Wolfsburg. Stefanie Laab und ihre Initiative „Rettet das Huhn“ vermitteln zum Schlachten gedachte Hennen an interessierte Tierfreunde.

Agatha ist eher schüchtern, Carölchen zerstreut. Dorchen ist zickig, Emmi quasselig, Gitte divenhaft. Riekchen ist die pfiffigste, mit Kämpferherz – im Garten von Pastorin Jeannette Querfurth in Süstedt bei Bremen tummelt sich eine kleine Schar quicklebendiger Hühner mit prächtigen Federn und straff-roten Kämmen, die jetzt nur wegen der großen Sommerhitze gelegentlich etwas durchhängen. Sie picken und scharren, was der Boden hergibt. Dass es so weit kommen konnte, war eigentlich gar nicht vorgesehen. Nur mit großem Hühnerglück sind sie dem Schlachthof entronnen.

In ihrem ersten Leben standen die auf Massenproduktion hoch gezüchteten Tiere in einer Legebatterie und hatten eine einzige Aufgabe: so viele Eier wie nur irgend möglich legen. Dank der Arbeit der Organisation „Rettet das Huhn“ und ihrer Vorsitzenden, der Wolfsburgerin Stefanie Laab, genießen sie nun ein zweites Leben. „Der Verein übernimmt Hühner, die in kommerziellen Legehennenbetrieben keine Zukunft haben und gibt sie an Menschen weiter, die ihnen den Tod im Schlachthof ersparen wollen“, erläutert Laab.

Beste Bedingungen für die Tiere

Genügend Auslauf, ein Sandbad, ein sicheres Haus mit Nestern, die der Fuchs nicht räubern kann. Und in der Voliere Büsche wie Hasel und eine Ligusterhecke, die Schatten spenden und bei Bedarf Zuflucht bieten: Das neue Zuhause von Riekchen und Co sieht aus wie ein Hühnerparadies. Eigentlich sind die Tiere Waldbewohner und scharren gerne, was sie hier nach Herzenslust tun können.

Allerdings ist ihre Lebenserwartung auch in diesem Paradies wohl nicht so hoch. „Ursprünglichere und weniger hoch gezüchtete Hühner können zehn Jahre alt werden“, sagt Stefanie Laab. Doch Massentierhaltung und Eier-Produktion im Akkord zehren an den Vögeln. „Sie haben vielleicht noch zwei, drei Jahre vor sich“, schätzt die Hühnerretterin.

Nach einem Jahr in der Massentierhaltung lässt die Legeleistung der Hennen nach. Dann sind sie für die meisten Unternehmen nicht mehr rentabel. „Sie werden dann durch neue Tiere ersetzt, in den Schlachthof gebracht und grausam getötet – in Deutschland jährlich knapp 52 Millionen“, sagt Laab. „Rund 10 000 können wir retten“, ergänzt die Tierschützerin aus Wolfsburg. Ein Tropfen auf den heißen Stein? „Ein Leben in Geborgenheit, ohne Angst – da zählt jeder Tag, jedes Huhn“, entgegnet die 45-Jährige.

Hühnerpaten gesucht

Die Vögel werden ausgestallt und über Ansprechpartner an Interessierte vermittelt, die eine artgerechte Unterbringung nachweisen können. Bisher ist das so mit rund 57 000 Hühnern geschehen, die bundesweit bei geschätzt gut 9000 Rettern untergekommen sind.

Die Hennen werden aber keineswegs in Nacht-und-Nebel-Aktionen aus den Anlagen entführt. Der Verein „Rettet das Huhn“ kooperiert mit Betrieben, derzeit mit Unternehmen in Niedersachsen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Bayern. Mal sind es Batterien mit Boden- und Freilandhaltung, mal auch Biobetriebe. Im Herbst steht die nächste Rettungsaktion an. Dann sollen 4500 Hühner übernommen werden. Geld wird dafür nicht gezahlt. Die Suchaktion für Adoptanten, wie die Hühnerretter auch heißen, ist bereits angelaufen. epd