Wolfenbüttel. Ein Projektchor mit dem preisgekrönten Chorleiter Yuval Weinberg hat ein Konzert in Wolfenbüttel gegeben.

Mendelssohns Psalm 22, Dietrich Buxtehudes Klagelied oder Bach’s Motette „Jesu meine Freude“ sind bekannte musikalische Dramen und Hoffnungssätze, die bleiben nicht im Gehör stecken, die schrauben sich ein, ganz tief in Herz und Bauch. Über Generationen und auch jetzt wieder. Ein Projektchor, bestehend aus Chorleitenden aus Deutschland, hatte Tage in Wolfenbüttel genutzt, um in der Bundesakademie zu proben und das A-capella-Ergebnis dann in der Trinitatiskirche vorzustellen.

Dieses erstklassige Werkstatt-Konzert leitete Yuval Weinberg, preisgekrönter Chordirigent aus Israel und seit 2020 Chefdirigent des SWR Vokalensemble Stuttgart. Dazu die Werke von Komponisten der Gegenwart. „Ne’ila“, etwa, ein Satz des israelischen Komponisten Eran Dinur (geb. 1966), eine Vertonung des Schlussgebetes der Liturgie zum jüdischen Yom-Kippur-Fest. In dieser Komposition greift das oft gefühlte Gänsehaut-Momentum: Ein Aufbrechen und Anschwellen von Stimmen, wie auf einem Marktplatz, und ihr behutsames Verklingen.

Die 1978 geborene slowenische Komponistin Tadeja Vulc stellt der Projektchor mit ihrer Komposition „O Sapienta“ vor. Elementare Klänge, Urtöne der Musik, Laute von Schöpfung begleiten die vokale Impression. Das Befreiende des Hauchens, das trotzige Aufstampfen. Diametral entgegengesetzt und gleichzeitig dazugehörend die geistliche Motette von Johann Sebastian Bach „Jesu meine Freude“ aus der Zeit um 1725. Es ist die pure Hinwendung zum Göttlichen in Jesus Christus, so wie sie religiöse Malerei des Mittelalters bebildert.

Auch Orgelwerke waren zu hören

Und dann Mendlssohns Psalm 22. Dieser menschliche Urschrei aus der Situation des Im-Stich-Gelassen-Seins „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, diese Basis des Zweifelns und ihrer Blüten des Verzweifelns. Mendelssohn macht keine Drama daraus, nahezu analytisch und pathosfrei setzt er diese Emotion frei und erzielt dadurch tiefstes Mitgefühl.

Projektleiter Yuval Weinberg hat die klassischen Sätze und die der Gegenwart nicht nebeneinander gestellt, sondern sie in eine emotionalen Verbindung gebracht. Das einfühlsame Dirigat von Yuval Weinberg besticht nicht nur durch seine Augenhöhe zum Projektchor, sondern in seiner Obsession des Ausklingenlassens, des Nachhallens. Der Chor selbst beeindruckt durch seine intensiven Stimmen.

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Dieses Konzert, ein chormusikalisches Spitzenkonzert für Wolfenbüttel, wurde zusätzlich noch durch Orgelwerke ergänzt. Gerd-Peter Münden beeindruckte mit eigenen Orgelimprovisationen und der Toccata und Fuge d-Moll von Johann Sebastian Bach.

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