Salzdahlum. Die Braunschweiger Schauspielerin Susanne Maierhöfer und Helmut Berthold lasen aus Lessings Werken zum Thema Religion. Nathan der Weise kam eine besondere Rolle zuteil.

Lessing im Landkreis – so heißt die Vortragsreihe der Lessing Akademie an wechselnden Standorten. Zum Abschluss baten die Braunschweiger Schauspielerin Susanne Maierhöfer und Helmut Berthold dieses Mal in die Kirche St. Jürgen in Salzdahlum. „Ich bin Liebhaber der Theologie und kein Theolog“, sagte Lessing von sich. Den Sohn eines protestantischen Pfarrers haben Fragen der Religion, des sittlichen Handelns, der Toleranz gegen andere Glaubensauffassungen sein Leben lang beschäftigt. In dem als „Fragmentenstreit“ in die deutsche Literaturgeschichte eingegangene theologische Kontroverse vertraute Lessing abseits aller amtskirchlichen Lehren nur seiner Vernunft, ohne Rücksicht auf die Position seines herzoglichen Arbeitgebers. Am Ende stand das Verbot, sich in kirchlichen Dingen öffentlich zu äußern. Für Lessing schmerzlich, für die deutsche Literatur ein Glücksfall. „Ich muß versuchen, ob man mich auf meiner alten Kanzel, auf dem Theater wenigstens, noch ungestört will predigen lassen“, schreibt er 1778. Diesem Versuch verdanken wir das „dramatische Gedicht“ „Nathan der Weise“, in dem Lessing durch den jüdischen Kaufmann Nathan für Humanität, Toleranz und Religionsfreiheit wirbt. Maierhöfer und Berthold lasen aus Briefen Lessings an Zeitgenossen, in denen er seine Motive als Autor kommentiert und durchaus eigene Zweifel über den künftigen Bühnenerfolg, nicht aber hinsichtlich seiner gedanklichen Positionen erkennen lässt. So schreibt er 1779 an seinen Bruder Karl: „Es kann wohl sein, dass mein Nathan wenig Wirkung tun würde, wenn er auf das Theater kommen würde, welches wohl nie geschehen wird“. Auf seine Absichten hatte das nicht den geringsten Einfluss. So wurde der Nathan zu einem der meistgespielten Werke der deutschen Theatergeschichte. Auch, so Berthold, weil Lessings „Figurenrede“ nicht immer die Meinung des Autors wiedergebe. So entstehen im Austausch der Argumente lebhafte und farbige Dialoge. Die Auseinandersetzung zwischen Ratio und Gefühl, zwischen Analyse und Glaube zieht sich durch alle Szenen. Wie im Gespräch zwischen Nathan und seiner Tochter Recha über deren Errettung durch den Tempelherren. Engel oder Mensch heißt hier die Alternative. In der Lesung mit verteilten Rollen werden die Positionen deutlich. So in der Schachszene. Während Sittah, Schwester des Sultans Saladin die Christen wegen ihrer Unmenschlichkeit kritisiert, bedauert ihr friedfertiger Bruder die Weigerung der Christen zum Waffenstillstand. Höhepunkt ist die „Ringparabel“, das Märchen über die Echtheit von drei völlig gleichen Ringen, in der sich der Rat für eine friedlich-tolerante Koexistenz über die Religionsfrage hinaus verbirgt. In einer biografischen Skizze fasst Lessing sein Religionsverständnis zusammen: „Ich bin der Freund der christlichen Religion. Ich halte sie für wahr. Ich kann sie in ihren historischen Beweisen nicht widerlegen.“ Da ist sie wieder, die kritische Distanz. Ratio statt Glaube. Daran konnte auch keine Zensur etwas ändern.