Wolfsburg. In der Sporthalle in Barnstorf stehen schon die ersten Stockbetten. Auch andere Wolfsburger Vereine rechnen damit, ihre Hallen zu räumen.

Ein Foto von Trennwänden, Planen und Stockbetten unter Basketballkörben postete der SV Barnstorf am Donnerstag auf Facebook. Die zweite Herrenmannschaft hatte zusammen mit Maltesern und Freiwilliger Feuerwehr 40 Stockbetten für ukrainische Flüchtlinge aufgebaut.

Ein Zelt und Container machen unübersehbar, dass die Sporthalle in Barnstorf zur Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge wird.
Ein Zelt und Container machen unübersehbar, dass die Sporthalle in Barnstorf zur Unterkunft für ukrainische Flüchtlinge wird. © regios24 | LARS LANDMANN

Vorstandsmitglied Henning Höwner schildert, dass der Verein am Donnerstagmorgen in der vergangenen Woche von der Stadt Bescheid bekam, dass er die Halle noch am selben Tag räumen müsse. Am Freitagvormittag wurden die letzten Trampoline nach Reislingen geschafft. Dort findet jetzt in eingeschränktem Umfang das Training für Kinder statt, die Parcours-Gruppe wird im kleineren Mehrzweckgebäude üben. „Es ist notdürftig“, sagt Höwner. Volleyball fällt aus, „Fit und mobil“ ebenfalls.

Wie lange die Kommune die Halle benötigt, weiß der SV Barnstorf nicht. „Wir haben auch sonst nichts erfahren“, stellt Höwner fest. Zäune seien ohne Absprache aufgestellt worden. „Es muss alles schnell gehen, ich kann das verstehen. Aber es ist unvorteilhaft für den Verein, der etwas anbieten möchte.“

Erst Trainingsverbot wegen Corona – nun werden Sporthallen Notunterkünfte

Während die Hallen in Barnstorf und in der Dieselstraße schon zweckentfremdet sind, warten andere Vereinsvorsitzende mit unterschiedlichen Gefühlen auf weitere Nachricht von der Stadt. Wie berichtet, hat die Kommune in dieser Woche verschiedene Sportvereine darüber informiert, dass sie ihre Hallen möglicherweise als Notunterkünfte für Kriegsflüchtlinge braucht. Nach den langen Trainingsverboten in der Pandemie löst diese Ankündigung bei manchen Vorständen Panik aus.

Ralf Todtenhöfer gehört zu denjenigen, die Post bekommen haben. Er hat auch schon eine Antwort verfasst. „Ich habe zurückgeschrieben, dass ich absolut nicht einverstanden bin, weil es unseren Verein plattmachen würde“, sagt der Vorsitzende des SV Sandkamp. „Das ist nach zwei Jahren Corona sehr schlecht, zumal wir viele ältere Mitglieder haben.“

SV Sandkamp sorgt sich vor Austritt älterer Mitglieder

Einige Mitglieder der Gymnastikgruppen, die in der Halle sporteln, seien über 80. „Die werden nirgendwo anders hinfahren“, ahnt Todtenhöfer. Die Tischtennissparte hat rund 100 Mitglieder und trainiert viermal wöchentlich für mehrere Stunden in der Halle. Der Vereinsvorsitzende befürchtet, dass viele Mitglieder austreten werden, wenn über längere Zeit kein Sport möglich ist.

Wenn Halle, Duschen und Kabinen zweckentfremdet werden, trifft es laut Todtenhöfer in Sandkamp aber nicht nur die Senioren und nicht nur diejenigen, die drinnen Sport treiben. Die Fußballer, die um den Kreisligaaufstieg kämpfen, könnten zum Beispiel keine Heimspiele ausrichten, weil Umkleiden fehlten. „Das ist eine Katastrophe. Der Sport kommt zum Erliegen“, sagt der Wolfsburger.

Es mangelt an Ausweichmöglichkeiten für die Sportvereine

Todtenhöfer und sein Verein haben nichts dagegen, dass Wolfsburg Flüchtlingen hilft. Er berichtet, dass einige Mitglieder sogar selbst Ukrainer aufgenommen haben. Sein Problem ist, dass er nach einem Gespräch mit dem Sport-Geschäftsbereichsleiter Reiner Brill nicht einmal Ausweichmöglichkeiten sieht.

Die Wolfsburger Hallen seien bereits stark ausgelastet, sagt Todtenhöfer, einige aufgrund von Sanierungsbedarf oder Baumaßnahmen gar nicht nutzbar. Sein Fazit: „Wir haben Verständnis für die ganze Situation, aber nicht dafür, dass unsere Halle genutzt wird.“

Dem SV Brackstedt blieben Extra-Kabinen und der Saal im Sportheim

Etwas entspannter wartet der Vorsitzende des SV Brackstedt auf die Dinge, die auf seinen Verein zukommen könnten. Auch Manfred Rösner hat Post bekommen. Sein Verein hat der Kommune bei einer Begehung zugesagt, dass nicht nur die Halle, sondern auch das Erdgeschoss des Sportheims samt Küche für die Flüchtlingsunterbringung genutzt werden dürfte.

Der SV Brackstedt hat es einfacher: Neben den Duschen und Umkleiden in der Sporthalle gibt es noch Extra-Kabinen, die im Fall der Fälle offenblieben. Die rund 600 Mitglieder könnten im Fall der Fälle fast alle weitertrainieren – entweder draußen oder im Spiegelsaal im Sportheim. Verzichten müssten nur die Tischtennisspieler und eine kleine Volleyball-Gruppe. „Die haben Verständnis dafür, wenn es notwendig ist“, sagt Rösner.

In Notunterkunft in Barnstorf fehlen Betten und Matratzen

Momentan fehlt es allerdings am notwendigen Material, um überhaupt neue Notunterkünfte an den Start zu bringen. Bernhard Lange von den Maltesern berichtet, dass es schon für die Halle in Barnstorf nicht genügend Betten und Matratzen gibt. Bis zu 160 Personen sollen am Ende im Alten Bierweg schlafen, doch wann die Einrichtung eröffnet werden kann, ist momentan unklar. „Wir haben heute eine Liste bekommen, wo wir bestimmtes Material bekommen können“, sagt der Ortsbeauftragte.

Die Flüchtlingsunterkunft im Wolfsburger Gewerbegebiet Heinenkamp wurde für bis zu 400 Menschen erbaut.
Die Flüchtlingsunterkunft im Wolfsburger Gewerbegebiet Heinenkamp wurde für bis zu 400 Menschen erbaut. © regios24 | LARS LANDMANN

Der Sportausschuss-Vorsitzende Robin Scheil und andere Christdemokraten drängen seit Tagen darauf, andere Unterbringungsmöglichkeiten wie Hotels oder die Massenunterkunft im Heinenkamp auszuschöpfen, bevor die Stadt Sporthallen zu Notunterkünften umfunktioniert. „Was die Menschen in der Ukraine erleben, ist natürlich viel dramatischer, als keinen Hallensport machen zu können“, betont Scheil. Doch für Wolfsburger Kinder und Jugendliche sei es auch sehr unschön, auf Sport zu verzichten.

Wolfsburger CDU warnt davor, voreilig Sporthallen umzufunktionieren

Der Wolfsburger warnt davor, dem Sport Schaden zuzufügen für Schlafplätze, die man am Ende vielleicht gar nicht benötigt. Wenn die absolute Notwendigkeit bestehe, da ist er überzeugt, würden viele betroffene Sportler Verständnis zeigen.

Zuletzt kamen nach Auskunft der Stadtverwaltung im Schnitt pro Tag 80 Ukraine-Flüchtlinge in Wolfsburg an.

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