Wolfsburg. Mitgestalter der ersten Stunde: Andreas Hornig geht nach 20 Jahren in den Ruhestand. Ein Abschiedsrundgang mit spannenden Anekdoten.

Als Mitgestalter der ersten Stunde war Andreas Hornig, Leiter des Zeithauses in der Wolfsburger Autostadt, von Anfang an dabei. Am Donnerstag, 1. Juni, ist nach mehr als 23 Jahren sein letzter Arbeitstag in diesem markenunabhängigen Automuseum. Mit unserer Zeitung begab sich der gebürtige Wolfsburger auf Abschiedstour. Wir durften mit einem ganz besonderen Oldtimer vorfahren und er verriet uns spannende Anekdoten an seinen ganz persönlichen Lieblings-Exponaten.

Gut gelaunt fuhr Hornig zum Termin in einem offenen Cabrio vor. Er durfte sich einen Oldtimer aus dem Zeithaus-Depot in Vorsfelde auswählen, quasi ein erstes Abschiedsgeschenk seiner Mitarbeiter zum wohlverdienten Ruhestand. Er entschied sich für den Rometsch Beeskow, einen 3-Sitzer Sonderkarosseriebau des Käfers, aus Filmen mit Gregory Peck und Audrey Hepburn bekannt.

Herr Hornig, warum haben Sie sich gerade dieses Auto ausgesucht aus den 270 Modellen, die das Zeithaus-Depot zu bieten hat?

Dieses formale Design ist für mich etwas ganz Besonderes. Im Seitenprofil kann man erkennen, warum er den Spitznamen „Banane“ bekommen hat. Und dieser Oldtimer erinnert mich an all die besonderen Erlebnisse in den vielen spannenden 23 Jahren Autostadt für mich.

Wir beginnen den Rundgang am Bentley R-Type Continental 1952 in der ersten Etage des Zeithauses. Das Auto ist eines Ihrer Lieblingsexponate. Welche Besonderheit gibt es?

Diese rote Original-Ausstattung hat auch Nachteile, zum Beispiel im Sommer. Ich erinnere mich an eine Fahrt mit dem damaligen Autostadt-Geschäftsführer Otto Ferdinand Wachs, als er das Auto selbst „auf Achse“ aus der Schweiz hierher überführt hat. Als er in Wolfsburg ankam, war seine Kleidung auf der Rückseite vom roten Leder komplett verfärbt. Seitdem wissen wir: Im Sommer immer ein Handtuch mitnehmen, um es auf die Sitze zu legen.

Andreas Hornig erzählt über den VW-Käfer, hier das letzte in Mexiko gebaute Modell.
Andreas Hornig erzählt über den VW-Käfer, hier das letzte in Mexiko gebaute Modell. © regios24 | Lars Landmann

Ein weiterer Klassiker ist der Käfer 3803 aus dem Jahr 1938.

Das ist tatsächlich das älteste existierende Fahrzeug. Und dazu haben wir den allerletzten in Mexiko gebauten Käfer gesellt, so schließt sich der Kreis, das ergibt ein schönes Pärchen. Der 3803 ist der dritte gebaute Käfer, mit dem Ferdinand Porsche immer von Stuttgart nach Fallersleben fuhr, denn Wolfsburg gab es ja noch nicht. Eine besonders wertvolle Erinnerung auch an Professor Hahn, der im vergangenen Jahr unbedingt noch einmal mit diesem Auto fahren wollte. Professor Hahn wurde mit dem Käfer zur Abendveranstaltung in Dresden chauffiert. Für uns eine besondere Ehre, und es war glaube ich auch der letzte große öffentliche Auftritt, bevor er dann verstarb.

Wir kommen zum Porsche 911 Turbo aus dem Jahr 1982. Was fällt Ihnen dazu ein?

Der Porsche 911 Turbo war schon als Kind mein Lieblingsauto auf der Carrera-Bahn. Wir haben ja viele Rennwagen hier, zum Beispiel auch ein Stockwerk tiefer den Lamborghini Diablo GT. Aber die Beschleunigung beim 911 Turbo ist einfach anders: Wenn der Ladedruck einsetzt, dann man merkt, wie die Lenkung leicht wird, man in den Sitz gedrückt wird und es losgeht. Einfach irre.

Wie kam es denn eigentlich dazu, dass Sie Leiter des Zeithauses wurden?

Ich habe bis 2000 das Autohaus Detmerode geleitet. Da habe ich noch die Fusion mit dem Autohaus Wolfsburg begleitet. Da war ich so Mitte/Ende 30 Jahre und hörte davon, dass etwas ganz Neues in Wolfsburg entstehen soll. Nach den vielen Jahren im Handel fand ich es spannend, auch mal die andere Seite kennenzulernen. Ich habe einfach eine Initiativbewerbung an die Autostadt geschickt und ein Gespräch mit Otto-Ferdinand Wachs geführt. Er sagte sofort: „Herr Hornig, ich weiß noch nicht genau, in welcher Funktion, aber ich brauche Sie.“ Punkt, das war’s.

Was gab es alles zu tun, bevor der Betrieb aufgenommen werden konnte?

Das war hochgradig spannend am Anfang: Ich habe am 1. April 2000 angefangen, da bin ich hier noch mit Bauhelm auf der Baustelle rumgelaufen. Ich sollte die Abholerwelt verantworten, das bedeutete direkt Personalverantwortung für etwa 100 Mitarbeiter. Plötzlich rief mich der damalige Personalchef an: „Herr Hornig, am Wochenende kommen jetzt Ihre ersten 57 Mitarbeiter.“ Ich fragte: Wohin? „Weiß ich nicht, suchen Sie sich was“, lautete die Antwort. Das war echte Pionierarbeit, da musste ich erstmal Räume organisieren, um die Leute überhaupt unterbringen und mit den Schulungen der ersten Mitarbeiter starten zu können.

Andreas Hornig steht im Zeithaus vor dem 911 Turbo aus dem Jahr 1982. „Ein Traumauto“, sagt er.
Andreas Hornig steht im Zeithaus vor dem 911 Turbo aus dem Jahr 1982. „Ein Traumauto“, sagt er. © regios24 | Lars Landmann

Und wie kam es dann zum Wechsel in das Zeithaus?

Der damalige Leiter des Zeithauses ging aus privaten Gründen zurück in seine Heimat Stuttgart. Otto Ferdinand Wachs fragte mich, ob ich das nicht übernehmen könne, wenigstens mal für ein Jahr. Das war 2003. Jetzt haben wir 2023. So wurden aus einem zwanzig Jahre. Zwanzig schöne Jahre.

Wie sah dann Ihre Arbeit im Zeithaus im Laufe dieser Jahre aus?

Auch das war im Prinzip wieder Pionierarbeit: Wir hatten damals so 70, 80 Autos. Jetzt haben wir rund 270. Da hieß es immer: Fahrzeuge suchen, begutachten, überführen, in die Werkstatt zum Aufarbeiten, in die Sammlung integrieren, die historischen Unterlagen sammeln.

Auch Ausfahrten und Rallyes gehörten zu Ihrem Aufgabenbereich. Welche davon sind Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?

Ich liebe ja den Gardasee. Im September in Trentino eine Ausfahrt mit einem Oldtimer zu machen, das sind besondere Momente, die einem im Gedächtnis bleiben. Oder als ich bei der Silvretta Classics mal abends mit einem Bugatti T35 auf die Bieler Höhe im Montafon fahren durfte, war das das ultimativste Fahrerlebnis für mich. Denn von diesem Bugatti-Rennwagen gibt es ja nur noch eine Handvoll Fahrzeuge.

Welche Rallye würden Sie gern noch einmal fahren, jetzt, wo Sie mehr Zeit haben?

Ich würde gern noch einmal die Silvretta fahren. Und die Mille Miglia bin ich bisher auch noch nicht selbst mitgefahren, sondern habe dort nur mal Walter Röhrl und Christian Geißendörfer mit dem Motorrad besucht.

Sie haben mit vielen Prominenten an Ausfahrten teilgenommen, gab es da besonders lustige oder erstaunliche Momente?

Beim Rallye-Klassiker Hamburg-Berlin hatten wir immer die Tatort-Kommissare und die Filmsternchen an Bord. Zum Beispiel erinnere ich mich gut an Esther Schweins und Dennenesch Zoudé. Viele Stars haben nicht schlecht gestaunt, wie viel Arbeit es ist, als Beifahrer das Roadbook lesen zu müssen. Von der Landschaft bekommt man da nicht viel mit. Mehr als 100 Rallyes bin ich im Laufe dieser Zeit gefahren. Aber ich muss sagen: das Wichtigste daran waren die Begegnungen mit den Menschen. Das sehe ich wirklich als Privileg, im Laufe meines Berufslebens so viele Menschen kennengelernt zu haben.

Welche Erinnerung haben Sie an den Lamborghini Countach aus dem Jahr 1975?

Als Jugendlicher war ich mit meinen Eltern im Italien-Urlaub. An der Tankstelle kam ein kleiner, braun gebrannter Italiener mit solch einem Auto. Da setzte der sich mit dem Hintern auf den Holm, machte den Rückwärtsgang rein und fuhr los. Ich dachte: „Was macht der da?“ Irgendwann kam solch ein Auto ins Zeithaus und ich musste damit rückwärts fahren. Ich habe mich exakt so hingesetzt wie der Italiener, denn sonst sieht man überhaupt nichts beim Rückwärtsfahren.

Welche Oldtimer und Motorräder besitzen Sie privat?

Als Motorräder habe ich so Klassiker wie Moto Guzzi, alte BMWs, Harley-Davidson und eine kleine Royal Enfield Himalayan mit nur 24 PS. An Autos natürlich einen 911er, das war mein Jugendtraum, das hatte ich schon früh meinen Eltern prophezeit: Wenn ich 50 werde, will ich einen Porsche und eine Harley Davidson haben – das hat geklappt: Den Porsche habe ich 14 Tage nach meinem 50. Geburtstag abgeholt.

Welche Hobbys haben Sie noch?

Ich bin gerne in der Natur, bin die 830 klassischen Kilometer auf dem Camino gelaufen, da würde ich auch gern noch ein anderes Stück wandern. Und reisen möchte ich. Ich war schon zweimal in den USA zum Motorradfahren. Oder auch einmal um die Ostsee, das fände ich spannend. Mit dem Motorrad bin ich schonmal das Baltikum bis nach Tallin hoch gefahren.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Autostadt?

Ich bleibe dem Zeithaus und der Autostadt sicher eng verbunden und werde mit Interesse verfolgen, wie es weitergeht. Entscheidend ist für mich, dass das Thema die Wertschätzung bekommt, die es verdient. In der Oldtimer-Szene gibt es eigentlich kein wirkliches Konkurrenzdenken, sondern man hilft sich mit dem gemeinsamen Ziel, dieses Kulturgut zu bewahren.

Zur Person

Name: Andreas Hornig.

Geboren: 1962 in Wolfsburg.

Ausbildung: KfZ-Mechaniker, dann Meister und Betriebswirt.

Werdegang: Leiter Autohaus Detmerode bis 2000, Leiter Abholerwelt seit 1.4.2000,

Leiter Zeithaus seit Frühjahr 2003 bis 31. Mai 2023.

Das Zeithaus

Das Zeithaus in der Autostadt ist ein Automobilmuseum mit mehr als 60 Marken aus aller Welt.
Ausstellungsthemen: Design-Ikonen und weitere Klassiker im Spotlight: Wie in einem gläsernen Setzkasten werden hier Meilensteine der Automobilgeschichte präsentiert.

Beziehungs-Kisten: Zeit zu zweit – Automobile Pärchen mit offensichtlichen, aber auch überraschenden Gemeinsamkeiten entdecken. Moment!: Marken- und Erlebnis-Shop im Zeithaus.

Öffnungszeiten: Täglich von 10 bis 18 Uhr.

Eintritt: Erwachsene: 18 Euro (ermäßigt 14 Euro); Kinder/Jugendliche (6-17 Jahre), Schüler*innen (bis 17 Jahre): 6 Euro; Familien (2 Eltern oder Großeltern und max. 3 Kinder: 35 Euro; Kleinfamilie (1 Erwachsener und max. 3 Kinder): 25 Euro.

Weblink:www.autostadt.de/erkunden/zeithaus.