Wolfsburg. Wirt Bruno plante schon die Abschiedsfeier der VW-Traditionskneipe, jetzt will er im ehemaligen Friseur ein Pizza-Bistro eröffnen.

Vor eineinhalb Jahren plante er seine Abschiedsfeier, heute ist er noch immer da: die Rede ist von Bruno Corigliano (71), den alle nur „Bruno“ nennen. Der Betreiber der Tunnel-Schänke in der Heinrich-Nordhoff-Straße an Tor 17 schließt seine Kneipe wie gewohnt ab 12 Uhr mittags auf. Die Tunnel-Schänke ist seit Generationen Anlaufpunkt für durstige VW-Mitarbeiter, die sich nach der Schicht bei einem Pils entspannen wollen.

Aber auch vor Dienstantritt kommen viele Arbeiter in die Pinte für einen Blick in die Zeitung und einen Kaffee mit Zigarette. Grund für die Schließungspläne waren, dass der der Rat im Februar vor zwei Jahren der sogenannten Masterplanung Nordhoffachse zugestimmt hat.

Vom Hauptbahnhof bis kurz vor der Autobahnauffahrt Wolfsburg-West sollen Einkaufs- und Vergnügungskomplexe, Bürogebäude, Wohnhäuser und Infrastruktur entstehen. Einer der ersten Umsetzungsschritte sollte ein moderner Bürokomplex auf Höhe von Tor 17 sein. Der Flachbau mit Brunos Kneipe, seinem Kiosk und dem benachbarten Friseursalon sollte abgerissen werden.

VW-Kult-Kneipe: Wirt Bruno ist ein Vollblut-Unternehmer

Sieben Tage in der Woche Woche ist Bruno, wie er von allen nur genannt wird, für seine Gäste da. Entweder in der Tunnel-Schänke oder in der Bar Azzuri. 
Sieben Tage in der Woche Woche ist Bruno, wie er von allen nur genannt wird, für seine Gäste da. Entweder in der Tunnel-Schänke oder in der Bar Azzuri.  © regios24 | Darius Simka

Das war 2021. Die Pläne gibt es immer noch, nur geschehen ist bisher nichts. „Stillstand“, nennt es Bruno. Allerdings, so sagt er, hätte er die indirekte Zusage eines Managers der Signa-Gruppe bleiben zu können. Jenes Unternehmens, die das Gelände aufgekauft hat und hier investieren will. „Ich habe gute Aussichten zu bleiben“, sagt er. Deswegen habe er auch den Friseur nebenan übernommen. Für den Laden hat er große Pläne: „Ich möchte ein Pizza-Bistro eröffnen. In zwei bis drei Monaten soll es losgehen.“ Kürzertreten kommt für den 71-jährigen Italiener also nicht in Frage.

Wenn er nicht in der Tunnel-Schänke oder im Kiosk arbeitet, ist er am Wochenende in der Bar Azzurri anzutreffen. Die gehört seit etwa 20 Jahren ihm – so genau weiß er das nicht mehr. „Das ist die älteste italienische Kneipe in Wolfsburg. Die gibt es seit Anfang der 60er Jahre.“ Hier trifft sich die italienische Community zum Espresso trinken und Karten spielen. Übrigens Brunos einziges Hobby, wenn er mal nicht arbeitet. Aber das passiert selten. „Ich arbeite sieben Tage die Woche“, sagt er und wird vom Tresen gerufen. „Ne Bild, bitte – Bruno“. Und schnell wirft ein anderer hinterher: „Tabak, Blättchen und ‚ne blaue Pall Mall.“

Der Wirt flitzt in den Kiosk rüber und holt die gewünschten Produkte – das Wechselgeld hat er auch gleich mitgebracht. Die Kundschaft schätzt die fürsorgliche Art des Chefs, der sich momentan zwischen Kiosk und Kneipe aufteilen muss. Von vier bis acht Uhr morgens steht er im kleinen Laden, dann schläft er eine Runde, um ab mittags in der Tunnel-Schänke weiterzumachen. Mehr als eine Aushilfe für die Bar kann er sich derzeit nicht erlauben. „Seit der Pandemie habe ich 50 Prozent weniger Einnahmen. Mehr Personal schaff‘ ich nicht“.

Tunnel-Schänke in Wolfsburg: Ein Leben für die VW-Arbeiter

Stammgäste in der Tunnel-Schänke: Einen Arbeitsalltag ohne einen Besuch in Brunos Kneipe können sie sich nicht vorstellen. 
Stammgäste in der Tunnel-Schänke: Einen Arbeitsalltag ohne einen Besuch in Brunos Kneipe können sie sich nicht vorstellen.  © regios24 | Darius Simka

Aber die, die kommen sind alles Stammgäste. So wie Andreas Wackowiak: „Das ist ein schöner Anlaufpunkt vor der Arbeit.“ Für ihn steht fest: „Wolfsburg versucht mit Gewalt modern zu werden. Aber Bruno ist nur noch eine der wenigen Kultkneipen.“ Und Volker Jung-Kaczmarek ergänzt: „Die Atmosphäre ist gut. Hier kann man ein gepflegtes Bier trinken nach der Arbeit.“ Bruno weiß um die Wichtigkeit seiner Stätte für die VW-Leute. „Das hier ist eine Arbeiterkneipe“. Zu jedem Einzelnen habe er eine persönliche Beziehung. „Ich kenne viele Geschichten vom Leben meiner Gäste und deren Familien, auch von denen, die auseinandergegangen sind.“ Erholung gebe es für ihn nur, wenn die dreiwöchigen Werksferien anstehen. „Dann mach ich auch zu.“

Bier mit dem damaligen VW-Chef Herbert Diess

Ein Erlebnis in düsteren Pandemie-Zeiten war der Besuch von Herbert Diess im Sommer 2021. „Er hat mir indirekt sehr geholfen“, sagt er. Danach seien einige Zeit wieder mehr Arbeiter vorbeigekommen. Sogar aus der ganzen Welt. Es klingelt wieder. „Ich bin kurz im Kiosk, ja?“ Und schon ist Bruno wieder auf dem Sprung in sein Geschäft nebenan. Wie lange sich das Kaffeekochen und Zeitung verkaufen in Kiosk und Kneipe noch lohnt, weiß er nicht. Hoffnung, dass die Zeiten nach Corona und Kurzarbeit wieder besser werden, hat er nach wie vor. „Sonst hat es keinen Zweck mehr“. Aber vom Aufgeben ist er weit entfernt. Der Pizza-Ofen kommt doch bald.

Bruno Corigliano betreibt am Nordkopf die Tunnel-Schänke, den Kiosk nebenan und bald auch eine Pizzeria.
Bruno Corigliano betreibt am Nordkopf die Tunnel-Schänke, den Kiosk nebenan und bald auch eine Pizzeria. © regios24 | Darius Simka