Wolfenbüttel. . Bürger im Landkreis organisieren sich, um mehr Mobilität zu schaffen und leichter ins nächste Dorf zu gelangen.

Auf dem Land leben und ohne eigenes Auto mobil bleiben – dafür entwickeln Menschen im Kreis Wolfenbüttel Modelle. Einwohner aus 15 Dörfern in drei Regionen des Kreises organisieren sich, um Mitfahrsysteme zu schaffen. Unter Federführung des Roten Kreuzes ist außerdem das Sozio-Med-Mobil entstanden, ein Fahrdienst, der Menschen bei Bedarf zu Ärzten und anderen Gesundheitsdienstleistern transportiert.

In 15 Dörfern im Landkreis arbeiten Bürger selbst daran, auch ohne eigenes Auto mobil zu sein. Das Projekt autonome Dorfmobilität (Auno Domo) entsteht in Zusammenarbeit mit dem Landkreis unter der Regie der Braunschweiger Firma Merkwatt in Cramme und Leinde, am Elmrand und in Burgdorf in der Samtgemeinde Baddeckenstedt. Zwei Nachbarschaftsfahrdienste sind bereits entstanden. Bürger haben sich außerdem zusammengeschlossen, um ihre Autos gemeinsam zu nutzen. Zudem soll es mit Hilfe von Mitfahrerbänken und einer App für Smartphones und Tablet-Rechner leichter werden, in Nachbardörfer zu gelangen.

„Wir haben ein ausgefeiltes Konzept für die sieben Dörfer der Gemeinden Evessen, Erkerode und Sickte entwickelt“, sagt Merkwatt-Geschäftsführer Michael Fuder. Die Samtgemeinde habe beschlossen, dass in allen Orten Mitfahrerbänke aufgestellt werden.

Diese Bänke sind ein zentrales Element des Konzeptes, das Fuders Team gemeinsam mit Bürgern erarbeitete. Aber sie sind nur ein Teil von mehreren. Entstanden ist ein ganzes Mobilitäts-System. „Bänke aufzustellen allein hilft nicht“, betont Fuder.

Die Bänke sollten einheitlich gestaltet werden. Außerdem sollte an jeder von ihnen ein Richtungsweiser angebracht sein. Hinzu komme eine Mobilitäts-App. Mit deren Hilfe sollen Autofahrer aus der Gemeinde und Menschen, die eine Mitfahrgelegenheit suchen, per Smartphone miteinander kommunizieren. „Für jede Bank gibt es definierte Ziele und die liegen immer im Nachbarort“, erklärt Fuder. Dadurch liege die Erfolgswahrscheinlichkeit, dass ein Autofahrer, der vorbeikomme, das angestrebte Ziel auch ansteuere, sehr hoch. „Wenn man beispielsweise Braunschweig als Ziel angibt, funktioniert das nicht“, sagt Fuder. Das Ziel sei zu weit entfernt. Gleichzeitig achte man darauf, dass man nicht mit den Bussen konkurriere. Der Merkwatt-Chef betont: „Wir wollen den ÖPNV ergänzen und ihm keine Kunden abwerben.“

Auch das Thema Sicherheit spiele eine wichtige Rolle. Die Teilnehmer des Mitfahr-Systems könnten sich registrieren lassen. Jeder bekomme dann eine Nummer. Diese solle von Autofahrern auf einem neonfarbenen Schild gut sichtbar im Auto platziert werden. „Wer dann mitgenommen wird, kann Bekannten oder Eltern per Smartphone mitteilen, bei wem er ins Auto gestiegen ist.“ Mit der Karte könne man umgekehrt auch von der Mitfahrerbank aus winken. Ein Autofahrer, der anhalte, um einen Fahrgast mitzunehmen, könne dann ebenfalls mitteilen, wer bei ihm ins Auto gestiegen sei.

„Dadurch ist die Anonymität weg. Und die ist bei Mitfahrsystemen ein großes Problem“, meint Fuder. Und er blickt noch weiter voraus: „Eventuell kann man das Projekt auf die gesamte Samtgemeinde ausweiten.“

Mehr Mobilität wünschen sich auch die Einwohner in Cramme und Leinde. Eine Gruppe von acht Bürgern setzt sich dort dafür ein, dass die Mitbürger bald schneller in die Nachbarorte gelangen. Sie bauen ebenfalls ein Mitfahrsystem auf. Die Lösung des Problems soll hier aus drei verschiedenen Elementen bestehen. Es soll eine App geben, Mitfahrerbänke und einen ehrenamtlichen Fahrerpool.

Über die App könne man kommunizieren, aber auch Fahrpläne für Busse oder die Bahn abrufen. Zudem soll ein System von Mitfahrerbänken Leinde und Cramme besser mit Nachbardörfern wie Barum, Immendorf, Groß Flöthe und Adersheim verbinden.

Für die Standorte der Bänke gebe es bereits ausgearbeitete Kriterien. Sie sollten gut zu Fuß erreichbar sein, man müsse dort gut mit dem Auto halten könne, außerdem solle es eine Beleuchtung geben und wenn möglich ein Dach.

Der dritte Teil des Konzepts sieht einen Pool von ehrenamtlichen Fahrern vor. Das sollen Menschen sein, die bereit sind, Mitbürger von einem Ort zum anderen zu transportieren. Die Einsätze werden nicht entlohnt, geplant sei aber
eine Kostenerstattung, erklärt Fuder.

Die medizinische und die soziale Versorgung auf dem Land verbessern will der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Wolfenbüttel. Er rief dafür das Projekt Sozio-Med-Mobil ins Leben. Es handelt sich um einen Fahrdienst, der mit Hilfe einer Homepage organisiert wird.

Auf der Internetseite sind die Projektpartner aufgelistet. Arztpraxen, Physiotherapeuten, Sanitätshäuser, Hörgeräte-Akustiker, aber auch Kommunale Verwaltungen.

Wer sich als Nutzer auf der Seite registriert, kann in einem Kalender einsehen, wann die Partner Termine frei haben und dann den Fahrdienst entsprechend buchen. Zusätzlich muss allerdings auch der Termin mit dem Partner, beispielsweise einem Arzt vereinbart werden. Das DRK holt die Menschen dann mit einem behindertengerecht ausgestatteten Kleinbus von zu Hause ab.

Der Bus soll auch als rollendes Beratungsbüro beispielsweise bei Verwaltungen eingesetzt werden. Ehrenamtliche, die „Kümmerer“, genannt werden, sollen Nutzer beim Umgang mit der Internet-Plattform unterstützen und Buchungen im Auftrag der Nutzer übernehmen.

Der Fahrdienst wurde in der Samtgemeinde Elm-Asse gestartet und etabliert sich dort, sagt Inna Ekkert, die das Projekt beim DRK leitet. Derzeit gebe es rund 90 Nutzer. 35 Kümmerer seien registriert.

Es gebe 26 Projekt-Partner aus dem Gesundheitssektor. Das Sozio-Med-Mobil fahre Teilnehmer auf Wunsch aber auch zu jedem nicht im Projekt registrierten Arzt. Bislang wurden laut Ekkert schon rund 370 Fahrten über das Onlineportal gebucht. Während des Sommers sei man mit der Beratung im Bus in jedem Dorf der Samtgemeinde präsent gewesen. Während der Winterzeit finde die Beratung telefonisch statt.

Auch außerhalb des Landkreises sei man auf das Projekt aufmerksam geworden. Das Wolfenbütteler DRK sei mit zwei Einrichtungen aus Niedersachsen im Gespräch, die planen im Frühjahr 2019 ein Sozio-Med-Mobil anzubieten, berichtet Ekkert.