Gut, dass Palmer sich Hilfe suchen will. Der Reflexionsprozess sollte sich aber nicht auf den Vergleich mit dem Judenstern beschränken.

Sich Hilfe zu suchen, ist nicht einfach, öffentlich kundzutun, dass man diese braucht, ist es noch weniger. Wenn Boris Palmer nach einer Situation, in der er nach eigenem Bekunden nicht mehr genügend Selbstkontrolle hatte, sich diese Unterstützung jetzt suchen will, dann kann man ihm dabei nur Erfolg wünschen.

„Zunehmend zerstörerische Verstrickungen“ nennt der Tübinger Oberbürgermeister die Entwicklung, die jetzt in einer Verharmlosung des Holocaust kulminiert ist, und zurecht: Seinen eigenen Ruf als kluger Lokalpolitiker überlagern die regelmäßigen Eklats längst, seine ehemalige Partei litt ohnehin an den ständigen Debatten um die Personalie Palmer.

Palmer schadet der Debatte, der er angeblich Vorschub leisten will

Theresa Martus, Politik-Korrespondentin
Theresa Martus, Politik-Korrespondentin © Reto Klar | Reto Klar

Die Erkenntnis, dass es aus der eigenen Biographie gewachsene Reflexe sind, die da immer wieder durchbrechen, kann Einiges erklären, nicht aber entschuldigen. Schon gar nicht den Teil, den er in seinem Statement gar nicht adressiert hat. Denn während Palmer explizit Bezug nimmt auf den unsäglichen Vergleich mit dem Judenstern, fällt kein Wort dazu, worum es seinen Kritikern eigentlich ging – die bewusste, wiederholte Verwendung eines rassistischen Begriffs, der viele Menschen in diesem Land tief verletzt. Und das nach mehreren Episoden in der Vergangenheit, bei denen Palmer durch – großzügig formuliert – schräge Äußerungen zu schwarzen Menschen in Deutschland aufgefallen war.

Palmer nimmt für sich in Anspruch, ehrlich und aus der Perspektive eines Praktikers in der Lokalpolitik über Migration zu sprechen. Doch er schadet der konstruktiven Debatte, der er angeblich Vorschub leisten will, wenn er es nicht schafft, diese Diskussion ohne dieses Wort zu führen.

Wenn er es ernst meint, muss deshalb auch das Teil des Reflexionsprozesses sein. Für vier Wochen Auszeit ist das viel Arbeit.