Sprachen sprechen – die am Ende aber vor allem eben eines sind: Freunde – und das zum Teil bereits seit fünf Jahrzehnten. Und die Veranstaltung bot eine positive emotionale Achterbahnfahrt mit einigen Überraschungen, mancher Träne vor Freude und einem flammenden Appell aller für den europäischen Gedanken, für Frieden, für die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich - und gegen demokratiefeindliche Strukturen.

Cousin des Bürgermeisters aus Castelnau legt in Bad Sachsa die Idee für die Partnerschaft

Bester Beleg dafür war die mitreißende Rede von Castelnaus Bürgermeister Eric Arrigoni, dessen Familiengeschichte mit der Partnerschaft seit Jahrzehnten eng verbunden ist. Sein Cousin sei es gewesen, der als Soldat in Bad Sachsa stationiert war, vor fünf Jahrzehnten den Impuls gegeben habe, die Partnerschaft zu gründen. Er selbst sei im Rahmen des Schüleraustausches erstmals im Jahr 1977 in Bad Sachsa gewesen – und habe die Uffestadt lieben gelernt. Im Zuge der Städtepartnerschaft habe sich dann auch die Freundschaft mit dem Bad Sachsaer Michael Schascheck entwickelt, der ihm in einer seiner schwersten Stunden beigestanden habe. Sein Vater, so erzählte Arrigoni, sei für zwei Jahre im KZ Buchenwald im Zweiten Weltkrieg interniert gewesen. Arrigoni wollte dieses immer besuchen, fand aber nicht die nötige Kraft. „Aber mit Michael war ich dann vor Ort und ich werde die für diese Momente immer dankbar sein.“ Gerade mit Blick auf den Schrecken des Weltkrieges und die aktuellen Entwicklungen sei es wichtiger denn je geworden, Werte wie Freundschaft und Toleranz zwischen Nationen zu leben, diese Werte an jüngere Generationen weiterzugeben. „Wir müssen Europa von der Basis aus, von den Menschen in Städten wie hier, stärken.“

Gleich äußerte sich auch sein Bad Sachsaer Amtskollege Daniel Quade. Er selbst sei noch nicht geboren gewesen, als viele engagierte Menschen in Deutschland und Frankreich diese Freundschaft bereits lebten. Für ihn persönlich sei das Jubiläum auch etwas Besonderes, da er in diesem Jahr erstmals in Castelnau bzw. überhaupt in Frankreich gewesen sei. Aber gerade der Austausch, das Besuchen des Anderen sichere Frieden in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. „Unsere Freundschaft ist Außenpolitik von unten im besten Sinn. Wir müssen diesen Austausch gerade für jüngere Generationen beibehalten und gleichzeitig das historische Bewusstsein schärfen.“

Landrat und Landtagsabgeordneter loben den Einsatz für die Völkerverständigung

Diesen Worten pflichteten auch Göttingens Landrat Marcel Riethig, der SPD-Landtagsabgeordnete Alexander Saade, wie auch Thomas Toebe, Vorstand der Sparkasse Osterode am Harz. „Dass die Partnerschaft mit Leben gefüllt ist, kann jeder sehen, der in diesen Raum blickt“, erklärt der Landrat. Auch Alexander Saade gab offen zu, dass man als Außenstehender schon ein wenig neidisch auf so eine Freundschaft sei. „Da immer mehr Nationalisten und Feinde Europas aufkommen, muss man solche Partnerschaften mehr denn je pflegen.“

Der Ehrenvorsitzende der Deutsch-Französischen Gesellschaft (DFG) in Bad Sachsa, Hermann Seifert, lenkte den Blick in dem Zusammenhang auf die Frage Europas noch einmal auf das „Maison de l´Europe“, dass die DFG in Castelnau betreibt. Dieses sei von Handwerkern aus beiden Städten saniert worden und bis heute instandgehalten. Ganz wichtig dabei: „Die Handwerker aus Bad Sachsa wurden stets in Gastfamilien untergebracht. Und auch wenn man die Sprache nicht kannte, mit Händen und Füßen und nach einem Glas Rotwein konnte man sich immer verständigen“, sagte er unter dem Beifall der Anwesenden.

Das besondere Gastgeschenk aus Frankreich. 
Das besondere Gastgeschenk aus Frankreich.  © FMN | Thorsten Berthold

Guy Amiot, Vorsitzender des Comité de Jumelage, dem Pendant zur DFG in Bad Sachsa, er konnte nicht nur zwei Anekdoten aus seiner langjährigen Zusammenarbeit wiedergeben, bei denen sich in Deutschland wie Frankreich die Menschen völlig unkompliziert bei kurzfristigen Problemen halfen, wie Freundschaften daraus entstanden.

Wir bilden das Herzstück der Städtepartnerschaft vor Ort
Saskia Liebing, DFG-Vorsitzende

Was aber macht die Städtepartnerschaft zwischen Bad Sachsa und Castelnau aus? „Es sind die Menschen“, betont die DFG-Vorsitzende Saskia Liebing. 400 Mitglieder zähle der Verein in Bad Sachsa „und wir bilden das Herzstück der Städtepartnerschaft“. Doch es komme auch auf Unterstützung wie seitens der Stadtverwaltung oder von Sponsoren an - und ihrem Vorstand - an. Auch sei sie froh, dass der Ehrenvorsitzenden Hermann Seifert, der den Verein 36 Jahre leitete, ihr einen bestens aufgestellten Verein übergab. Was Castelnau für sie ausmache, erklärte sie auch recht einfach: „Es ist schon ein bisschen wie nach Hause kommen, wenn ich dort bin“.

Saskia Liebing mit dem eigens erstellten Wappen zum Jubiläum. 
Saskia Liebing mit dem eigens erstellten Wappen zum Jubiläum.  © FMN | Thorsten Berthold

Der Empfang entwickelte sich aber auch zu einem vorgezogenen Weihnachtsfest: Es gab jede Menge gegenseitige Geschenke. Die 50-köpfige Delegation aus Frankreich hatte dabei eine besondere Überraschung parat. In 50 Stunden Arbeit hatte man ein Miniatur-Modell von einem Carrelet, einer Fischerhütte auf Stelzen, erarbeitet. Und auch ein neues Wappen passend zum Jubiläum gab es – beides versehen mit reichlich Applaus bei der Übergabe.

Vereinsvorstände erhalten die Stadtmedaille von Bad Sachsa

Die DFG konnte zudem mit Erika Asche, Horst Meyer, Annette Wedler-Mohr, Peter Goertz, Josef Kurz, Christiana Ihmsen, Adelheid und Konrad Beißert, Klaus Liebung und Hermann Seifert auch noch zehn Gründungsmitglieder ehren, die neben einer Flasche Wein ein Glas mit Bohnen erhielten – den Bohnen, die vermutlich seit 50 Jahren beim Bingo-Spiel des Vereins genutzt wurden.

Guy Amiot freut sich über die Bürgermedaille, Bürgermeister Daniel Quade spendet Applaus. 
Guy Amiot freut sich über die Bürgermedaille, Bürgermeister Daniel Quade spendet Applaus.  © FMN | Thorsten Berthold

Doch der Reigen der Überraschungen war damit noch nicht vorbei. Bürgermeister Daniel Quade verlieh sowohl an Saskia Liebing, als auch an Guy Amiot die Bürgermedaille – eine der größten Ehren der Kommune – für ihr Wirken im Rahmen der Partnerschaft. Beide waren darüber sichtlich gerührt und fanden kaum Worte. Doch eine Frage hatte Guy Amiot zu der Ehrung – und sie passt einfach zu der Städtepartnerschaft. „Ich bin ein Bad Sachsaer. Darf ich dann auch wählen?“, fragte er unter dem Beifall der Anwesenden.

DFG-Jubiläum: Die große Party am 19. & 20. August in Bad Sachsa

19. August - „Grande Fête du Jumelage“ rund um das Rathaus: 12 Uhr: Eröffnung mit dem Fanfarenzug Neuhof, 14 bis 14.30 Uhr: Konzert der Südharzer Alphorn-Bläser, 15 bis 16 Uhr: Zumba zum Mitmachen (Förderverein Grundschule Bad Sachsa/Salztal Sportcenter), 16 bis 17 Uhr: Musik durch die ukrainische Gemeinde in Bad Sachsa, ab 19 Uhr: Konzert mit der Band „Simple Life“ auf der Bühne; ganztägig: diverse Stände mit kulinarischen Angeboten und Spezialitäten aus der Region, Kinderprogramm inklusive Hüpfburg, Sportgeräte zum Ausprobieren, Sonderstempel der Harzer Wandernadel.

20. August - Frühschoppen und Konzert im Vitalpark: 11.30 Uhr: ökumenische Andacht, 11.30 bis 14.30 Uhr: Musik mit dem Balsorchester Sieber unter der Leitung von Walter Ziegler, 15 bis 17 Uhr: Konzert mit der Band „Die Schoenen“, ganztägig: Verpflegung durch die GLC.