San Francisco. Orcas machen ihrem Namen alle Ehre: Forscher haben Killerwale bei der Jagd beobachtet. Ihre Techniken sind faszinierend – und blutig.

Orcas tragen den Namen Killerwal nicht von ungefähr. Die Meeressäuger bilden Banden und entwickeln Tricks, gehen gemeinsam auf die Jagd, scheuen auch vor größeren Beutetieren nicht zurück und legen sich mit dem Weißen Hai an – zur Not auch im Alleingang. Dazu kommt ihr massiges Aussehen, der stromlinienförmige Körper, die spitze Rückenflossen, eine Reihe dolchartiger Zähne im Maul.

Immer wieder werden die Tiere auch als hoch soziale Lebewesen wahrgenommen, die von einer Matriarchin angeführt werden und – je nach Subspezies – in eigenen Sprachen miteinander kommunizieren. Forscher aus den USA haben nun vor Kalifornien das Jagdverhalten von Killerwalen untersucht und dabei teilweise extrem brutal anmutenden Methoden beobachtet.

Hunderte Stunden Orca-Jagd ausgewertet

Für ihre im Fachmagazin „PLOS One“ veröffentlichte Studie werteten die Forscher eine Datenbank von Killerwal-Sichtungen aus. Darin sind 261 Sichtungen einer Orca-Population enthalten, die im Tiefwasser der Monterey-Bucht lebt und jagt. Hunderte Stunden an Wal-Beobachtungen ging das Team für seine Arbeit durch.

Dabei fiel auf, dass die Tiere ihre Jagd-Techniken nicht nur an die jeweilige Beute anpassten, sondern auch an die Umgebung. „Die Orcas zeigten spezialisiertes Jagdverhalten, das sich von dem in flachen, küstennahen Gewässern unterscheidet“, schreibt das Team.

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Seelöwen sind die bevorzugte Beute

Den überwiegenden Teil ihrer Nahrung gewannen die Orcas aus der Jagd auf den kalifornischen Seelöwen, denen die Tiere in Gruppen bis zu 15 Individuen nachstellen. Dabei sind es vor allem die erwachsenen Killerwale, die einen Seelöwen einkreisen; die Jungtiere halten sich zurück.

Einmal umzingelt, stießen die Orcas abwechselnd auf ihre Beute ein, rammten sie mit ihren Schnauzen oder warfen die Seelöwen in die Luft. Eine Jagd kann zwischen rund 20 Minuten und eineinhalb Stunden dauern und über mehrere Kilometer gehen.

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Die Seelöwen wurden ihrerseits beobachtet, wie sie große Gruppen von bis zu 50 Tieren bildeten, um sich vor den Orcas zu schützen. Manche der Tiere gingen auch zusammen mit Grauwalen auf Tauchgang, wenn Orcas in der Nähe waren, schreiben die Forscher.

Zur Beute der Killerwale gehören Seelöwen (A), junge See-Elefanten (B) und Delfine (C). 
Zur Beute der Killerwale gehören Seelöwen (A), junge See-Elefanten (B) und Delfine (C).  © Chelsea Mathieson, Peggy West-Stap/McInnes et al., PLOS One, 2024 | Luther, Philipp

Brutale Jagd auf Grauwal-Kälber

Machten die Orcas hingegen Jagd auf Grauwal-Kälber, änderte sich die Taktik der Orcas. Auffallend oft waren es dabei erwachsene weibliche Tiere, die so eine Jagd initierten, schreiben die Forscher. In der Gruppe stellten die Jäger ihrer Beute so lange nach, bis das Kalb ermüdete. Erst dann gingen die Orcas daran, das Kalb von seiner Mutter zu trennen, etwa in dem sie sich zwischen den beiden Grauwalen positionierten, oder das Kalb an seinen Flossen wegzerrten.

War das Kalb außer der Reichweite der Mutter, versuchten die Orcas, es mit gezielten Stößen und Bissen zu töten. Dabei kam es vor, dass die Killerwale auf das Blasloch des Wal-Kalbs sprangen in dem Versuch, das Tier unter Wasser zu drücken und dabei zu ertränken.

Bis zu fünf Stunden dauert so eine Jagd, die die Forscher ziemlich brutal beschreiben: Das Wasser sei voller herausgebissener Fetzen gewesen, manchmal waren die Schwanzflossen zerfetzt, Blut und Öl hätten im Meer getrieben.

Schlüsselmomente einer Grauwal-Jagd: Zunächst werden Mutter und Kalb getrennt (A), das Kalb wird dann gerammt (B), bevor es unter Wasser gedrückt und ertränkt wird (C).
Schlüsselmomente einer Grauwal-Jagd: Zunächst werden Mutter und Kalb getrennt (A), das Kalb wird dann gerammt (B), bevor es unter Wasser gedrückt und ertränkt wird (C). © Peggy West-Stap, Eric Austin-Yee, Stephanie Marcos/McInnes et al., PLOS One, 2024 | Luther, Philipp

Um ihren Räubern zu entgehen, versuchten Grauwale, mit langen Tauchgängen kurz unter der Wasseroberfläche so wenig Aufsehen wie möglich zu erregen. Manche Mutter-Kalb-Paare wurden auch dabei beobachtet, wie sie erwachsene männliche Tiere als Eskorten nutzten. In einem Fall war es einem Paar gelungen, in einem Seetang-Wald Schutz zu finden.

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Trotz aller Raffinesse, nur die wenigsten Jagden führten auch zum Erfolg. So gelang es den Orcas, nur etwa jeden vierten Seelöwen auch zu töten und zu verspeisen. Im Fall der Grauwal-Kälber war es annähernd jeder Zehnte. (pcl)