Wolfenbüttel. Dieter Kertscher vermittelt anderen mit Leidenschaft sein Wissen über die Residenzstadt Wolfenbüttel. Auch als Basketballer spielte er groß auf.

Er ist Chronist der Stadt, ein Geschichte-Erzähler, ein launiger Vorträger. Er ist Stadtführer, Buchautor, Festungsforscher und – so sagt er - „fasziniert von der Kartografie“. Dieter Kertscher braucht keine Vorlagen, Manuskripte oder Notizen, um über die Geschichte der Residenzstadt Wolfenbüttel zu erzählen. Es ist auch diese launige Art, mit der der 73-Jährige seine Zuhörer begeistert.

Das klingt fast paradox, denn der humorige und vielseitige Ehrenamtliche, der sich so vorbildlich für Wolfenbüttel einsetzt und interessiert, hatte in seiner beruflichen Laufbahn eher mit einer trockenen, mitunter schwer verständlichen Materie zu tun. 36 Jahre lang stand der Diplom-Ingenieur aus Wolfenbüttel an der Spitze niedersächsischer Behörden und Katasterämter, zuletzt als Leiter der Regionaldirektion Braunschweig des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung (LGLN). Darüber hinaus machte sich Kertscher einen guten Ruf als nationaler und internationaler Immobilien-Wertermittler.

Seit 2011 ist Kertscher im Ruhestand. Und der gebürtige Sachse ist ein rastloser Ruheständler. Er ist gefragt als Ratgeber, als Referent, als Experte, als einer der vorangeht. „Immer wenn ich irgendwo hingehe, sagt meine Frau: 'Komm' bloß nicht mit neuen Aufgaben zurück'“, erzählt der 73-Jährige, der ab Anfang der 1960er Jahre Wolfenbüttels Ruf als Basketball-Hochburg als Bundesliga-Spieler und später als Manager mitgeprägt hat.

Vom Basketball ließ Kertscher irgendwann los - „aus beruflichen Gründen“, sagt er. Es zog ihn nach Nienburg und Göttingen. Das war wohl auch gut so, sagt Kertscher rückblickend. „Sonst wäre ich von diesem Sport wohl nie losgekommen.“

Nie losgekommen ist Kertscher auch von der über 900-jährigen Geschichte Wolfenbüttels. Vieles hat er sich angelesen, vieles erzählen aber auch jene teils historischen Karten, mit denen er jahrzehntelang beruflich zu tun hatte.

Heute ist der Wolfenbütteler ein wandelndes Lexikon, die Geschichte und die Geschichten der Stadt scheinen in seinem Kopf abgespeichert. Kertscher behält sein Wissen indes nicht für sich. Mehrere Tausend Vorträge, Referate und Stadtführungen kamen in den vergangenen Jahren zusammen.

Seit zehn Jahren ist der frühere Chef des Wolfenbütteler Katasteramtes zudem Vorsitzender der Aktionsgemeinschaft Altstadt. Er organisierte mehrfach „Vier-Schanzen-Tourneen“ rund um Wolfenbüttel zu einstigen Feldschanzen aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die die welfische Residenzfestung ringförmig umgeben haben.

Kertscher schrieb sein Wissen über die Festungen, Kasematten, Denkmäler und die Geschichte Wolfenbüttels als Gärtnerstadt mehrfach nieder, zum Beispiel als Autor für das Buch „900 Jahre Wolfenbüttel“ oder für das Druckwerk unserer Zeitung über die Geschichte der Residenzstadt.

Die Leidenschaft, anderen die Geschichte seiner Heimatstadt zu vermitteln, wird bleiben. „Und doch haben sich die Gewichte verschoben. Die Familie hat heute Vorrang“, sagt der zweifache Großvater. Dich eins, so Kertscher, werde auch bleiben: „Ich kann schlecht Nein sagen.“ Das Angebot, einen Lehrauftrag zur Immobilien-Wertermittlung an der Hafencity-Universität in Hamburg zu übernehmen, konnte er einfach nicht ablehnen. Immer freitags reise er dafür im Wintersemester mit dem Zug in die Hansestadt. „Ich werbe halt gerne für die technischen Ingenieurberufe.“