Wolfenbüttel. Auf dem Hauptfriedhof in Wolfenbüttel kamen wieder Menschen zusammen, um an verstorbene Kinder zu denken. Worte eines Vaters berührten.

Ein Samstagnachmittag im Dezember auf dem Hauptfriedhof an der Lindener Straße. Posaunenklänge sind im Hintergrund zu hören. Eine Gruppe von etwa 30 Menschen geht in Richtung der feierlichen Musik. Alle Altersgruppen sind vertreten: Kinder, junge Paare, Familien – auch alte Menschen sind darunter. Viele tragen ein Licht in der Hand, einige eine weiße Rose. Das gemeinsame Ziel sind die Kindergräber und die Stele für die Kinder, die es mit weniger als 500 Gramm nicht in diese Welt geschafft haben. Hospizverein, Krankenhausseelsorge und Klinikum haben zum „Weg des Gedenkens“ eingeladen. An jeder Station wird ein besinnlicher Text gelesen – haben die Familien Zeit zum Innehalten: sie legen Blumen ab, stellen ein Licht auf, nehmen einander in die Arme… Hier, so schreibt der Hospizverein in seinem Bericht, ist der Ort ihrer ganz persönlichen Trauer.

Vorausgegangen ist ein feierliches Gedenken in der Martinskapelle. Hier stehen die verstorbenen Kinder ganz im Mittelpunkt – kürzlich verstorbene und auch die, an die heute wieder neu erinnert wird. Die Friedhofsverwaltung hat auf dem Boden eine Spirale aus grünen Zweigen und kleinen roten Leuchten gestaltet. Brigitte Kropf vom Klinikum legt weiße Rosen dazu. Am Eingang werden die Besucher freundlich begrüßt. Für sein verstorbenes Kind bekommt – wer möchte – einen großen goldfarbenen Papierstern. Wer mag, kann dann den Namen seines Kindes auf den Stern schreiben. Einzeln oder zu zweit gehen sie nach vorn, stecken ihren Stern zu einer Leuchte und entzünden das Licht für das Kind ihres Gedenkens. Ein schönes Ritual, von dem viele Gebrauch machen. Am Ende „erstrahlen“ zwölf goldene Namenssterne im Raum der Kapelle – immer wieder ziehen sie die Blicke auf sich.

Dankbarkeit trotz der Trauer und des Leids

Im Verlauf der Feier wird an jedes Kind mit seinem Namen erinnert: „Wir denken mit Liebe an…“ Zum Schluss wird die große Kerze in der Mitte der Girlande angezündet: „Wir denken mit Liebe an all unsere verstorbenen Kinder – auch an die, deren Namen heute ungenannt blieben und die wir doch im Herzen mit uns tragen.“

Wie tief Eltern mit ihren verstorbenen Kindern verbunden sind, zeigen eindrucksvoll die Gedanken eines Vaters aus einem Nachbarort – vorgetragen von Krankenhaus-Seelsorger Lennart Kruse. Vor inzwischen mehr als vier Jahren hat er Abschied von seinen Zwillingen nehmen müssen. Die Trauer bleibt – bei ihm und seiner Frau – und wie vermutlich auch bei allen anderen, unabhängig davon, wie lange es her ist, unabhängig davon, wie alt ein Kind geworden ist, ob es vor oder bei der Geburt, kurz nach der Geburt oder Jahre später gestorben ist. Wie tröstlich sind da die Schlussgedanken dieses verwaisten Vaters: „Obwohl wir als eure Eltern zusammen so viel ertragen mussten und immer noch müssen, bin ich trotzdem dankbar, dass ihr in unser Leben gekommen seid. Ich bin dankbar, dass ich euer Papa sein durfte.“ In diesem Text finden sich auch andere der anwesenden verwaisten Eltern wieder. Bei leisen Gitarrenklängen von Markus Galonska können sie dem Gehörten eine Weile nachspüren.

Verbundenheit mit den Sternenkindern

Wie schon seit Jahren wird die Feier musikalisch getragen durch einfühlsame Klänge der A-cappella-Gruppe um Axel Becker. In den Menschen, die hinaus in die Abendstille gehen, klingen sie noch ein Stück des Weges nach, hin zu den Kindergräbern und zur Stele für die ungeborenen Kinder. Wer mag, kann hier Seifenblasen in den dämmrigen Himmel schicken – als Gruß der gedanklichen Verbundenheit mit den Sternenkindern.

An der großen Statue des segnenden Christus findet der Weg des gemeinschaftlichen Gedenkens an die verstorbenen Kinder seinen Abschluss. Gemeinsam wird ein Lied gesungen und gebetet. Mit Applaus wird der Posaunenchor unter der Leitung von Siegfried Markowis verabschiedet, der dem Aufenthalt auf dem Friedhof einen festlichen Rahmen – von Station zu Station – gegeben hat. Die einen gehen heim – zurück in den Alltag. Die anderen kehren zur Kapelle zurück. Bei heißen Getränken erzählen sie, tauschen sich aus. Leid und Schmerz der verwaisten Eltern sind heute nicht abgefallen. Von diesem Nachmittag nehmen sie aber die Gewissheit mit, dass es auf ihrem Weg Beistand und Begleiter gibt.