Hamburg. Der bekannte Ernährungsmediziner zu den Forderungen nach neuen Labels, Steuersenkungen und Mindestalter für Energydrinks.

160 zufällig ausgewählte Menschen haben im ersten Bürgerrat des Bundestags gemeinsam über Ernährung, Umwelt- und Klimafragen zur Lebensmittelkennzeichnung und -produktion und über Haltungsbedingungen von Nutztieren beraten. Dabei wurde darauf geachtet, dass die Ausgewählten für die deutsche Bevölkerung repräsentativ sind.

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Vor wenigen Tagen wurde nun über diese neun Empfehlungen debattiert. Dr. Matthias Riedl, sagt, er sei positiv überrascht: „Ich bin geradezu begeistert, aber in einzelnen Bereichen geht mir das noch nicht weit genug.“ Im Podcast „Dr. Matthias Riedl. So geht gesunde Ernährung“ ordnet der Ernährungs-Doc die einzelnen Punkte ein.

Wie der Ernährungs-Doc die neun Empfehlungen beurteilt

1. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder in Kitas und Schulen.

„Daumen hoch“, sagt der Ernährungsmediziner zu dieser Empfehlung. „Es gibt Studien, die belegen, dass ein ordentliches Mittagessen Übergewicht und Diabetes bei Kindern reduziert. Darum geht es ja – dass wir die Kinder gesund erhalten. Es gibt auch Studien, die zeigen, dass wenn die Kinder das Richtige essen, ihre geistigen Leistungen in Prüfungen um bis zu 40 Prozent besser ausfallen.“ Das kostenfreie Mittagessen müsse bis Ende des Jahres umgesetzt werden, fordert der Ärztliche Direktor des Medicum Hamburg.

Das Mittagessen müsse deshalb für alle kostenlos sein, weil es Aufgabe des Staates sei dafür zu sorgen, das der Nachwuchs gesund bleibe, sagt der Ernährungs-Doc. „Und wenn die Eltern das nicht hinbekommen, und das tun sie in dieser ernährungsfeindlichen Umgebung nicht, dann muss der Staat ran“.

Diese Ernährung müsse nach den Richtlinien der deutschen Gesellschaft für Ernährung gestaltet sein, das müsse der Standard sein. „Dann haben wir einen wichtigen Grundstein für die Zukunft unserer Kinder und für Deutschland gelegt. Derzeit haben wir jährliche Steigerungsraten für Übergewicht, für Diabetes Typ zwei, Erkrankungen, die in dem Alter gar nicht vorkommen dürften.“

2. Bewusstes Einkaufen leicht gemacht durch ein verpflichtendes staatliches Label, das die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigt.

„Das ist ein toller Wunsch. Derzeit sind fast drei Viertel der Bürger durch die vielen Labels, die wir haben, völlig verunsichert. Und was zwischen den Zeilen herauskommt: Der Bürgerrat ist nicht einverstanden mit dem aktuellen Ampelsystem. Denn wir haben ja ein Ampelsystem, also mit ABCDE und das soll ja den Gesundheitswert eines Lebensmittels ausdrücken.“

Allerdings sei dieses System völlig unzureichend, sagt Riedl. Dabei gebe es bereits einfache Wertungen, nämlich die vier NOVA-Klassen, je nach der Form der Verarbeitung von einfach bis hoch verarbeitet.

„Die NOVA-Klassen eins bis drei sind eigentlich alle egal. Klasse vier sind hoch verarbeitete Lebensmittel mit Chemie. Und das brauchen wir eigentlich nur auf die Lebensmittel drauf zu machen. Die Klassifizierung ist da.“ Das könne man mit einzenlen Labels – etwa für Tierwohl – ergänzen.

3. Verpflichtende Weitergabe von genießbaren Lebensmitteln durch den Lebensmitteleinzelhandel.

Riedl sagt: „Daumen hoch! Das ist eine Frage der Mitmenschlichkeit.“ Ein weiter Weg, Lebensmittel noch an den Verbraucher zu bringen, sei, diese am Rande der Mindeshaltbarkeit (MHD) den Preis zu halbieren. „Man muss auch darüber reden, dass dieses MHD eben nicht der Zeitpunkt ist, an dem man es gleich wegschmeißen soll. Man muss prüfen, schmecken, ob es noch in Ordnung ist. Dann kann man es noch essen.“

4. Lebensbedingungen und Herkunft von Tieren transparent darstellen.

„Das passt gut zu Forderung zwei, dass wir ein Gesundheitslabel brauchen. Wir brauchen ein Tierwohllabel, wir brauchen ein Ökolabel, das müssen aber separate einzelne Labels sein. Die anderen müssen alle weg, werden ja eh nicht beachtet.“

5. Neuer Steuerkurs für Lebensmittel.

Riedl fordert, Gemüse müsse billiger, bestimmte Gemüsesorten müssten sogar staatlich subventioniert werden. Er sei aber nicht einverstanden mit der Forderung, dass pflanzliche Milchersatzprodukte und Fleischersatzprodukte von der Mehrwertsteuer befreit werden. „Das muss man differenzierter sehen. Es gibt nämlich Milchersatzprodukte mit Aromen, mit viel zugesetztem Zucker und mit künstlicher Phosphatbeimengung, sie sind also hoch verarbeitet.“ Auch Fleischersatzprodukte gehörten teilweise NOVA-Klasse 4. „Das dürfen wir nicht noch subventionieren.“

Man müsse sie im Gegenzug mit einer hohen Steuer belegen: „Wir brauchen eine Steuerreduzierung und eine Subventionierung von gesunden Lebensmitteln. Dann soll es einen Bereich geben, der ist neutral ist und dann gibt es die Produkte der NOVA-Klasse 4, wo wir die Mehrwertsteuer verdoppeln können. Daraus entstehen dann mehrere Milliarden, mit denen man gesunde Lebensmittel subventionieren kann.“

6. Gesunde, ausgewogene und angepasste Gemeinschaftsverpflegung in Krankenhäusern, Reha-, Senioren- und sonstigen Pflegeeinrichtungen.

Riedl unterstützt diese Forderung vehement. „Wir werden irgendwann alle alt, wir werden alle pflegebedürftig oder liegen mal im Krankenhaus, und was es dort zu essen gibt, das ist wirklich ein Skandal. Ein Prozent der Pflegeheime und vier Prozent der Krankenhäuser bieten ein Essen an, das den Kriterien der deutschen Gesellschaft für Ernährung entspricht.“

Bis zu 70 Prozent der Menschen in Pflegeeinrichtungen seien mangelernährt. „Mangelernährung bedeutet höhere Anfälligkeit für Infekte, für Wundheilungsstörung, aber auch weniger geistige Leistung.“ Sogar 30 Prozent der Menschen, die ins Krankenhaus eingeliefert werden, seien mangelernährt.

„Da ist Deutschland tatsächlich Entwicklungsland, und so kommen wir aus unserer miesen Lebenserwartung auch nicht raus. Das ist tatsächlich ein Riesenskandal!“

7. Verbrauchsabgabe zur Förderung des Tierwohls.

Der Ernährungs-Doc befürwortet die Forderung. „Es kann nicht sein, dass wir Billigfleisch verramschen und die Tiere darunter leiden. Dieses Billigfleisch macht uns auch noch krank.“ Es werde ohnehin zu viel Fleisch gegessen. „Wir müssen Fleisch als Delikatesse begreifen und nicht als Massenprodukt.“ Allerdings dürfe das Extra-Geld nicht im Handel landen, sondern bei den Bauern, fordert er.

8. Mindestalter von 16 Jahren für Energy Drinks.

Matthias Riedl plädiert sogar für eine Altersgrenze von 18 Jahren, denn im jugendlichen Alter werde viel ausprobiert wird, Alkohol getrunken und häufig auch Partydrogen genommen. „Mich durchzieht das mit Schaudern, wenn ich bedenke, wie man diese menschenverachtenden Energiedrinks überhaupt konzipieren konnte – mit kritischen Konzentrationen, die ich auf einen Markt werfe, mit Menschen, die in ihrer Rolle noch am suchen sind, die Drogen ausprobieren, die vielleicht davon viel zu viel konsumieren, und wir müssen sie vor Schaden bewahren.“

Sie könnten Herzrhythmusstörungen verursachen und zudem zählten diese Getränke zu den Softdrinks, und damit gehörten sie in Kategorie NOVA-Klasse 4. Ein Softdrink pro Tag erhöhe das Risiko für Fettleber, Krebserkrankungen, Übergewicht, Diabetes. „Wozu haben wir so was? Eigentlich muss da ein Totenkopf drauf“, sagt der Ernährungs-Doc.

9. Mehr Personal für Lebensmittelkontrollen und bessere Transparenz der Ergebnisse für die Öffentlichkeit.

„Für mich herrscht gerade in der Lebensmittelproduktion Wildwest. Wenn nicht kontrolliert wird, dann läuft das auch so weiter.“ Er wünsche sich daher mehr Strenge bei der Lebensmittelproduktion, sagt Matthias Riedl. Wir brauchen mehr Sicherheit für unsere Lebensmittel.“

Hält Riedl die neun Empfehlungen nun für den großen Wurf? „Ein bisschen mehr Fokus auf die Gefährlichkeit von ultra-hoch verarbeiteten Lebensmitteln“, wünscht er sich, da müsse man mit der Steuer ran.

„Aber ich bin begeistert. Das Volk hat wirklich tolle Empfehlungen ausgesprochen. Liebe Politiker, setzt euch dran! Ich möchte jetzt den Zeitplan sehen.“

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Rezept für Salat mit Bohnen und Cashewkernen
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Meine 80 besten Rezepte S. 56 Salat mit Bohnen und Cashewkernen © Jan Wischnewski | Jan Wischnewski

Zutaten: 250 g grüne Bohnen (frisch oder TK), 3 Frühlingszwiebeln, Salz, 1 Mini-Römersalat, 2 Tomaten, 1 Büffelmozzarellakugel, (125 g; ersatzweise Mozzarella aus Kuhmilch), 40g Cashewkerne, 3 Stängel Basilikum (ersatzweise 2 EL TK-Basilikum), 2 EL Olivenöl, 2 EL Balsamico bianco, ½TL flüssiger Honig, ½TL körniger Senf, Pfeffer.

Zubereitung:
1. Die Bohnen putzen, waschen und halbieren (ggf. blanchieren, s. Tipp). Die Frühlingszwiebeln putzen und waschen, weißen und grünen Teil separat in dünne Ringe schneiden, die grünen Ringe zum Garnieren beiseitelegen. Die weißen Frühlingszwiebelringe mit den Bohnen in einem Topf in ca. 100 ml Wasser mit etwas Salz zugedeckt bei kleiner Hitze 15–20 Min. dünsten.

2. Währenddessen den Salat putzen, waschen und trocken schütteln, in mundgerechte Stücke zupfen. Die Tomaten waschen und klein würfeln, dabei die Stielansätze entfernen. Den Mozzarella abtropfen lassen und ebenfalls würfeln. Alle drei in eine Salatschüssel geben. Die Cashewkerne in einer kleinen beschichteten Pfanne ohne Fett hell rösten. Herausnehmen und abkühlen lassen.

3. Für die Vinaigrette das Basilikum waschen, trocken tupfen und die Blätter abzupfen. Mit Öl, Essig, Honig und Senf in einen hohen Rührbecher geben und alles mit dem Pürierstab gleichmäßig cremig pürieren. Mit Salz und Pfeffer abschmecken.

4. Bohnen und Frühlingszwiebeln in ein Sieb abgießen, kalt abschrecken und in die Salatschüssel zum Gemüse geben. Den Salat mit der Vinaigrette mischen und auf Tellern anrichten. Mit Cashewkernen und grünen Frühlingszwiebelringen bestreuen.

Zusatz-Tipp: Bohnen sind ein guter Tipp für alle, die Fettdepots rund um die inneren Organe vermeiden möchten. Denn sie zählen zu den Hülsenfrüchten, die reichlich Ballaststoffe und langkettige Kohlenhydrate liefern. Um die grüne Farbe zu erhalten, die Bohnen vor dem Garen noch kurz blanchieren: Dazu in einer Schüssel mit kochend heißem Wasser übergießen, abgedeckt cirka zwei Minuten stehen lassen und in ein Sieb abgießen. Dann kalt abschrecken und wie angegeben garen.

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