Wolfsburg. „Fridays for Future“ demonstrierte in Wolfsburg. Die Forderung an VW wird laut, eine Tochterfirma für eine grüne Produktion zu gründen.
Etwa 60 Menschen demonstrierten am Freitag in Wolfsburg, für das Klima und für soziale Gerechtigkeit. Viele schieben ihr Fahrrad nebenher. Auf Bannern und Schildern steht etwa: „Weniger Unfälle, Lärm, Stau, CO2“, darunter ein Tempo-120-Zeichen. Und auch altbekannte Worte der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg „I want you to panic“ (zu Deutsch: Ich möchte, dass ihr Panik bekommt) stehen buchstäblich schwarz auf weiß geschrieben. Die Grüne Jugend und das Bündnis Globaler Klimastreik organisierte die Demonstration. Sie startete um 16 Uhr am Bahnhof, führte durch die Innenstadt zum Rathaus und endete dort um 18.30 Uhr.
Alte und junge Leute sind dabei, aber auch Kleinkinder mit Begleitung. Ganz vorne laufen in gelben Warnwesten die Organisatoren der Demonstration an diesem Freitagnachmittag durch die Wolfsburger Innenstadt. Einige sprechen zu Beginn und ihre Worte, haben einen schier wütenden Ton. Von den ausgefallenen Lautsprecher-Boxen lassen sie sich nicht davon abbringen, zu mobilisieren. Wolfsburg an sich wird Mittelpunkt der Thematik.
Aktivist „Amsel44“ in Wolfsburg: Das Lieblingskind des Deutschen ist das Auto
„Wolfsburg ist ein Hotspot der Probleme“, sagt Alfred Hartung von Attac. Er war einmal Mitarbeiter bei VW und sieht seinen früheren Arbeitgeber in der Verantwortung, sich als zweitgrößter Autohersteller diesen Problemen zu stellen. In seiner Rede prangert er unter anderem die „Greenwashing Show“ der internationalen Automobilausstellung an. Er fordert die Gründung einer VW-Tochterfirma, die sich ausschließlich um die Umsetzung grüner Produktionen kümmere.
Auf Hartung folgt Tobi Rosswog (Amsel44): „Wir wissen jetzt, welches Lieblingskind das der Deutschen ist: Das Auto.“ Unverhältnismäßig sei die Fläche für Parkplätze im Vergleich zu manch‘ Kinderzimmern in Berlin oder gar Spielplätzen. Der Aktivist redet sich geübt in Rage; weist auf die Kriegsgeschichte der Porsche-Familie hin, die sich entgegen eigener Aussagen nicht genügend um das Wohlergehen ihrer Mitarbeiter sorge. Es müsse mehr getan werden, glaubt Rosswog.
Grüne Jugend Wolfsburg: Es gibt Handlungsbedarf bei Löhnen
Vor der Demo sprachen wir mit einem der Organisatoren, Vito Brullo (Gründe Jugend), am Telefon. „Wolfsburg ist die Verkehrsstadt“, beginnt er das Gespräch. Die Fridays-for-Future-Bewegung stehe für eine möglichst schnelle Verkehrswende. Außerdem sehen sie auch hier in der „Höhle des Löwen“, wie der Abiturient sie nennt, den Handlungsbedarf beim Thema faire Löhne. „Mein Wunsch wäre auch eine zukünftig engere Kooperation zwischen Fridays for Future und den Gewerkschaften.“
Dem Wunsch kommt die positive Botschaft für die anwesenden Aktivisten am Bahnhof nach: „Wir wollen auf die bundesweite Kampagne ,Wir fahren zusammen´ von FFF und Verdi aufmerksam machen. Sie streiten zusammen für gute Arbeitsbedingungen“ – so unter anderem im ÖPNV. Applaus von den Demonstrierenden.
Wolfsburger Aktivistin geht es bei dem Streit um das Wachrütteln der Menschen
Mit Haike Zacharias vom Bündnis Globaler Klimastreik führten wir ebenfalls vorab ein Gespräch. Ihr gehe es bei diesem bundesweiten Klimastreik vor allem um das Wachrütteln der Menschen. Eine gewisse Klimamüdigkeit, sagt sie, sei unter anderem ein Symptom der Corona-Pandemie. Das Marsch-Engagement der letzten Monate halte sich in Grenzen. Dabei seien die angesprochenen Themen aktuell auch aufgrund der Inflation wichtig. Finanzierung und Entlastungen seien ein wunder Punkt in Klimastreitfragen. Denn auf komplett regenerativer Energien zu wechseln, sei teuer. Die Menschen haben Angst. Ein Handeln der Politik sei gefragt.
Im ausgearbeiteten Schreiben der Organisatoren in Wolfsburg finden Vito Brullo (Grüne Jugend) und Haike Zacharias deutliche Worte für die Ampel-Regierung. Vom Stillstand des Mobilitätsausbaus in Bus- und Bahnverkehr, über eine geforderte, gerechte Lastenverteilung, bis hin zum problematisierten „Aufstieg rechtsradikalen Gedankenguts“ – ein Problem jagt das nächste.
Klimaaktivistin: Es gibt zu wenig Solardächer in Wolfsburg
Wolfsburg biete ein großes Potenzial für Photovoltaik, informiert die Stadt Wolfsburg auf ihrer Website. Dort findet man alles rund um das Thema Klimaschutz und Förderung durch Stadt und Bund. Haike Zacharias findet aber, Solardächer gibt es hier zu wenig. „Viele freuen sich, wenn sie eine Photovoltaik-Anlage installiert haben“, weiß sie. Es hinge rein von der Finanzierung ab. Nach Untersuchungsergebnissen ließen sich jährlich 263.000 Megawattstunden Strom erzeugen. „Diese Strommenge würde 114.000 Tonnen Kohlendioxid vermeiden, was fast ein Viertel der Emissionen Wolfsburgs entspricht“, heißt es dazu auf der Website weiter. Volkswagen sei davon ausgenommen.
Bezüglich der Fördermittel verteidigt die aktive Mitarbeiterin vom Bündnis Globaler Klimastreik aber die Städtepolitik: „Teilweise sind ihnen die Hände gebunden.“ Sie wünscht sich eine engere Zusammenarbeit zwischen den Initiativen von Bürgerinnen und Bürgern mit Politik und Firmen wie Volkswagen. Dabei gehe es auch um Sensibilisierung der Menschen in Klimafragen.
Ein weiteres Problem sei laut Schreiben der Organisatoren ein gesellschaftlicher Rechtsruck. Auch das, vermutet Zacharias, hänge mit finanziellen Nöten und Ängsten zusammen. Auf den wachsenden Zuspruch der rechtspopulistischen Partei AfD angesprochen, sagt sie: „Manche lehnen sich an den vermeintlich starken Partner.“ Eine Lösung wegen hoher Kosten durch die Klimakrise sei dies jedoch nicht.