Wolfsburg. Während sich die Natur im Winterschlaf befindet, läuft der Theaterwahnsinn im Februar mit rezitierenden Weltstars zu Hochtouren auf.

Was die Wolfsburger im Februar kulturell erwarten können? Tipps vom Scharoun-Theater: Die Krise, die die Möglichkeit über jede Behauptung von Wirklichkeit stellt, nennt der Schriftsteller Max Frisch Leben – das Starre dagegen, das Sichere, Unveränderbare, ist die Katastrophe. Die Inszenierung des Berliner Ensembles Mein Name sei Gantenbein treibt Max Frischs Lebensfrage danach, wer wir sind und wer wir sein könnten, auf die Spitze. Intendant Oliver Reese inszeniert Frischs letzten großen Roman in einer eigenen Bearbeitung als Monolog mit Matthias Brandt, der dafür nach 20 Jahren Abstinenz auf die Theaterbühne zurückkehrt. Der Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt, Schauspieler, Sprecher und Autor Matthias Brandt, hat in den letzten Jahren in über 80 Filmen mitgewirkt und wurde vielfach für seine Leistungen als Schauspieler und Sprecher ausgezeichnet. Der Ausnahmekünstler gastiert am 3. und 4. Februar im Scharoun Theater Wolfsburg.

Mein Name sei Gantenbein von Max Frisch mit Matthias Brandt.
Mein Name sei Gantenbein von Max Frisch mit Matthias Brandt. © FMN | Matthias Horn

Mit starken Frauenbildern hat sich bereits schon die Antike beschäftigt, Friedrich Händel hat sich des Stoffes in seiner Oper Alcina angenommen: diese lockt Männer auf ihre Insel und verwandelt sie – ihrer überdrüssig – in Tiere, Pflanzen oder Steine. Die Neuproduktion für die Händel-Festspiele Halle entfacht einen barocken Bühnenzauber mit Rittern, Amazonen, Tierwesen und barocken Chimären – die ganze Bandbreite der barocken Ästhetik wird, angelehnt an Originalentwürfen der Zeit, wiederbelebt. Die klanglich intime lautten compagney Berlin, eines der weltweit originellsten, fantasievollsten und vielseitigsten Ensembles Alter Musik, begleitet das Ballet Baroque Berlin am 9. Februar musikalisch mit einem Feuerwerk an Händelschen Melodien.

Franz Kafkas „Amerika“ - die Reise eines Auswanderers

Ein bravouröses Schauspiel-Solo mit einem facettenreichen Philipp Hochmair, Film-, Fernseh- und Burgschauspieler, in der Rolle eines verzweifelt Anschlusssuchenden erwartet die Zuschauer und Zuschauerinnen am 10. Februar in der Inszenierung Franz Kafkas „Amerika“. Von den Eltern aus Europa vertrieben, erlebt der 17-jährige Karl Roßmann in Amerika nicht die gewünschte Verheißung, sondern den sozialen Abstieg. Die Reise des Auswanderers findet im Kopf statt, von der Einfahrt in den Hafen New Yorks bis zur finalen Zugfahrt zum großen Naturtheater von Oklahoma ist es die Odyssee eines Anschlusssuchenden, der bis zuletzt nicht an der eigenen Isolation verzweifelt.

Szenenfoto aus „Amerika“.
Szenenfoto aus „Amerika“. © FMN | Bastian Kraft

Gleich zwei Sinfoniekonzerte in einem Monat bietet der Spielplan: am 13. Februar gastiert der Starviolonist Lev Gelbard zusammen mit dem Staatsorchester Oldenburg und dem Konzert-Chor Braunschweig mit John Coriglianos „Red Violin“, einer Umarbeitung seiner Filmmusik zu dem kanadischen Spielfilm „The Red Violin” von 1999, sowie Gustav Holsts monumentaler Orchestersuite „Die Planeten“. Am 20. Februar erklingen vom Staatsorchester Braunschweig und Violinist Felix Gutgesell in einer wahren musikalischen „Bilderlust“ Ottorino Respighis Trittico Botticelliano“, Dmitrij Schostakowitschs Violinkonzert Nr. 1 in a-Moll und Modest Mussorgskij Klavierzyklus „Bilder einer Ausstellung“. Eine Einführung in die beiden Konzerte findet jeweils um 19.15 Uhr statt.

Im Einzelzimmer auf See festsitzen

Mit wenigen Requisiten offenbart Judith Rosmair in Theresia Walsers Schauspiel Endlose Aussicht am 15. Februar eine beklemmende Aktualität: Jonas Zehn-Tage-Rundreise im Pazifik sollte schon längst vorbei sein, doch sie sitzt mit all den anderen Passagieren aufgrund des Ausbruchs einer Krankheit in ihrem Einzelzimmer auf See fest, und nach und nach verschwimmen die Zeitzonen in diesen Gewässern. Mit ihrem Smartphone versendet Jona Nachrichten, Lebenszeichen, Berichte von einem ziellos umhertreibenden Schiff. Ihr Monolog kennt viele Stimmen: Sie redet nicht nur mit sich, sie redet mit allen, die nicht mehr um sie sind …

Einen Weltstar auf der Wolfsburger Bühne erleben die Zuschauer und Zuschauerinnen am 16. Februar: Klaus Maria Brandauer & GrauSchumacher Piano Duo erzählen im Konzert an zwei Klavieren anhand von Briefen und Notizen von Wolfgang Amadeus und Leopold Mozart sowie Josef Nepomuk Bullinger die Geschichte eines jungen Komponisten, der sich allmählich von seinem übermächtigen Vater loslöst. Brandauer rezitiert mit großen Spannungsbögen von „Mozarts Freiheit“ – seine erste Reise ohne Vater – und zieht alle Register seiner Kunst: emotionale Anteilnahme, ironische Distanz, donnernde Aufregung und eine gehörige Portion Wiener Schmäh‘. Andreas Grau und Götz Schumacher bringen Mozarts Innenwelt mit Werken u.a. aus der „Zauberflöte“ zum Klingen. Das kongeniale Zusammenspiel von Rezitation und Musik sorgte schon beim gemeinsamen „Sommernachtstraum“ regelmäßig für Begeisterungsstürme.

Klaus Maria Brandauer.
Klaus Maria Brandauer. © FMN | Nik Hunger

Die Tanzkompanie Of Curious Nature vereint professionelle Tänzer und Tänzerinnen aus aller Welt im Nordwesten Deutschlands und hat sich eine inspirierend vielseitige künstlerische Identität erarbeitet, die sich ganz dem zeitgenössischen Tanz verschreibt. Die Bewegungssprache der Kompanie ist der kulturellen Gegenwart verpflichtet, dabei immer intensiv, emotional facettenreich zwischen feinsinniger Innerlichkeit und aufrüttelnder Energie. „Un-Zeit“ ist einer der beiden Choreografien über das sich verändernde menschliche Verhalten in Raum und Zeit, die am 22. Februar zu erleben ist.

Ausdrucksstarker zeitgenössischer Tanz mit zwei Choreografien

„Wer wir waren“ – so sollte Roger Willemsens letztes Buch heißen. Der Titel des Werks stand bereits fest, es gab viele Notizen. Das eigentliche Buch konnte der Publizist, Fernsehmoderator und Filmproduzent Roger Willemsen vor seinem Tod 2016 selbst nicht mehr fertigstellen. Allein in einer Rede bei seinem letzten öffentlichen Auftritt stellte er die zentrale Idee des Buchs vor und nannte sie „Zukunftsrede“. 2016 wurde die Rede veröffentlicht, die auf die Versäumnisse der Gegenwart zurückblickt. Die Burgtheater-Schauspielerin, Fernsehdarstellerin, Hörbuchsprecherin und Grimme-Preisträgerin Barbara Auer liest am 23. Februar in Barbara Auer & Olena Kushpler: Wer wir waren. Ein Roger Willemsen-Abend Willemsens Werk in Auszügen, begleitet von der Pianistin Olena Kushpler. Ein Abend zweier Frauen, der analysiert, berührt, und aufrüttelt – und von einer klaren poetischen Schönheit ist!

Kartenvorverkauf Theaterkasse, Porschestraße 41D, per Mail unter karten@theater.wolfsburg.de, telefonisch unter (05361) 2673-38, Alle Infos und Karten unter www.theater.wolfsburg.de.