Wolfsburg. 2020 stand die Wolfsburger Inhaberin schon einmal in der Kritik, aber sie blieb standhaft. Nun haben Unbekannte die Fassade ihrer Apotheke bemalt.

Tradition oder Rassismus? Der Streit um den Namen der Wolfsburger Mohren-Apotheke kehrt zurück. Mit einer Graffiti-Attacke, die humorvoll rüberkommen will, gleichwohl nichts anderes als eine Sachbeschädigung ist, gewinnt die Diskussion an Schärfe. In der Nacht zu Samstag haben Unbekannte am Eingang der Apotheke jeweils die beiden Logos mit den „Mohren“-Figuren darauf übermalt: Nun sind dort Möhren zu sehen. Aus dem „o“ im Namen der Apotheke wurde ein „ö“ gemalt. Die Aktion wird von den Verursachern als „Rüben gegen Rassismus“ betitelt, wie ein Graffiti Schriftzug an der Hauswand kundtut und wie die Täter auch in einem Bekennerschreiben an die Redaktion mitteilen.

Die Polizei Wolfsburg hat am Samstag die Ermittlungen aufgenommen, teilt auf Nachfrage unserer Redaktion die Sprecherin Melanie aus dem Bruch mit. Zuvor hatte Inhaberin Petra Grünwald eine Strafanzeige erstattet worden. „Die Sachbeschädigung wird durch durch unser zuständiges Fachkommissariat Staatsschutz bearbeitet.“

Die Diskussion um die Mohren-Apotheken ist nicht neu

Das Logo der Wolfsburger Mohren-Apotheke. Der Name plus die Figur des kleinen „Mohren“ ist schon lange umstritten. (Archivfoto)
Das Logo der Wolfsburger Mohren-Apotheke. Der Name plus die Figur des kleinen „Mohren“ ist schon lange umstritten. (Archivfoto) © regios24 | Helge Landmann

Rund 50 Traditions-Apotheken in deutschen Städten nennen sich noch „Mohren-Apotheke“. Viele Inhaber mussten sich in den vergangenen Jahren – Zeiten, in denen Sprache und die Bedeutung von Ausdrücken zusehends hinterfragt werden – Kritik gefallen lassen. Einige lenkten ein und benannten ihre Apotheken um. Andere blieben standhaft und erfuhren Angriffe. Erst Anfang März 2023 gab es einen Farbanschlag auf die Wuppertaler Mohren-Apotheke.

Im Sommer 2020 fand sich die Wolfsburgerin Petra Grünwald mit ihrem Arzneigeschäft an der Rothenfelder Straße – der zweitälteste Apotheke im Stadtkern von Wolfsburg – mehrere Wochen lang im Mittelpunkt einer Diskriminierungsdebatte wieder. Grünwald sagte damals unserer Zeitung, es fühle sich für sie an wie eine „Hetzjagd“. Sie stellte damals ihre Sicht der Dinge klar: Rassismus und Diskriminierung sei ein großes Problem der Gesellschaft sei – nicht nur in Deutschland, sondern weltweit. „Aber an diesem wichtigen Thema geht die Diskussion um den Namen unserer alteingesessenen Apotheke völlig vorbei“, meinte sie.

Apothekerin stellt klar: Der Name habe einen positiven Bezug

Sie erklärte weiter: Seit drei Jahrzehnten steht sie – zunächst als Angestellte, dann als Inhaberin – hinter

Die Inhaberin der Mohren-Apotheke, Petra Grünwald, lehnte bislang eine Umbenennung ab. 
Die Inhaberin der Mohren-Apotheke, Petra Grünwald, lehnte bislang eine Umbenennung ab.  © Hendrik Rasehorn

dem Tresen. „Die Apotheke ist eine Institution. Der Name stellt keinen Rassismus, keine Diskriminierung, keine Beleidigung oder Verunglimpfung dar. Der Name ist eine Würdigung und Wertschätzung der Pharmazeuten der Mauren, die die moderne Medizin in das rückständige Europa gebracht haben“, meinte Grünwald. Aber Gesellschaft ändert sich und mit ihr die Sprache? „Wir müssen doch aber trotzdem schauen, woher das Wort kommt und was dahinter steht. Wir können doch nicht jedes Wort einfach negativ belegen und im konkreten Fall meiner Mohren-Apotheke den positiven Bezug negieren oder ignorieren.“

In der Folge der Diskussion um den Namen der Apotheke, die damals in Wolfsburg von einer Gruppe engagierter Bürger aus dem Kreis der Flüchtlingshilfe angestoßen wurde, gab es Leserbriefe, Mahnwachen, Petitionen. Grünwald stand das durch, die Diskussion kam irgendwann zum Erliegen. Bis Samstag.

„Wir haben uns dazu entschieden, die ehemalige ‘Mohren’-Apotheke, im kleinen Kreis aber dennoch feierlich, in Möhren-Apotheke umzubenennen,“ heißt es in dem Bekennerschreiben, das unserer Redaktion vorliegt und auch an der Apotheke hinterlassen wurde. „Abgesehen von dem größeren Wert, den wir in diesem ästhetischen und vitaminreichen Wurzelgemüse als Namensgeberin für eine Apotheke sehen, geschah dies, um die Auseinandersetzung über rassistische Stereotype voranzutreiben“

Mohr nicht anders als rassistische Fremdbezeichnung

Die Kern-Argumentation lautet, der Ausdruck „Mohr“ ist keine Selbstbezeichnung von Menschen

Im Bekennerschreiben zur Aktion „Rüben gegen Rassismus“ heißt es: „Von einer Gesellschaft, in der wir uns Mühe geben, Unterdrückungen, Entmenschlichungen und Abspaltungen in unserem Denken, Fühlen und Handeln zu überwinden, profitieren wir Alle.“
Im Bekennerschreiben zur Aktion „Rüben gegen Rassismus“ heißt es: „Von einer Gesellschaft, in der wir uns Mühe geben, Unterdrückungen, Entmenschlichungen und Abspaltungen in unserem Denken, Fühlen und Handeln zu überwinden, profitieren wir Alle.“ © regios24 | LARS LANDMANN

schwarzer Hautfarbe, sondern wurde schon zu Kolonialzeiten wie auch heute von diesen als rassistische Fremdbezeichnung empfunden. Die Name Mohren-Apotheke stehe somit in einer rassistischen Tradition. Auch wenn der Eigentümerin ausdrücklich nicht unterstellt wird, sie sei eine Rassistin, müssten sie und alle Menschen weißer Hautfarbe sich „mit dem Thema auseinanderzusetzen, zuhören und Anerlerntes kritisch hinterfragen.“ Das Schreiben endet mit der Grußformel „Kein Gott, kein Staat – nur Karottensalat!“

2020 hatte Apotheken-Inhaberin Petra Grünwald unserer Zeitung klargestellt: „Ich bin bereit darüber zu diskutieren, warum ich der Meinung bin, dass der Name nicht geändert werden soll.“ Kritisch auseinandersetzen? Zuhören? Können das denn auch diejenigen, die hinter der Graffiti-Aktion stecken?