Ärger mit dem Chef? Nicht schlimm, es gibt ein neues Mittel: Schnell mal "den Seehofer machen". Geht ganz einfach: Wenn der Boss partout auf seiner falschen Meinung beharren will, regt man sich nicht länger auf, sondern taucht gemütlich ein paar Tage ab. Weg, für niemanden erreichbar. Nix Büro, nix Termin, auch ohne Feiertag. Und dann schauen wir mal, wie der Chef aus der Wäsche guckt.

Der CSU-Sozialexperte Horst Seehofer hat es diese Woche vorexerziert. Nachdem er hinnehmen musste, dass CSU-Chef Edmund Stoiber und CDU-Chefin Angela Merkel bei der Gesundheitsreform gegen seinen Protest entschieden, den Zahnersatz zur Privatsache zu erklären, war der Unionsfraktionsvize einfach verschwunden. Seehofer fehlte am Montag im Fraktionsvorstand, er fehlte am Dienstag in der Fraktion und in der Herzog-Kommission, fehlte am Mittwoch im Bundestag, wo er doch als oberster Fachmann für die Union hätte reden müssen.

Keine Sprechstunde

Und niemand wusste, wo er ist. Einmalig, schimpfen sie in der Fraktion, so etwas habe es noch nie gegeben. "Wir wissen alle nicht, was mit ihm los", stöhnen Stoibers Leute in München. Zeitweise war sogar Seehofers Büro völlig hilflos: "Wir können ihn auch nicht erreichen". Als Fraktionsvorsitzende versuchte Merkel verzweifelt, ihren schmollenden Stellvertreter auf dem Handy anzurufen – das war angeschaltet, aber Seehofer hatte keine Sprechstunde. Erst Dienstagabend redeten sie kurz miteinander. Danach war wenigstens klar, dass er als Fraktionsvize nicht zurücktreten will. Und seine Mitarbeiter beruhigten: "Er hat sich nach der Aufregung einfach mal ausgeruht". Daheim, in Ingolstadt. Am Mittwoch nachmittag die gute Nachricht: Seehofer ist wieder da. Er plaudert bei Sandra Maischberger im Fernsehstudio in Berlin. Nun scheiden sich die Geister – für die einen ist der Christsoziale ein Vorbild an Prinzipienfestigkeit, einer der sich nicht verbiegen lässt und mutige Reformideen vertritt. Seit der 53-Jährige vor anderthalb Jahren herzkrank monatelang mit dem Tod rang, hat er sich geschworen, nicht mehr jeden Preis für die Politik zu bezahlen. Die anderen machen, wenn es um den CSU-Politiker geht, Handbewegungen nah am Kopf. Unionsmann Friedrich Merz formuliert schon die Abmahnung: "Notfalls geht es auch ohne Seehofer".

Merkel hat lange gebohrt

Klar, als Abgeordneter hat der Niederbayer einen unkündbaren Vier-Jahres-Vertrag mit Verlängerungsoption (für alle Nicht-Parlamentarier deshalb Vorsicht bei der Nachahmung), aber auf seinen Job als Fraktionsvize (und als CSU-Parteivize) sind viele Kollegen scharf. Kann aber doch noch dauern: Nach langen Gesprächen mit Merkel und Stoiber steht fest, dass Seehofer auf CSU-Ticket weiter Fraktionsvize bleiben kann. Schließlich ist auch Stoiber diese Sache mit dem Zahnersatz vor seiner Landtagswahl verdammt unangenehm, aber Merkel hat bei ihm so lange gebohrt, bis er einknickte. Seehofer musste nun erklären, er trage die offizielle Reformlinie doch mit, jedenfalls grundsätzlich. Nun ja. Vielleicht hat wenigstens die Ruhe mal ganz gut getan.

Querköpfige alte Herren

Die Koalition hat sich jedenfalls diebisch gefreut. Spöttisch lud Grünen-Fraktionschefin Krista Sager Seehofer ein, seine Ideen gemeinsam mit ihrer Partei weiter zu entwickeln, wenn die Union nicht auf ihn hören wolle – die grüne Idee einer Bürgerversicherung propagiert ja nun auch der CSU-Experte. "Wir sind den geduldigen Umgang mit älteren querköpfigen Herren bestens geübt", meinte Sager im Bundestag mit Blick auf die Regierungsbank, auf der unter anderem der konfliktfreudige Innenminister Otto Schily (71) saß. Gelächter im Hohen Haus.

Da eilt der Bundeskanzler quer durch den Plenarsaal in die Reihen der SPD-Fraktion, sucht sich ein Mikrophon und bittet feixend, eine Zwischenfrage stellen zu dürfen. "Frau Kollegin Fraktionsvorsitzende. Würden Sie mir gestatten, Ihre Bemerkung im Auftrag meines Innenministers entschieden zurückzuweisen", sagt Schröder und biegt sich vor Lachen. Wieder Gelächter im Hohen Haus. Doch Sager reagiert schlagfertig: "Ich bin schon sehr beruhigt, dass Sie diese Äußerung nicht auf sich selbst bezogen haben", antwortet sie dem Kanzler, das Parlament tobt vor Freude.

Die Grüne ist übrigens 49 Jahre alt, Schröder 59. Und Seehofer mit 53 der jüngste der "älteren querköpfigen Herren".