Wolfsburg. Leipzig baut derzeit bereits den dritten barrierefreien Badesteg. Der Wolfsburger Bauausschuss hat das Thema vertagt. Grund: Die Kosten.

Ein Steg, auf dem auch Menschen, die auf den Rollstuhl angewiesen sind, ins Wasser gelangen können – das soll es künftig am Allersee geben. Das Thema wurde allerdings vom Bauausschuss zunächst vertagt. Grund: die Kosten.

Knapp eine Million Euro, so die Verwaltung in ihrem Entwurfsvorschlag dazu, würde der Bau des Steges beanspruchen. Die Politik hat darum gebeten, einen neuen, kostengünstigeren Entwurf für ein solches Bauwerk vorzulegen.

Im Hintergrund steht die angespannte Haushaltslage. Im Februar hat der Bauausschuss den Badesteg fürs Allersee-Nordufer erneut auf der Agenda.

Wolfsburger Politik will Badesteg – aber Kosten sind ihr zu hoch

Ausschussvorsitzender Kai Kronschnabel, CDU, unterstreicht, dass es über die Notwendigkeit eines barrierefreien Zugangs in den See politischen Konsens gebe. Dies sei in einer die Fraktionen übergreifenden Runde zum Ausdruck gekommen. „Wir sind aber im Spannungsfeld zwischen Spardruck und notwendigen Ausgaben. Es muss ein Kostenrahmen sein, der darstellbar und akzeptabel ist. Der aktuelle Entwurf für den Badesteg ist sehr teuer geworden.“

Man habe die Hoffnung, dass die Verwaltung eine günstigere Lösung vorlegen könne. Im bisherigen Entwurf ist der Steg etwa 75 Meter lang, etwa zweieinhalb Meter breit und hat an den Stellen, wo es Haltebuchten gibt, die doppelte Breite.

Vorbild ist Leipzig, wo derzeit bereits am dritten Steg für einen der dortigen Seen gebaut wird. Der Cospudener See hatte die erste Anlage. Sie wurde vor zwölf Jahren eröffnet. Gunter Jähnig vom Leipziger Behindertenverband freut sich, dass das Angebot von immer mehr Menschen mit Einschränkungen angenommen werde. „Sie kommen teilweise von weiter her, weil sich unser barrierefreier Steg nach und nach herumgesprochen hat. Es wird super angenommen, die Menschen sind glücklich.“

In Leipzig hat die Stadt einen günstigeren Steg finanziert

Der Behindertenverband selbst sei Ideengeber gewesen, finanziert habe den Steg die Stadt. „Wir sind der Stadt sehr zu Dank verpflichtet“, sagt Jähnig, der zudem mit Stolz darauf verweist, dass der inklusive Badesteg 2015 im Rahmen des „Bundespreises für barrierefreie Spiel- und Bewegungsräume“ ausgezeichnet wurde. Und es gebe Spender und Fürsprecher, die ein Herz fürs Projekt gezeigt hätten. So hätten Leipziger Soroptimistinnen einen rostfreien Rollstuhl finanziert. Der Spezialrollstuhl (Kostenpunkt 1500 Euro) ist in einer kleinen Gastronomie am Steg stationiert und kann kostenfrei genutzt werden.

Gut 140.000 Euro habe der Steg seinerzeit gekostet, blickt Jähnig zurück und fügt gleichzeitig an: „Von der Idee bis zur Eröffnung hat es zehn Jahre gedauert. Es braucht Durchhaltewillen. Man muss immer wieder nachhaken und kämpfen.“

Wolfsburgs Behindertenbeirat hofft auf baldigen Baubeginn

Der Leipziger Badesteg ist so angelegt, dass ihn Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe nutzen können. Es ist zudem möglich, dass Menschen, die schwimmen können, ins Wasser gelangen und ebenso Menschen, denen es nicht mehr möglich ist. Es gibt dazu Sicherungen für die Rollstühle und unterschiedliche Haltebuchten.

Wolfsburgs Beirat für Inklusion und Teilhabe (BIT) hofft, dass der Steg am Allersee-Nordufer kommt. Die Vorsitzenden Janine Ehrlich und Yannik Spyra werden dabei nicht müde zu unterstreichen, dass es ein Angebot nicht nur für Rollstuhlfahrer ist, sondern für alle Menschen. „Wir alle wollen doch auch alt werden, da ist es wichtig, dass man weiter teilhaben kann. Und es geht ums Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen und Einschränkungen“, betont Janine Ehrlich.

Yannik Spyra am Allersee-Nordufer, wo ein Badesteg entstehen könnte. Bisher haben Menschen im Rollstuhl in Wolfsburg keine Möglichkeit, im Freibad oder am See ins Wasser zu gelangen.
Yannik Spyra am Allersee-Nordufer, wo ein Badesteg entstehen könnte. Bisher haben Menschen im Rollstuhl in Wolfsburg keine Möglichkeit, im Freibad oder am See ins Wasser zu gelangen. © regios24 | Archiv: Anja Weber

Spatenstich im Rahmen der Special Olympics?

Yannik Spyra, der selbst im Rollstuhl sitzt, erinnert daran, dass es in Wolfsburgs Freibädern und eben auch am Allersee keine Möglichkeit gibt, ins Wasser zu gelangen. Im Badeland wurde jetzt (wir berichteten) ein neuer Schwimmbadlifter angeschafft, mit dessen Hilfe man in alle Schwimmbecken gelangen kann.

Eigentlich hatte man beim BIT gehofft, dass der Badesteg gemeinsam mit den Teilnehmern der Special Olympics im Sommer 2023 eröffnet werden könne. Dies ist allerdings in die Ferne gerückt.

Die Stadt teilt auf Nachfrage mit, dass sich, nachdem der Bauausschuss einen neuen Kostenrahmen erbeten hatte, der Zeitplan nunmehr verschiebe. „Eine aktualisierte Zeitplanung inklusive der geplanten Fertigstellung wird in der zweiten Lesung im Februar vorgestellt. In diesem Zusammenhang werden auch die Fragen der Politik beantwortet.“ Mit der Fertigstellung könne voraussichtlich nicht mehr zu den Special Olympics gerechnet werden, so die Verwaltung. Das sei schade, bedauert Yannik Spyra und fügt an: „Aber vielleicht können wir mit den Teilnehmern der Special Olympics dann den Spatenstich unternehmen. Das wäre doch sehr schön.“

Am Allersee fehlen auch barrierefreie Toiletten

Mit dem Badesteg sollen gleichzeitig barrierefreie Funktionsräume entstehen. Beim Bau des Toiletten- und Duschkomplexes vor wenigen Jahren am Nordufer war keine Barrierefreiheit umgesetzt worden. Muss man als Mensch im Rollstuhl auf die Toilette, kann man bislang nur hoffen, dass der Kolumbianische Pavillon, der eine barrierefreie Toilette hat, geöffnet ist.

Die Stadt möchte sich allerdings so inklusiv und barrierefrei als möglich zeigen, wenn sie sich im Sommer 2023 als dezentraler Host der Special Olympics in Berlin präsentiert. Die Hoffnungen ruhen darauf, dass dies auch den Planungen am Allersee zu Rückenwind verhelfen könnte. Vorbehaltlich der Haushaltslage eben.

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