Wolfsburg. Einen Vorschlag aus der jüngsten Ratssitzung weist der Intendant zurück. Worum es geht – und was Dirk Lattemann für das Theater befürchtet.

Unter Kulturleuten ist es ein altbekanntes Leid: Wenn das Finanzsäckel der Kommune nicht so eifrig klimpert, wie erhofft, wird der Rotstift gerne bei der Kultur angesetzt. Diesen Impuls befürchtet Intendant Dirk Lattemann vom Scharoun-Theater nun erneut: Nachdem in der jüngsten Ratssitzung offen überlegt worden war, bei den kulturellen Institutionen in der Stadt, namentlich dem Theater, zu sparen.

In einem Brief an unsere Zeitung schreibt Lattemann: „Der durch [...] Fördermittel ermöglichte, eingeschlagene Weg zur Rückgewinnung von Vertrauen sowie der Beibehalt des Status Quo hinsichtlich qualitativ hochwertiger Programme würde durch eine etwaige Kürzung der Zuschüsse massiv ausgebremst und hätte sukzessive eine Spirale des Vertrauens- und Qualitätsverlustes zur Folge!“

Im Haushalt der Stadt Wolfsburg klafft ein 80-Millionen-Euro-Loch

Was war geschehen? In unserer Ausgabe vom 1. April berichteten wir aus der vorangegangenen Ratssitzung. Darin war der Haushalt besprochen worden, der ein Loch von 80 Millionen Euro aufweist. Groß ist die Sorge, dass das Land die Haushaltsführung der Stadt Wolfsburg an sich ziehen könnte, wenn es so weitergeht. Dann wäre es vorbei mit eigenen Sparvorschlägen aus dem Ratsrund: Dann würden andere entscheiden, wo Wolfsburg künftig spart.

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Umso emsiger wurden also nun eigene Überlegungen laut. Kritik gab es an neu geplanten Stellen im sozialen Bereich, etwa im Frauenhaus oder für Schulpsychologen. CDU-Fraktionsvorsitzender Christoph-Michael Molnar kündigte an, man müsse „harte Einschnitte“ vornehmen. Frank Richter als Sprecher der Gruppe Grüne/FDP/Volt forderte von der Verwaltung, selbst Vorschläge für Kosteneinsparungen vorzunehmen. Einsparmöglichkeiten sehe er unter anderem bei den kulturellen Institutionen. Angesichts des hohen Einkommens der Wolfsburger sei über eine Erhöhung der Ticketpreise nachzudenken.

Intendant lehnt Kürzung von Zuschüssen und Preiserhöhungen ab

Eine Kürzung von Zuschüssen lehnt Lattemann in seinem Brief ebenso ab wie eine Erhöhung der Preise. Durch die Corona-Pandemie habe die Kultur sowieso schon gelitten, schreibt er sinngemäß; es sei schwer genug gewesen, die Menschen in dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit davon zu überzeugen, das Theater nicht zu vergessen.

Dirk Lattemann, Intendant des Scharoun-Theaters Wolfsburg.
Dirk Lattemann, Intendant des Scharoun-Theaters Wolfsburg. © Scharoun-Theater | Tim Dalhoff

Mit höheren Eintrittspreisen und einem durch finanzielle Einbußen reduzierten Programm, deutet Lattemann an, könnten die noch treuen Besucherinnen und Besucher des Theaters nun wiederum verprellt werden. Er schreibt: „In und während einer Krise zeigt sich besonders deutlich die Bedeutung der Kultur als verbindendes Element“. Lattemann zitiert hier den ehemaligen Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit dem Satz „Kultur ist kein Luxus, den wir uns leisten oder nach Belieben streichen können, sondern der geistige Boden, der unsere innere Überlebensfähigkeit sichert.“

Intendant: Eine starke Kultur bedeutet eine gute Lebensqualität

„Nur ein zunehmend stärker frequentiertes Haus aufgrund hochwertiger und vielfältiger Programmangebote trägt zu einer Regenerierung und somit größeren Unabhängigkeit des Scharoun-Theaters bei“, führt Lattemann aus, „nicht zuletzt wirkt sich dieser Effekt, der mindestens ebenso elementar durch die vielen weiteren Wolfsburger Kulturakteure ergänzt wird, letztlich wiederum positiv auf die Lebensqualität in der Stadt Wolfsburg und in der gesamten Region aus!“

Inwieweit der Rotstift am Ende tatsächlich an der Kultur angesetzt werden könnte, ist aktuell vollkommen offen. In der Vergangenheit hatte sich der zuständige Kulturausschuss stets tendenziell bemüht gezeigt, das kulturelle Leben in der Stadt zu bewahren. Zwar wurde der Betrieb der City-Gallery, einem Ausstellungsraum für junge Künstlerinnen und Künstler in der Innenstadt, eingestellt. Die Zuschüsse für Kulturbetriebe blieben aber weitgehend unangetastet.