Wolfenbüttel. Ein Zufallsfund sei es gewesen, sagt Jürgen Kumlehn. In den 80er Jahren habe er ein Buch entdeckt, das ihn nicht mehr losgelassen habe.

Der Titel: „Die Fahne der Witwe Grasbach“. Es war Ausgangspunkt für seine Nachforschungen über das Schicksal jüdischer Mitbürger in Wolfenbüttel. Ein bemerkenswertes Buch. Geschrieben hat es der Wolfenbütteler Werner Ilberg (1896 bis 1978). Jetzt wurde es in einer öffentlichen Lesung der Blick-Wechsel-Reihe, veranstaltet von der evangelischen Erwachsenenbildung, in der Stadtbibliothek vorgestellt.

Ilberg, selbst Jude, hat seine Erfahrungen als Nazi-Verfolgter mit seinem analytischen Gespür für politische Schicksalszeiten romanhaft verknüpft. Es sei ein Schlüsselroman, sagt Kristlieb Adloff, der die einzelnen Kapitel moderierend verbindet. Für Kenner der Wolfenbütteler Verhältnisse leicht zu durchschauen. Im Mittelpunkt steht die Familie des wohlhabenden jüdischen Kaufmanns Ivan Esberg, im Roman Lewald genannt. Es sind Wendezeiten. Bei der Reichstagswahl am 14. September 1930 sind die Nazis nach der SPD und vor den Kommunisten die zweitstärkste politische Kraft geworden.