Uppsala/Berlin. Bluthochdruck lässt sich mit verschiedenen Mitteln senken. Nicht jedes hilft jedem gleich gut. Ist personalisierte Therapie die Lösung?

Die Wirksamkeit von Blutdruckmedikamenten kann sich von Person zu Person stark unterscheiden. Ein Wechsel des Medikaments könnte für viele Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck offenbar stärkere Auswirkungen haben als eine höhere Dosierung des aktuellen Medikaments. Das zeigt eine Studie von Medizinern der Universität Uppsala in Schweden.

Die Wissenschaftler plädieren auf Grund der Ergebnisse ihrer Untersuchungen im Fachblatt „JAMA“ dafür, bei der Behandlung von Bluthochdruck stärker auf personalisierten Therapieansätze zu setzen und diese zu testen. Offen bleibt, wie gut sich dies am Ende tatsächlich im Praxisalltag umsetzen lässt.

Markus van der Giet, Hypertensiologe an der Charité in Berlin, hält den personalisierten Behandlungsansatz zwar für wünschenswert, aber derzeit für kaum umsetzbar. Er vermutet, dass es zweckmäßiger sein könnte, Therapien verstärkt auf bestimmte Personengruppen zuzuschneiden.

Bluthochdruck längst eine Volkskrankheit

Bluthochdruck, in Fachkreisen Hypertonie genannt, ist eine globale Volkskrankheit, die unbehandelt zu Nierenschäden, Herzerkrankungen und Schlaganfällen führen kann. Eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ergab 2021, dass es nur 25 Prozent der erkrankten Frauen und 20 Prozent der Männer gelingt, ihre Therapieziele mit den vorhandenen effektiven Medikamenten zu erreichen.

Die Zahl der Betroffenen hatte sich laut WHO-Studie in 200 untersuchten Ländern von 1990 bis 2019 auf knapp 1,3 Milliarden Menschen verdoppelt. Hierzulande sind es nach Angaben der Deutschen Hochdruckliga zwischen 20 und 30 Millionen Menschen.

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Blutdrucksenker – Vorsicht vor diesen Nebenwirkungen

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    Die Wissenschaftler der Universität Uppsala gingen nun der Frage nach, warum nur recht wenige Menschen – trotz Behandlung – richtig eingestellt werden können. Konkret ging es dem Team um den Kardiologen Johan Sundström darum, inwiefern sich die Wirksamkeit unterschiedlicher Blutdruckmedikamente von Mensch zu Mensch unterscheidet.

    Optimales Blutdruckmedikament für jeden gesucht

    Die Mediziner untersuchten an 280 Teilnehmenden, ob es ein optimales Blutdruckmedikament für jeden einzelnen Patienten und somit Potenzial für eine personalisierte Blutdruckbehandlung gibt. Dafür nahmen die Probanden insgesamt ein Jahr lang abwechselnd vier gängige Medikamente unterschiedlicher Wirkstoffklassen: Thiaziddiuretika, ACE-Hemmer, Angiotensin-II-Antagonisten und Kalziumantagonisten.

    Die Wirkung der Arzneien war von Person zu Person sehr unterschiedlich, und bestimmte Patienten erzielten mit einem Medikament einen niedrigeren Blutdruck als mit einem anderen. Darüber hinaus wirkte sich ein Medikamentenwechsel für viele Probanden stärker aus als die Verdoppelung der Dosis des aktuellen Medikaments.

    Dieses Ergebnis stellt den Autoren zufolge die Behandlungsleitlinien zahlreicher Länder in Frage, denen zufolge die vier untersuchten Medikamentengruppen allen Hypertonie-Patienten gleichermaßen empfohlen werden. „Diese Studie liefert den Beweis, dass weit verbreitete Blutdrucksenker je nach Person unterschiedlich wirksam sind, was das Potenzial für eine stärkere Senkung des Blutdrucks durch eine personalisierte Therapie bietet“, heißt es.

    In einer Mitteilung konkretisiert Sundström: „Wenn wir die Medikation eines jeden Patienten individuell anpassen, können wir eine bessere Wirkung erzielen, als wenn wir ein Medikament aus einer dieser vier Medikamentengruppen zufällig auswählen.“

    Blutdruck richtig messen

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      Personalisierung könnte „frustrierende Erfahrung“ sein

      Für Charité-Mediziner van der Giet würde bedeuten, „Patienten hintereinander alle Medikamente durchprobieren zu lassen, was im klinischen Alltag nicht funktionieren würde und für die Patienten wahrscheinlich auch eine frustrierende Erfahrung wäre.“

      Die „wissenschaftlich faszinierende“ Studie zeige indes, dass manche Medikamente für einige Patienten vorteilhafter sein könnten als andere. „Allerdings weiß man eben nicht im Voraus, welcher Patient wie auf welches Medikament reagiert“, betont van der Giet, der auch Präsident der Deutschen Hochdruckliga ist.

      Tatsächlich räumen die Autoren selbst ein, dass für eine personalisierte Therapie nach Biomarkern geforscht werden müsste, die derartige Prognosen ermöglichen würden. „Solche Biomarker sind aber längst nicht so stabil, wie man meinen könnte, sondern können im Kontext der Blutabnahmebedingungen, durch tageszeitliche Schwankungen und Temperaturveränderungen variieren“, gibt van der Giet zu bedenken.

      Sein Ansatz mit Blick auf die Gesundheit der Betroffenen: „Wir wissen zum Beispiel, dass bestimmte Gruppen – ob Frauen oder Männer, ältere oder jüngere Menschen – unterschiedlich auf Medikamente reagieren,“ so van der Giet: „Eine solche Personalisierung, die nicht das Individuum, sondern größere Cluster umfasst, könnte durchaus sinnvoll sein.“ (fmg)