Stuttgart. Im Fall des VW-Konzerns und der Muttergesellschaft Porsche SE ist die juristische Aufarbeitung auf diesem Gebiet besonders komplex.

Im Streit um mögliche Schadenersatzansprüche von Aktionären der VW-Dachgesellschaft Porsche SE (PSE) im Zusammenhang mit dem Dieselskandal soll erst im November weiterverhandelt werden. Nach dem Auftakt des Musterverfahrens vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am Mittwoch kündigte der vorsitzende Richter Stefan Vatter an, man strebe den 9. und den 10. November als nächste Verhandlungstermine an. Bis dahin hätten beide Seiten dann ausreichend Zeit, aufgekommene Rechtsfragen zu klären. Beide Verhandlungstage sollen wie bereits die Auftaktsitzung in der Filderhalle in Leinfelden-Echterdingen bei Stuttgart stattfinden.

Im Kern soll grundsätzlich juristisch geklärt werden, welche Seite recht hat – dabei geht es auch um die besondere Rolle der PSE. Diese ist zwar Hauptaktionärin von VW, hat aber selbst kein eigenes operatives Geschäft. Das Verfahren dürfte sich nach Gerichtsangaben bis mindestens in den Winter hinein ziehen. Weil das Oberlandesgericht von einem größeren öffentlichen Interesse ausgeht, findet die Auftaktveranstaltung nicht am Gerichtssitz in der Stuttgarter Innenstadt, sondern in der Filderhalle im benachbarten Leinfelden-Echterdingen statt.

Klagen laut „offensichtlich unbegründet“

Die Kläger argumentieren, dass sie – im Unwissen über die Ausmaße des Dieselskandals – vor Jahren zu viel Geld für ihre PSE-Aktien bezahlt haben. Ihre Argumentation: Wenn VW und dann auch die Porsche SE die Märkte früher über den Dieselskandal informiert hätten, hätte das auch früher den Aktienkurs gedrückt und sie hätten weniger für ihre Anteile bezahlen müssen. Streitig ist dabei auch, ob und unter welchen Umständen die PSE als VW-Mutter überhaupt eigenständig zur Veröffentlichung von Börsen-Pflichtmitteilungen über kursrelevante Vorgänge bei verpflichtet war.

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Die PSE beharrt darauf, dass die Klagen „offensichtlich unbegründet“ seien. Man sei eine Beteiligungsholding und kein Autobauer, daher sei man auch nicht an der Entwicklung, Herstellung oder dem Vertrieb von auffällig gewordenen Dieselmotoren befasst gewesen.

Es geht um prinzipielle Fragen

Bereits seit September 2018 läuft am Oberlandesgericht Braunschweig ein Kapitalanleger-Musterverfahren zur Frage, ob VW selbst seine Aktionäre hätte früher über die finanziellen Folgen des Dieselskandals informieren müssen. Angesichts weitgehend ähnlicher Sachverhalte hatte das Oberlandesgericht Stuttgart ein eigenes Verfahren zur Rolle der Porsche-Holding zunächst abgelehnt. Doch der Bundesgerichtshof kippte diesen Entscheid Mitte 2020 und begründete das damit, dass es in dem Braunschweiger Verfahren um öffentliche Kapitalmarktinformationen von Volkswagen gehe, in Stuttgart aber um solche der Porsche SE. Dass Vorgänge bei VW mittelbar in beiden Verfahren von Bedeutung seien, sei dabei nicht entscheidend.

Zum Musterkläger hat das Oberlandesgericht einen britischen Fonds erklärt, der einen Anspruch von 5,7 Millionen Euro geltend macht. Daneben gibt es weitere Kläger als sogenannte Verfahrensbeteiligte, so dass die Schadenersatzansprüche insgesamt bei 8 Millionen Euro liegen. Bei der Summe handelt es sich aber nur um ein Bruchteil der insgesamt vor Gerichten schon geltend gemachten Ansprüche in hoher dreistelliger Millionenhöhe gegen die PSE, da sich längst nicht alle Kläger am Musterverfahren aktiv beteiligen. Über die Höhe einzelner Ansprüche verhandelt das Oberlandesgericht nun sowieso nicht – es geht stattdessen um die Frage, ob die Kläger prinzipiell überhaupt Anrecht auf Geld haben.