Braunschweig. Der Zuckerhersteller bietet Mitarbeitern eine Abfindung an. Insgesamt will der Konzern 40 Millionen Euro pro Jahr einsparen.

Gut ein Jahr nach dem Ende der Regulierung des Zuckermarkts steht Nordzucker vor tiefen Einschnitten. Wie der Braunschweiger Konzern am Dienstag mitteilte, will er eine Transformation einleiten und damit einerseits Prozesse und Organisation straffen, andererseits die Kosten senken. Grund sind nach eigenen Angaben veränderte Marktverhältnisse durch den Wegfall der europäischen Zuckermarktordnung. Die Sach- und Personalkosten will Nordzucker jeweils um 20 Millionen Euro senken, insgesamt also 40 Millionen Euro pro Jahr einsparen. „Die bevorstehenden Veränderungen werden für uns alle herausfordernd“, sagte Nordzucker-Chef Lars Gorrissen.

Vor allem Braunschweig un Kopenhagen betroffen

Nach Angaben eines Sprechers sind vor allem der Stammsitz in Braunschweig sowie der Verwaltungssitz der Nordzucker-Tochter Nordic Sugar in Kopenhagen in Dänemark vom Personalabbau betroffen. In Braunschweig arbeiten rund 240 Beschäftigte, der Standort in Kopenhagen hat 140 Mitarbeiter. Insgesamt beschäftigt Nordzucker an 18 Standorten in Europa 3200 Mitarbeiter. Nach Informationen unserer Zeitung könnte es konzernweit um den Abbau von rund 200 Stellen gehen, in der Hauptverwaltung in Braunschweig um rund 80 Arbeitsplätze. Das wäre ein Drittel der Stellen. Nordzucker nannte keine konkreten Zahlen. Es sei noch offen, wie viele Stellen bedroht seien.

Über das Transformationsprogramm samt Personalabbau wurden die Nordzucker-Mitarbeiter laut Sprecher in der vergangenen Woche unterrichtet. Allen Verwaltungsmitarbeitern wurde demnachein Aufhebungsvertrag, sprich eine Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses, angeboten. Bis Mitte Februar sollen die Beschäftigten Zeit haben, sich zu entscheiden. Angesprochen sind auch Mitarbeiter in den höheren Führungsebenen, allerdings nicht der Vorstand. Nach Informationen unserer Zeitung gibt es außerdem beispielsweise Überlegungen, die Buchhaltung des Zuckerherstellers an einen osteuropäischen Standort innerhalb des Konzerns zu verlagern.

Das Unternehmen soll neu ausgerichtet werden

Nordzucker hat eigens eine neutrale Stelle eingerichtet, bei der sich Mitarbeiter neben der Personalabteilung für den freiwilligen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis melden können. „Wir warten die Rückläufer aus diesem Freiwilligenprogramm ab und werten sie aus. Dann entscheiden wir, welche weiteren Schritte nötig sind“, sagte der Sprecher. Die Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrungsmittel-Genuss-Gaststätten für die Region Süd-Ost-Niedersachsen, Julia Derer, sagte unserer Zeitung: „Nordzucker achtet die betriebliche Mitbestimmung. Insofern gehen wir davon aus, dass wir hier vernünftige Lösungen finden werden.“

Das Sparprogramm steht vor dem Hintergrund magerer Geschäftsaussichten. So teilte Nordzucker mit, dass der Konzern in diesem Jahr mit einem operativen Verlust von voraussichtlich 40 Millionen Euro rechnet. Anstehende Verlustjahre hatte der Konzern bereits früher angekündigt. Auch im kommenden Geschäftsjahr, das am 1. März 2019 beginnt, erwartet der zweitgrößte Zuckerhersteller Europas „deutlich negative Ergebnisse“. In der Bilanz für die ersten sechs Monate des aktuellen Geschäftsjahrs weist das Unternehmen zwar noch einen Gewinn von 11,6 Millionen Euro aus – im Vorjahresvergleich stellt das aber ein Minus von knapp 87 Prozent dar.

Bis September 2017 regelte die Zuckermarktordnung der EU die Mindestpreise für Zuckerrüben sowie eine Obergrenze für Verkaufsmengen. Die Liberalisierung des Marktes habe zu einem „drastischen“ Preisverfall bei Zucker und zu einem stärkeren Wettbewerbsdruck geführt, heißt es von Nordzucker. Gemeinsam mit den Schwankungen am Weltmarkt setzte dies die Preise für Zucker langfristig unter Druck. Der Konzern rechnet auch künftig im Schnitt mit deutlich geringeren Ergebnissen als noch zu Zeiten der Zuckermarktordnung.

Nordzucker will in die Produktion außerhalb Europas einsteigen

Die nun angestrebte Neuausrichtung Nordzuckers soll den Zuckerhersteller langfristig stabil und erfolgreich aufstellen. Nordzucker will sich dabei auf sein Kerngeschäft, Zucker aus Rüben, fokussieren. Weiterhin plant das Braunschweiger Unternehmen den Einstieg in die Rohrzuckerproduktion außerhalb von Europa. Laut Mitteilung steht Nordzucker in Australien in konkreten Verhandlungen und schaue sich auch in weiteren Regionen um. „Wachstum im Zucker findet nur außerhalb Europas statt und ein solches Engagement kann einen positiven Ergebnisbeitrag liefern“, erklärte Vorstandschef Gorissen. Stimmten die Rahmenbedingungen, sei die Investition ein wichtiger Schritt Richtung Internationalisierung des Konzerns.

Nordzucker möchte außerdem weiterhin mögliche Wachstumschancen nutzen auf einem sich noch konsolidierenden Zuckermarkt der EU. Das sei jedoch ein „längerfristiger Prozess“.