Weimar. Julia Becker hat einen Einblick gegeben, wie der Journalismus der Zukunft sich behaupten kann: datenorientiert, nicht datengetrieben.

Die Studienlage ist (noch) dünn. Was geschieht in Regionen, in denen Lokal- und Regionaljournalismus ausgestorben ist? Julia Becker, Aufsichtsratsvorsitzende der Funke-Gruppe, zu der auch diese Zeitung gehört, stellt diese Frage vor Mitgliedern des Industrieclubs Weimar – und wagt den Versuch einer Antwort und formuliert eine Vision, wie verhindert werden kann, dass dieses Szenario eintritt.

Sie berichtet von einem Treffen mit der US-Politikerin Hillary Clinton am Tag zuvor in Berlin. Die beiden Frauen besprechen genau dieses Thema. In den USA, sagt Becker, gebe es Erkenntnisse aus Studien, die in Deutschland an vielen Stellen noch fehlten. Das Ergebnis? „Da, wo Regionaljournalismus ausgestorben ist, gibt es keine unabhängige Informationsquelle mehr. Korruption nimmt nachweislich zu, das zivilgesellschaftliche Engagement in Vereinen und Initiativen nimmt ab und die Wahlbeteiligung sinkt dramatisch“, fasst die Verlegerin zusammen. Im Saal wird es ob dieser düsteren Prognose still.

Weimar: Ein wichtiger Ort für die Zukunft der Funke-Gruppe

Was bedeuten diese Erkenntnisse für Funke? Welche Schlüsse lassen sich in Thüringen daraus ziehen?

Julia Becker verbindet mit ihrem Auftritt beim Industrieclub im Weimarer Hotel „Elephant“ ein wichtiges Stück der jüngeren Geschichte des Unternehmens, dessen Gesicht sie seit 2018 ist. Denn an diesem Ort fiel vor Jahren der Entschluss, dass sie und ihre Geschwister die Anteile der Minderheitsgesellschafter übernehmen und das Familienunternehmen aus einer Hand führen wollen – zu Jahresbeginn ist der Übergang der Anteile auf Becker und ihre Geschwister vollzogen worden.

Zweifel daran, dass Funke auch in Thüringen präsent bleiben wird, lässt Becker an diesem Abend nicht aufkommen. Im Gegenteil: Sie wagt den Blick in eine nicht zu ferne Zukunft, in der für das drittgrößte Medienhaus der Bundesrepublik neben den gedruckten Inhalten vor allem digitaler Journalismus die zentrale Rolle spielen muss – auch vor dem Hintergrund von Desinformationen und „Fake News“, die online auf den verschiedenen Wegen ihre Abnehmer finden: „Letztlich geht es um eines: dass guter, der Wahrheit verpflichteter Journalismus die Deutungshoheit im Netz zurückgewinnt, dass zuverlässige und abgewogene Analysen den gesellschaftlichen Diskurs im Internet bestimmen.“

Es sind diese 30 Prozent, die keine Mehrheit sind.
Verlegerin Julia Becker - Aufsichtsratsvorsitzende der Funke Mediengruppe

Insbesondere in einer Zeit, in der extremistische Stimmen und Parteien stärker Zulauf erhalten, sei „eine rationale, der Wahrheit verpflichtete Stimme wichtiger denn je“. In Thüringen, wo in diesem Jahr im September die Landtagswahlen stattfinden, wird das noch einmal besonders deutlich. Aber: „Es sind diese 30 Prozent, die keine Mehrheit sind“, macht die Verlegerin deutlich.

Nicht von Daten getrieben

Den Weg in eine digitale Zukunft haben die Zeitungen der Funke-Gruppe längst eingeschlagen. Geht das zulasten der gedruckten Zeitung und ihrer Inhalte? Auch diese Antwort ist am Dienstagabend klar: Nein. Natürlich, sagt Becker, werde in den Redaktionen „datenorientiert“ gearbeitet, aber eben nicht „datengetrieben“. Sie macht deutlich: Auch wenn ein Thema online keine zu großen Abrufzahlen erwarten lasse, werde es von den Journalistinnen und Journalisten dann recherchiert, wenn diese es als relevant einschätzen – und damit einen wichtigen Teil dazu beitragen, dass die düsteren Erkenntnisse aus amerikanischen Studien über Regionen, in denen der Lokaljournalismus ausgestorben ist, in Thüringen oder anderswo in Deutschland nicht zur Realität werden.