Wolfsburg. Will VW die Currywurst abschaffen? Nein. Aber die Debatte zeigt, dass der Kulturwandel auch vor der Lieblingsspeise der Werker nicht halt macht.

„Hömma, hol mir ma ‘ne Flasche Bier, sonst streik’ ich hier und schreibe nicht weiter“, rief Ex-Kanzler Gerhard Schröder einst bei einer Autogrammstunde. Gut möglich, dass er zum Bier auch noch eine Currywurst mit Pommes geordert hat, damit der Genuss so richtig rund wurde. Denn mitten im großen sommerlichen Gastro-Kulturkampf bei Volkswagen hat sich auch der Kanzler a. D. via LinkedIn mit einer klaren Botschaft zu Wort gemeldet: „Wenn ich noch im Aufsichtsrat von VW säße, hätte es so etwas nicht gegeben.“ Schröder war als niedersächsischer Ministerpräsident Mitglied des obersten Kontrollgremiums von Volkswagen.

Alles wird der blitzblanken Öko-Bilanz untergeordnet

Altkanzler Gerhard Schröder äußerte sich auf der Plattform Linkedin zur Abschaffung der VW-Currywurst in einer der Werkskantinen.
Altkanzler Gerhard Schröder äußerte sich auf der Plattform Linkedin zur Abschaffung der VW-Currywurst in einer der Werkskantinen. © Screenshot | Screenshot

Gemeint ist die vermeintliche Streichung der Wolfsburger „C-Stange“ vom Speiseplan der Werksrestaurants. Dabei ist genau das laut Unternehmensangaben gar nicht geplant. Wie auch immer: Wenn es um VW geht, wird eben vieles so heiß gegessen, wie es gekocht wurde. Und dank Schröders Intervention ist die Frage einer ausgewogenen Ernährung für die Werktätigen in Wolfsburg und an den anderen Standorten nun sogar Chefsache.

Konzernchef Herbert Diess hat höchstpersönlich für gut befunden, dass es im Betriebsrestaurant im ersten Stock des Markenhochhauses künftig fleischfrei zugeht. Und VW-Markenchef Ralf Brandstätter bemühte sich umgehend, die aus dem Ruder gelaufene Wurst-Debatte zu befrieden: „Die Currywurst ist sicher kein Auslaufmodell und bleibt allen Kolleginnen und Kollegen erhalten. Das gilt natürlich auch in der Produktion.“

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Hinter der Wurst-Debatte steckt mehr

Doch damit ist das Thema wohl nicht endgültig erledigt. Denn tatsächlich geht es nicht nur um die Wurst, sondern ums Grundsätzliche. Der auf nachhaltig und smart gebürstete Volkswagen-Konzern hat sich im Schlepptau des wie immer weit vorpreschenden Vorstandsvorsitzenden Diess einen Komplettumbau verordnet.

Neben Elektrifizierung, Digitalisierung und Software-Kompetenz geht es auch um einen bisher eher vage gebliebenen Kulturwandel. Der bezieht sich nach dem Desaster des Abgasskandals nicht nur auf die Einhaltung von Recht und Vorschriften und eine versprochene größere Transparenz. „Hintergrund der Neuausrichtung ist zudem das Thema Nachhaltigkeit. Weniger Fleischverzehr pro Woche hilft auch der Umwelt“, heißt es bei Volkswagen. Daraus ist nun die irreführende Diskussion um die Currywurst entstanden.

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Gemüse-Bowls für die smarten Mitarbeiter?

Böse Zungen könnten behaupten „New Volkswagen“ mit seinen elektrifizierten Flotten und dem Öko-Gütesiegel auf jedem Volkswagen beschäftige nur Mitarbeiter/innen, die auf Gemüse-Bowls, Currys, Pasta-Gerichte und allenfalls mal ein bisschen Fisch stehen – am liebsten aber vegetarisch oder vegan bekocht werden.

„Old Volkswagen“ wären dann wohl die Montageteams aus den Hallen, die Benziner und Diesel zusammenschrauben und eine echte Wurst auf den Tellern brauchen. Das ist ebenso weit hergeholt wie Schröders populistischer Kampf für die Currywurst, zeigt aber: ransformation ist ein hartes Geschäft, das auch auf den Magen schlagen kann..