Wolfsburg. Jeder, der dabei war, wird diesen Teil Wolfsburger Geschichte nicht vergessen: Am 11. Juni 1997 stieg der VfL in die erste Liga auf. Ein Rückblick.

Eine Oberbürgermeisterin, die mit dem VfL-Präsidenten und den grünweißen Helden ausgelassen auf der Bühne tanzt. Kinder, die am Folgetag des Aufstiegs nicht in die Schule, sondern ins Rathaus gehen und Spieler, die sich siegestrunken ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Wolfsburg steht Kopf in diesen Juni-Tagen ‘97. Unter Trainer Willi Reimann ist der Aufstieg in die 1. Fußball-Bundesliga geschafft. Damals noch im alten VfL-Stadion am Elsterweg.

Sogar der Kanzler gratulierte den Wolfsburgern seinerzeit per Telegramm. „Nach spannendem Spiel hat der VfL Wolfsburg mit einem 5:4 Sieg über den FSV Mainz 05 den Aufstieg in die 1. Bundesliga geschafft“, schrieb Helmut Kohl an VfL-Präsident Werner Schlimme. „Dies ist der Lohn für harte Arbeit, zu der ich der Mannschaft, dem Trainer und allen, die zu diesem Erfolg beigetragen haben, sehr herzlich gratuliere“, so der Kanzler.

Gratulanten hatten sich zudem unter anderem vom Minensuchboot „Wolfsburg“ gemeldet. Der Kommandant lud die Kicker zur Ausflugsfahrt nach Helgoland ein. Und die WN selbst wurden auch beglückwünscht. Die Fuldaer Zeitung schickte folgendes Fax: „Alles Gute zum Wolfsburger Bundesliga-Aufstieg. Die WN-Redaktion war ja schon immer erstklassig!“

Wolfsburgs Innenstadt erstrahlte in den Farben grün-weiß

Die schnellste Zeitung der Welt – diesen Ehrentitel verlieh ein Fernsehsender der WN-Sonderausgabe, die noch am Stadion verteilt wurde.
Die schnellste Zeitung der Welt – diesen Ehrentitel verlieh ein Fernsehsender der WN-Sonderausgabe, die noch am Stadion verteilt wurde. © repro WN

Schon am Morgen vor dem entscheidenden Duell gegen Mainz dominierten in der Innenstadt die Farben grün-weiß. Eisdielen, Geschäfte, Gesichter, Mützen, Kappen, Trikots, Schals – alles zeigte sich in den Farben der Wölfe. VfL-Fahnen wurden überall zur Ermutigung vor dem Match am Abend geschwenkt.

Gut eine Stunde vor Anpfiff machte sich eine Polizeieskorte am Bahnhof bereit, die Mainzer Fans in Empfang zu nehmen. Ich auch. Und erlebte als Redakteurin einen der tollsten Abende meines Berufslebens: Der Zug rollt ein und sofort ist Fastnacht-Stimmung auf dem Bahnsteig, in der Unterführung, gefühlt überall. Ein rot-weißes Meer, darin ganz viele Familien, singt und tanzt und lacht sich auf den Weg zum Stadion und rein in den Gästeblock. Ich habe die Aufgabe, aus der Nordkurve zu berichten. „Steh auf, wenn du ein Mainzer bist“, singt das 2000 Seelen zählende rot-weiße Fan-Meer. Der Stadionsprecher verkündet, dass der Innenminister und der VW-Chef zugegen sind. Es geht im Gesang unter.

Mainz geht in Führung, ein Riese neben mir drückt mir einen Riesenschmatzer auf die Wange. „Tschuldigung, aber dass wir so schnell in Führung gehen, hätte ich nicht gedacht.“ „Keine Ursache!“ Konfettiregen. Tanzen, singen, trommeln.

Dann Ausgleich. Totenstille in meiner Kurve. Der Rest des Stadions tobt. „Kämpfen, Maaaiiiinz, kämpfen. Humba-Tätärrräää!“ Die Gästefans ziehen alle Register. 20.000 Mainzer verfolgen daheim das Spiel auf Großleinwänden. Unsere Gäste gehen mit Rückstand in die Pause, noch einmal Gleichstand, der Rest ist bekannt…

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Einige Mainzer sitzen am Ende traurig am Boden, bei manchen kullern Tränen. Ein paar rütteln wütend am Zaun, beschimpfen Ordner. „Hört auf damit“, rufen die hinteren Reihen. Abpfiff. Für Wolfsburg gibt es kein Halten mehr, der Rasen wird gestürmt, Stücke davon, diese und jene Eckfahne werden für die Ewigkeit gesichert. Die Mainzer trotten traurig zum Zug, manche singen aber schon wieder ...

Eingerahmt von Oberbürgermeisterin Ingrid Eckel und Oberstadtdirektor Rolf Schnellecke trägt sich Willi Reimann ins Goldene Buch ein (Archivbild).
Eingerahmt von Oberbürgermeisterin Ingrid Eckel und Oberstadtdirektor Rolf Schnellecke trägt sich Willi Reimann ins Goldene Buch ein (Archivbild). © imago

In der City wird die Nacht zum Tag gemacht. Unsere Zeitung sichert sich den Titel der „schnellsten Zeitung der Welt“. Wir haben in hoffnungsvoller Voraussicht die fertige Aufstiegsbeilage druckfrisch am Stadiontor parat.

Auch am Folgetag steht die VW-Stadt Kopf. Berauscht vom Erfolg (und so manchem Getränk in der Nacht) sehen VfL, Stadt und ungezählte Fans einer goldenen Zukunft entgegen. Und es ist auch der besondere Zauber, der diesen ersten Stunden innewohnt.

Erst später, mit dem Bau des neuen Stadions, der Professionalisierung und auch vorangetriebenen Kommerzialisierung des Fußballs geht davon einiges verloren. Spieler und Geschäftsführung scheinen seither reichlich entrückt. Umso lieber allerdings denkt man an dieses Stück Sport- und Stadtgeschichte zurück, das man selbst miterleben durfte. „Grüüüüün-weiiiiiß-VfL!!!!“