Wolfsburg. Der Verband der Automobilindustrie hat die Ladestrukturen für E-Autos unter die Lupe genommen: In unserer Region gibt es Nachholbedarf.

Mit Blick auf die Ladeinfrastruktur für Elektro-Autos gibt es in in unserer Region unter den Landkreisen und kreisfreien Städten sowohl Ausreißer nach oben als auch nach unten, aber kein Mittelmaß. In der Spitzengruppe finden sich mit den Städten Wolfsburg und Salzgitter sogar zwei Vertreter. Das geht aus einem sogenannten „E-Ladenetz-Ranking für Deutschland“ hervor, das der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Donnerstag veröffentlichte.

Zwei Ranglisten

Ladenetz-Ranking Deutschland-NUR ONLINE
Ladenetz-Ranking Deutschland-NUR ONLINE © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Die Untersuchung des VDA mündete in zwei Ranglisten, die sogenannten A- und T-Werte. Der A-Wert soll anzeigen, wie attraktiv ein Kreis oder eine Stadt für die Elektro-Mobilität ist. Aufgeführt wird, wie viele im jeweiligen Kreis oder der jeweiligen Stadt zugelassenen Autos – einschließlich der Verbrenner – auf einen Ladepunkt kommen. Die Schlussfolgerung: Je mehr Ladepunkte zur Verfügung stehen, desto attraktiver ist der untersuchte Ort für die E-Mobilität. Beim T-Wert wurde dagegen einschränkend untersucht, wie viele E-Autos sich in dem jeweiligen Kreis oder der jeweiligen Stadt einen öffentlich zugänglichen Ladepunkt teilen müssen.

Unvollständige Angaben

Die Untersuchung des VDA basiert nach Aussage des Verbands auf Zahlen der Bundesnetzagentur. Die Rangliste hat jedoch zwei Schwachpunkte: So enthält sie keine Angaben zu den privaten Ladepunkten– zum Beispiel in privaten Garagen – im jeweiligen Untersuchungsgebiet. Damit fehlt ein wichtiger Baustein, um ein vollständiges Bild der jeweiligen Ladeinfrastruktur zu erhalten. Nach VDA-Angaben sind diese Daten nicht erfasst. Zweite Schwäche: Die Untersuchung unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und öffentlich zugänglichen Ladepunkten. Das wäre aber wichtig gewesen, um den Ausbau der Ladeinfrastruktur durch die öffentliche Hand einordnen und bewerten zu können. So hätten Lücken leichter aufgedeckt werden können.

Öffentlich oder öffentlich zugänglich?

In der VDA-Untersuchung sind die öffentlichen Ladepunkte in der Auflistung der öffentlich zugänglichen enthalten. Der Unterschied: Öffentliche Ladepunkte befinden sich ausschließlich im öffentlichen Raum, zum Beispiel auf Plätzen, an Straßen oder an öffentlichen Parkplätzen. Öffentlich zugängliche Ladepunkte befinden sich dagegen auf privaten Grundstücken, sind aber – wie es der Name sagt – öffentlich zugänglich. Dort werden die Ladepunkte in der Regel von privaten Investoren aufgestellt – zum Beispiel von Autohäusern, Energieversorgern oder Einkaufscentern. In der Untersuchung wurden beide Varianten zusammen betrachtet.

Salzgitter auf Rang drei

Konzentrieren wir uns in der weiteren Betrachtung auf den T-Wert, also darauf, wie viele E-Autos auf einen Ladepunkt kommen. In dieser Rangfolge belegt aus unserer Region Salzgitter den besten Platz, ist in der Gesamtwertung Dritter. In der Stahlstadt kommen drei Stromer auf einen Ladepunkt, 270 E-Autos teilen sich 89 Ladepunkte. Zum Vergleich: Im bundesweiten Durchschnitt kommen 13 E-Autos auf einen Ladepunkt.

Wolfsburg hat zu wenig Ladepunkte

Wolfsburg als selbst ernannter Motor der Elektro-Mobilität schneidet beim T-Wert weit unterdurchschnittlich ab, belegt Rang 331. In der VW-Stadt kommen 20,7 E-Autos auf einen Ladepunkt. Zur Ehrenrettung muss aber erwähnt werden, dass in Wolfsburg 8098 E-Autos zugelassen sind, die sich 392 Ladepunkte teilen. Anders ausgedrückt: In Wolfsburg ist die Elektro-Mobilität trotz schlechteren Verhältnisses deutlich weiter entwickelt als in Salzgitter. Das zeigt auch der A-Wert. In dieser Rangliste der Attraktivität der E-Mobilität belegt Wolfsburg bundesweit Rang zwei. Das Schlusslicht in unserer Region ist der Landkreis Peine, der den 385. von 400 Plätzen belegt. Dort kommen 40,2 E-Autos auf einen Ladepunkt. 522 Stromer teilen sich 13 Ladepunkte.

Versorgungslücke absehbar

Thomas Ulbrich, scheidender Vorstand für E-Mobilität der Marke VW, sagte jüngst, dass das aktuelle Verhältnis von E-Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen Ladepunkten noch auskömmlich sei. Allerdings sei eine große Versorgungslücke absehbar. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur halte nicht mit den rasant steigenden Zulassungszahlen für E-Autos mit. Grund für den Boom sind staatliche Zuschüsse. Nach Angaben Ulbrichs wird die Ladeinfrastruktur in Deutschland in diesem Jahr auf 30.000 Ladepunkte wachsen. Würden weiterhin so viele E-Fahrzeuge neu zugelassen wie in diesem Jahr, dann würden bis 2025 aber 300.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte benötigt. Bei der bisherigen, nicht aktualisierten Planung wären es aber nur 120.000 bis 150.000.

VDA fordert mehr Tempo

Beim „Autogipfel“ im November hat die Bundesregierung inzwischen zugesagt, den Ausbau der Ladeinfrastruktur zu beschleunigen. Dem Branchenverband VDA geht das aber nicht schnell genug. Verbandspräsidentin Hildegard Müller: „Um das staatlich vorgesehene Ziel zu erreichen, sind künftig rund 2000 neue öffentlich zugängliche Ladepunkte pro Woche nötig. Aktuell werden aber nur rund 200 neue Ladepunkte im öffentlichen Bereich installiert.“

Ansporn für Kommunen

In Deutschland würden aktuell jeden Monat 50.000 E-Autos neu zugelassen. „Alle neuen E-Autos müssen laden können, sonst können wir die geforderten Klimaziele nicht erreichen“, sagte Müller. Die vom VDA veröffentlichte Rangliste der Ladepunkte in den Kreisen und kreisfreien Städten solle anspornen, den Ausbau voranzutreiben.

„Green Deal“ erhöht den Druck

Zusätzlicher Druck dürfte entstehen, wenn die Europäische Union wie geplant ihren „Green Deal“ beschließt. Dann müsste ab 2030 allein die Marke VW jährlich 300.000 E-Autos mehr verkaufen als bisher geplant, um die neuen Grenzwerte einhalten zu können. Der Plan zum Ausbau der Ladeinfrastruktur müsste erneut deutlich angepasst werden.

In Niedersachsen soll noch in diesem Jahr ein Ladeatlas veröffentlicht werden, der nach Angaben des Verkehrsministeriums über die Lademöglichkeiten für Stromer in den Regionen online informieren soll .

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