Wolfsburg. Die „unklare Bedrohungslage“ am Freitagabend in der Königsberger Straße stellt sich als Fake heraus. Für den Hinweisgeber könnte es teuer werden.

Am 11. Februar ist Tag des Notrufs. Seit 2008 gibt es die Notrufnummer 112 in allen Ländern der Europäischen Union zum Erreichen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei. Der Gedenktag soll auf die wichtige Arbeit der Einsatzkräfte aufmerksam machen. Doch ausgerechnet an diesem Datum hat sich ein Unbekannter in Wolfsburg offenbar einen Scherz erlaubt, der Polizei und Rettungskräfte am Freitagabend stundenlang in Atem hielt.

Was war passiert? Kurz vor 18 Uhr ging bei der Polizei ein Notruf über die App „Nora“ ein: In einer Wohnung in einem Mehrfamilienhaus in der Königsberger Straße solle eine Familie von mehreren Tätern bedroht werden. Die Polizei ging von einer „unklaren Bedrohungslage“ aus und schickte sofort mehrere Streifenwagen los.

Der Bereich rund um die Wohnung wurde weiträumig abgeriegelt. Teile der Grauhorststraße und der Königsbergerstraße in der Nähe der HEM-Tankstelle wurden gesperrt, der Verkehr umgeleitet. Auch die Berufsfeuerwehr und der Rettungsdienst waren vor Ort. Einsatzkräfte der Polizei waren teils schwer bewaffnet.

Bewohner des Wohnhauses wurden evakuiert

Die Polizei evakuierte auch benachbarte Wohnungen. Auf dem Parkplatz des nahe gelegenen Edekas stand ein Bus der Wolfsburger Verkehrsgesellschaft WVG bereit, um die Bewohnerinnen und Bewohner zu versorgen. Die Polizisten verschafften sich zunächst ein Bild von der Lage vor Ort. Polizeisprecher Thomas Figge sagte am frühen Freitagabend gegenüber unserer Zeitung: „Ob der Inhalt des Notrufs echt ist, überprüfen wir gerade.“

Kurz nach 21.30 Uhr gab die Polizei dann Entwarnung: Die Einsatzkräfte konnten den Mieter der betroffenen Wohnung zwischenzeitlich an seinem Arbeitsplatz ausfindig machen und mit seiner Hilfe die Wohnung betreten. „Die Wohnung war leer“, sagte Melanie aus dem Bruch am späten Freitagabend.

Die mutmaßliche Bedrohung erwies sich im Nachhinein als Fake. „Der Sachverhalt bestätigte sich so nicht. Wir ermitteln jetzt wegen Vortäuschens einer Straftat“, erklärte aus dem Bruch und betonte: „Heute ist Tag des Notrufs. Ob der Vorfall damit zusammenhängt, ist unklar. Sowas ist aber nicht ansatzweise witzig.“

Bereits während des Einsatzes habe es Anhaltspunkte gegeben, dass der Hinweis möglicherweise falsch ist. Zwischenzeitlich hatte der ursprüngliche Mitteiler über die Notruf-App gemeldet, dass es sich um einen Fake handele. „Wir mussten das aber natürlich verifizieren, um jede Gefährdung auszuschließen“, sagte aus dem Bruch.

Polizei hat die Ermittlungen aufgenommen

Nun sucht die Polizei nach dem Hinweisgeber. Am Sonntagnachmittag gab es hierzu aber keine neuen Erkenntnisse. „Das hat nichts mit einem Dummejungenstreich zu tun“, betonte aus dem Bruch. „Das löst Ängste aus – auch bei den Anwohner. Die haben natürlich auch Sorgen, das etwas passiert.“

Das sieht auch Sabah Enversen, Ortsbürgermeister von Mitte-West, so: „Das ist kein Kavaliersdelikt. Es ist ein schweres Vergehen und kein Witz.“ Das Ratsmitglied zeigte sich am Samstag über den Vorfall entsetzt. „Dass die Polizei so schnell reagiert hat und die Systeme offenbar funktionieren, ist auf der anderen Seite beruhigend. Wir sind froh, dass nichts passiert ist“, sagte er in einem Telefonat.

Die Polizei hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs von Notrufeinrichtungen und Vortäuschens einer Straftat gegen den unbekannten Verursacher eingeleitet. Wird der oder diejenige geschnappt, könnte es teuer werden: „Im Fall einer Verurteilung wird der Verursacher neben den Gerichtskosten auch die Kosten für den Einsatz tragen“, teilte die Polizei mit.

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Spekulationen in den sozialen Medien

Am Einsatz versammelten sich am Freitagabend viele Schaulustige. Über die Hintergründe des Vorfalls wurde in den sozialen Medien wild spekuliert. Ein Facebook-Nutzer teilte am Abend ein öffentliches Handy-Video über sein Profil, das mehrere Polizisten beim Einsatz nahe der Tankstelle zeigte. SEK war aber, wie spekuliert, nicht vor Ort. „Es wurde auch nicht geschossen“, betonte Figge.

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