Wolfsburg. So zukunftssicher wie jetzt waren die Grizzlys noch nie aufgestellt. Doch es kriselt.

Ein Jahrzehnt lang verfolgte die Grizzlys trotz großer sportlicher Erfolge die Existenzangst. Immer wieder schwebte der drohende Rückzug des Hauptsponsors Volkswagen (zuvor Skoda) wie ein Damoklesschwert über dem Wolfsburger Eishockey-Erstligisten. Ausgerechnet zu einem Zeitpunkt, zu dem der Klub endlich mal eine finanzielle Sicherheit auf Sicht genießt, stürzt er in die sportliche Krise und entlässt erstmals seit dem DEL-Wiederaufstieg den Trainer.

13 Spieltage durfte der Finne Pekka Tirkkonen sein Glück versuchen. Nach nur neun Punkten aus dem ersten Hauptrunden-Viertel zog Manager Charly Fliegauf die Reißleine. Der stoische und introvertierte Trainer-Neuzugang war der Aufgabe, aus dem Schatten seines erfolgreichen Vorgängers Pavel Gross herauszutreten und den großen Umbau des Kaders zu bewältigen, nicht gewachsen gewesen. Ein Fehlgriff, der die Wolfsburger in dieser Saison die Play-off-Teilnahme kosten könnte.

Damit müssten die Grizzlys auch ihren Slogan begraben „Play-offs since 2009“. Als einziges DEL-Team standen sie seit dem Jahr immer in der Runde der letzten Acht und wurden dreimal (2011, 2016 und 2017) Vizemeister – unter Gross.

Der brandneue Mann an der Bande heißt nun Hans Kossmann. Oder Häns Kossmään, wie er in seinem Geburtsland Kanada ausgesprochen wird. Der Mann mit den Schweizer Wurzeln und der doppelten Staatsbürgerschaft ist bekannt und berüchtigt für seine direkte und schonungslose Ansprache ans Team. In der Öffentlichkeit nimmt er sich aber auch schon mal zurück.

Mit ihm soll die Wende gelingen. „Wir haben auch noch in dieser Saison Ziele“, hebt Fliegauf hervor. Der Manager hat die Play-off-Teilnahme noch nicht abgeschrieben. Der mächtige, von Hauptsponsor VW dominierte Aufsichtsrat sieht es offenbar genauso und ermöglichte den finanziell kostspieligen Trainerwechsel.

Doch der mit dem Dienstantritt von Fliegauf im Frühjahr 2007 zusammenfallende Aufstieg in die Spitze des deutschen Eishockeys und die Etablierung als Topklub dort über mehr als zehn Jahre entschuldigt auch mal eine Schwächephase. Zumal: Die Schere zu den finanziell potentesten Klubs der DEL wie München (Etat 13,5 Millionen Euro), Mannheim (13,0), Köln, Berlin (beide 11,5), Düsseldorf (10,5), und Ingolstadt (10,1) geht immer weiter auseinander. Die Grizzlys (7,5) führen nur die zweite Hälfte der Etat-Tabelle an.

Den finanziellen Nachteil glichen die Verantwortlichen in der Vergangenheit durch harte Arbeit und clevere Lösungen aus. Außerdem überzeugen weiche Faktoren wie gutes Klima im Verein, familiäre Atmosphäre und verlässliches Handeln viele Profis von einem Wechsel nach Niedersachsen, obwohl sie anderswo ein bisschen mehr verdienen könnten.

Beim Thema verdienen tut sich die kleine, aber immerhin im Vergleich zu früheren Jahren etwas vergrößerte Marketingabteilung um deren Leiter Simon Drühmel immer noch schwer. Immerhin zeigen sich erste Erfolge. Die Erlöse aus Sponsoren-Akquise und Ticketverkauf stiegen zuletzt. Der Zuschauerschnitt erhöhte sich 2017/18 auf 2753. Das ist immer noch der kleinste Wert ligaweit. Aber der Trend ging zuletzt nach oben, und erstmals seit dem Umbau liegt die Zahl über dem Fassungsvermögen des alten Eispalasts (2700).

Doch um die Eis-Arena mit ihrer Kapazität von 4503 Plätzen weiter zu füllen, muss es auch sportlich laufen. Eine lange Durststrecke – und das mühsam aufgebaute Standing in Deutschland, Wolfsburg und beim überlebenswichtigen Hauptsponsor könnte bröckeln. Im Eishockey steht Sicherheit schnell wieder auf tönernen Füßen.