Wolfsburg. Im Tauchclub Wolfsburg machte Trainer Andreas Schlosser unsere Reporterin mit dem Tauchen mit Flasche vertraut. Eine andere Welt.

„Pitsch, patsch“ – die Schwimmflossen klatschen auf dem Boden des Schwimmbads Sandkamp in Wolfsburg. Mit Badeanzug, Flipflops, Handtuch und einem Fotografen bewaffnet, wage ich den Schritt zum Tauchgang. Der Verschluss am Gurt der schwarzen Taucherweste klickt – stramm muss der beladende Stoff sitzen. Am Rücken ist die Pressluftflasche angebracht; das Mundstück, durch das ich gleich atmen soll, hängt über meiner Schulter. Während Trainer Andreas Schlosser einen weiteren Schlauch emporhält, erklärt er, wie ich mich unter dem Gewicht der Flaschen ins Wasser hineinbugsieren und unter der Oberfläche fortbewegen kann: „Wenn Sie den roten Knopf an der Seite drücken, bläht sich die Weste auf und hilft Ihnen dabei über Wasser zu bleiben.“ Er betätigt den grauen Knopf am gleichen Ende – „Zum Abtauchen lassen Sie so die Luft heraus.“

Gesagt, getan. Noch schnell die Tauchmaske über Augen und Nase und los geht es. Mein Lehrer gleitet ins Wasser, ich plumpse. Vor und zurück bewege ich meine Flossen-Füße. Dabei zeigt Trainer Schlosser vom Tauchclub Wolfsburg Handbewegungen, die für eine Verständigung unter Wasser wichtig sind: „Hoch“, „etwas stimmt nicht“ und „alles gut“. Ich nicke, nehme das Atemmundstück in den Mund, das mit der Pressluftflasche verbunden ist, atme kräftig aus und ein und tauche schließlich unter, bis auf den Beckengrund. „Alles gut?“ – „Alles gut.“

Tauchclub Wolfsburg: In eine Pressluftflasche passen 10 Liter Luft

Nun ist es wichtig, einen Druckausgleich zu schaffen. Ansonsten entsteht Druck auf den Ohren sowie den Nasennebenhöhlen. Das wäre unangenehm. Die bekannteste dafür ist die Valsalva-Methode: Ich drücke also meine Nasenflügel zusammen und atme durch die Nase aus, wodurch sich durch den ausgeübten Luftdruck die sogenannte Ohrtrompete öffnet. Es knackt im Ohr. Dann erst bemerke ich eine sich offenbarende, neue Welt.

Rings um das Becken inmitten hunderter aufsteigender Bläschen verteilt, treiben drei weitere Hobbytaucher vor sich hin. Harald, Vitali und Sylvia winken mir zu, dann ziehen sie ihre Bahnen, steigen hoch und wieder herunter, bleiben auf dem Grund sitzen und gestikulieren sich spaßeshalber zu. Vor dem Tauchgang war mir unter der Last der Flasche auf meinem Rücken unwohl – nun war von den Kilos kaum mehr etwas da. Förderlich wäre es der Sache auch nicht, schließlich bestehen die nächsten Minuten erst einmal daraus, sauber zu atmen. 10 Liter Luft passen in eine Pressluftflasche. Druck: 200 bar. Trainer Schlosser erklärt mir, dass dieser Vorrat für 1,5 Stunden unter Wasser reicht. Das ist nämlich die Zeit, die man ohne Dekompressionsstops beim Auftauchen unter Wasser verbringen darf. Beim Dekompressionsstopp verweilen Taucher in einer bestimmten Wassertiefe während der Dekompression – der kontrollierten Verminderung des Drucks. Sie atmen das im Gewebe gebundene Gas dabei durch den verminderten Druck in geringerer Wassertiefe langsam ab. Danach können sie gefahrlos bis zum nächsten Stopp oder zur Oberfläche auftauchen.

Ein Ägypter brach 2022 den Tauch-Rekord im Roten Meer

Im September 2022 erreichte der Ägypter Ahmed Gabr im Roten Meer eine Tauchtiefe von 332,35 Metern. Dafür verwendete er 92 Pressluftflaschen mit 10 verschiedenen Gasgemischen und verbrachte 14 Stunden unterhalb der Wasseroberfläche. „Die Tiefengrenze beim Sporttauchen liegt allerdings bei 40 Meter“, erklärt Schlosser. „Alles was Tiefer geht, ist im Bereich des technischen Tauchens beziehungsweise Berufstauchens.“ Das funktioniere nur mit speziellen Gasgemischen für verschiedene Tiefenbereiche mit Gaswechseln (Sauerstoff, Nitrox, Luft, Trimix). Tiefster Punkt im Wolfsburger Becken: 2,6 Meter. Ein Klacks. Und dennoch ist es komisch, die ersten Atemzüge unter Wasser zu tun.

Normalerweise war ich daran gewöhnt, die Luft anzuhalten. Nun atme ich nicht nur unter Wasser, sondern höre mich selbst. Maschinell, etwa wie der dunkle Jedi Darth Vader aus Star Wars. Beschleicht mich für einen Moment die Angst, höre ich sie – verkürzte, unregelmäßige Atemzüge weichen aus meiner Flasche. Ich bin ein Mensch, abhängig von einem intakten Gerät, in einem sauerstoffleeren Raum. „Das Atemgeräusch von Darth Vader ist tatsächlich ein langsamer abgespieltes Geräusch eines Tauch-Atemreglers“, erklärt Schlosser später und entromantisiert meine galaktische Stimmung wieder. Wenn sich die Welt hier unten schon so anders anfühlt, etwas befremdlich, wie wäre es dann in der freien Natur zwischen Korallenriffen oder Höhlen zu schwimmen? Neben alledem, was zu beachten war, fühlte ich mich frei.

In der Region Braunschweig-Wolfsburg kann man in freier Natur mit Flasche tauchen

„Als Jugendlicher schickte mich mein Arzt wegen meines Hohlkreuzes zum Schwimmunterricht“, erinnert sich Trainer Schlosser in der Pause an seine Anfänge zurück. „Was sich im Nachbarbecken abspielte, fand ich allerdings viel interessanter.“ Kaum hatte er sich mit dem Flaschentauchen vertraut gemacht, blieb er dabei – vom Hohlkreuz ist heute keine Spur mehr zu sehen. Neben den naheliegenden Orten in der Region – dem Allersee oder auch dem Tankumsee in Isenbüttel zum Beispiel – tauchte er bereits im Roten Meer, Ägypten, in Höhlen und in tiefen, dunklen, winterlichen Seen. „Ich mag die Ruhe“, sagt er. Die Welt sei dort unten eine andere. Angst habe er in der Dunkelheit keine.

Kaum merklich vergehen viele Minuten. Ab und zu treibt eine Mini-Rakete auf mich zu, die mich vom Nachdenken abhalten soll. Sie schwebt durch das Wasser, während mich Trainer Schlosser einen kleinen Parcours passieren lässt. Hoch und runter, hoch und runter – das klappt schon ganz gut. Gemächlich schaufele ich mit den Schwimmflossen das blaue Wasser von mir weg. Jedes Mal etwas kraftvoller und galanter zugleich.

Beim Flaschentauchen kommt es auf die Atmung an

Unter Wasser verändern sich die Körperfunktionen. Das Herz des Menschen schlägt dabei langsamer als üblich. Statt 70 Mal pocht es nur noch 50 bis 60 Mal, um Sauerstoff zu sparen. Mit zunehmender Tiefe komprimiert sich die Luft in der Lunge – sie reduziert sich also. Während ich so dahintreibe, gelangt plötzlich Wasser in meine Maske und verklärt mir die Sicht. „Erst ausatmen, bevor ich auftauche“, denke ich mir und als Trainer Schlosser mein Handzeichen erblickt – Daumen hoch – erinnere ich mich an seine Worte: „Geht alles zu schnell und du tauchst, ohne auszuatmen, auf, wird die Lunge überdehnt.“ Bei dieser Wassertiefe besteht das Risiko allerdings nicht. Und den Weltrekord knacken, möchte ich ohnehin nicht.

Langsam habe ich den Dreh raus. Meine Arme strecke ich voraus, die Flossen gehen auf und ab – fischartig gleite ich beinahe durch das Becken mit all den kleinen Bläschen und dem Unterwasser-Parcours. Selbst wenn es nicht annähernd so leicht aussieht wie bei meinem Trainer, stimme ich ihm nach dieser Erfahrung im Tauchclub Wolfsburg zu: Die Ruhe unter Wasser ist unvergleichlich.

Tauchclub Wolfsburg

Der Tauchclub Wolfsburg wurde 1972 gegründet. Aktuell besteht das Tauchteam aus 13 Ausbildern. Die Tauchlehrer bilden nach den Regeln des Verbandes deutscher Sporttaucher (VDST) aus. Junge Taucher können den VDST-Grundschein erwerben. Laut Webseite des Vereins startet der Kurs immer im ersten Quartal des Jahres mit maximal 16 Teilnehmern. Die genauen Einzelheiten für einen neuen Kurs werden bei einem Infoabend bekannt gegeben. Tauchequipment können Vereinsmitglieder ausleihen. Kurse, Preise und weitere Informationen gibt es auf der Vereinswebseite unter www.tauchclub-wolfsburg.de