Wolfsburg. Jury vergibt 1. Preis an Hoskins Architects und guba+sgard Landschaftsarchitekten mit Ralph Appelbaum aus Berlin.

Der Gewinnerentwurf für den im Februar europaweit ausgelobten interdisziplinären Realisierungswettbewerb steht fest. Am vergangenen Donnerstag tagte die 11-köpfige Jury unter Vorsitz der Berliner Architektin Professorin Hilde Léon und vergab jeweils einen ersten, zweiten und dritten Preis sowie zwei Anerkennungen, wie die Stadt Wolfsburg mitteilt.

2017: Entdeckung der Fundamente der Gefangenenbaracke 4 des KZ-Außenlagers

Dem Planungswettbewerb vorangegangen war im Frühjahr 2017 die Entdeckung der Fundamente der ehemaligen Gefangenenbaracke 4 des KZ-Außenlagers Neuengamme auf dem Laagberg. Daraufhin beauftragte der Rat das Institut für Zeitgeschichte und Stadtpräsentation mit der Konzeptionierung eines Gedenk- und Lernortes. Es folgte ein breit angelegter Informations- und Beteiligungsprozess, der Grundlage für die Aufgabenstellung im Planungswettbewerb war.

„Hiermit schaffen wir Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit“

Oberbürgermeister Klaus Mohrs hebt die Bedeutung des Projektes in der Aufarbeitung der NS-Geschichte der Stadt hervor: „Hiermit schaffen wir Raum für eine intensive Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und fördern den demokratischen Aufarbeitungsprozess für die Zukunft. Der neu zu gestaltende Ort richtet sich an unterschiedliche Zielgruppen und Generationen. Interessierte Bürger haben mit mehr als 300 Kommentaren zu den einzelnen Entwürfen im Rahmen der Beteiligung bereits einen wichtigen Beitrag geleistet.“

Aus ganz Europa bewarben sich 42 Teams um die Teilnahme am Wettbewerb

Im November 2019 hatte der Rat der Stadt Wolfsburg die Verwaltung beauftragt, einen Planungswettbewerb für einen Gedenk- und Lernort für das KZ-Außenlager am Laagberg für Teams aus Architekten und Landschaftsarchitekten zusammen mit Ausstellungsgestaltern durchzuführen. Aus ganz Europa bewarben sich 42 Teams um die Teilnahme am Wettbewerb, 15 wurden schließlich im April ausgewählt und entwickelten von da an Ideen für einen überregional bedeutsamen Ort demokratischer Bildung am Laagberg.

100 Bürger haben sich mit den Entwürfen auseinandergesetzt

Das üblicherweise vor Ort unter Anwesenheit der Jury und allen Bearbeitern stattfindende Rückfragenkolloquium und die Ortsbegehung konnten wegen des Lockdowns und der Corona-Beschränkungen nicht wie gewohnt stattfinden. Erster Stadtrat und Kulturdezernent Dennis Weilmann äußert sich zufrieden mit dem Projektverlauf: „Ich freue mich sehr, dass wir den Planungswettbewerb trotz Corona-Einschränkungen im vorgesehenen Zeitplan abwickeln konnten. Etwa 100 Bürger haben sich mit den Entwürfen im Rathaus auseinandergesetzt und diese kommentiert.“ Auch mit dem Siegerentwurf zeigte er sich zufrieden: „Ich bin überzeugt, dass der Entwurf die Besonderheit dieses geschichtsträchtigen Ortes würdigt und sich sehr gut in die Umgebung einfügt.“

1. Preis ist mit 22.000 Euro dotiert

Der nun von der Jury vergebene 1. Preis, der mit 22.000 Euro dotiert ist, geht an Hoskins Architects Ltd. und guba+sgard Landschaftsarchitekten mit dem Ausstellungsgestalter Ralph Appelbaum Associates Inc. Das Berliner Planungsteam möchte am Laagberg einen würdigen Gedenkort und zugleich einen Ort der Kommunikation entstehen lassen. Der Ansatz ist es, am Rand zu bleiben und eine betrachtende Position einzunehmen. Die Ambivalenzen zwischen Stille und Lebendigkeit (Wald und Wohngebiet), Verarbeiten und Vergessen, Fremdbestimmung und Eigenverantwortlichkeit bestimmen den Entwurf.

Regal der Erinnerungen erzählt die Geschichten der Häftlinge

Zwischen Supermarkt und Tankstelle positionieren die Verfasser den neuen Gedenk- und Lernort als „Stolperstein“ und Zeichen seiner Zeit. Am Ort, wo einst der elektrische Zaun das Lager begrenzte, erzählt das Regal der Erinnerungen die Geschichten der Häftlinge. Zwischen den Gebäudeteilen für Ausstellung und Seminarbereich verläuft ein Steg, der sich entlang der ehemaligen Waldkante fortsetzt und damit die Dimension des einstigen Lagers über eine Quer- und eine Längsachse erfahrbar macht. Der Längssteg, der im Wald parallel zum historischen Lager verläuft, wird gegliedert durch Plattformen, deren Breite denen der ehemaligen Baracken entspricht. Vom Wald führt ein Fußgängerüberweg zum historischen Ort, an dem die Fundamentreste der Gefangenbaracke 4 geborgen wurden. Stadtbaurat Kai-Uwe Hirschheide ist sehr zufrieden mit dem Entwurf: „Die Jury war vor allem von der interdisziplinären Gesamtleistung beeindruckt. Gebäude, Landschaft und Ausstellung wurden bei diesem Entwurf als qualitatives Ganzes gedacht. Der Innen- und der Außenraum verbinden sich im Rundgang. Darüber hinaus ist ein großer Teil der Ausstellung unabhängig von den Öffnungszeiten zugänglich.“

Die Kommentare der Bürger und die Entwürfe werden in den kommenden Wochen auf der Internetseite der Stadt Wolfsburg einsehbar sein. Parallel werden die Entwürfe der Preisträger und der Anerkennungen sowie das Modell im Schaufenster des Alvar-Aalto-Kulturhauses ausgestellt.