Berlin. Forschern ist es gelungen, aus altem Plastik hochwertige chemische Bausteine herzustellen. So funktioniert die revolutionäre Methode.

Auf der Welt fällt immer mehr Kunststoffmüll an – ein riesiges Problem. Laut eines Berichts der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hat sich die Menge des jährlich anfallenden Plastikmülls innerhalb der vergangenen 20 Jahre auf rund 350 Millionen Tonnen verdoppelt. Und auch wenn es in Deutschland und Europa bereits ein eingeschränktes Plastikverbot gibt, werden Kunststoffe immer noch vielfach in der industriellen Produktion verwendet.

Umso wichtiger ist es, dass Recycling-Methoden entwickelt und weiterentwickelt werden, um einen Wertstoffkreislauf für Kunststoffe zu schaffen. Zwei Forscherteams aus den USA haben sich dem gewidmet und eine bewährte chemische Recycling-Methode weiterentwickelt. Sie schlagen für die beiden am häufigsten in der Industrie verwendeten Kunststoffe ein Upcycling vor.

Kunststoffmüll: Dafür nutzen wir am meisten Plastik

In der Industrie werden zahlreiche Kunststoffe verwendet, um verschiedene Produkte herzustellen. Beispiele sind PVC-Böden oder die PET-Flaschen. Letztere werden aus dem Kunststoff Polyethylen (PE) hergestellt, der mit dem Kunststoff Polypropylen (PP) rund die Hälfte der jährlichen globalen Plastikproduktion ausmacht. Aus PP und PE werden

  • Getränkeflaschen,
  • Plastiktüten,
  • Folien,
  • Milch- und Shampooflaschen,
  • Cremetuben
  • Rohre sowie
  • Spielzeug

und vieles mehr hergestellt. Es gibt zwar schon Shampooflaschen, die sich wieder auffüllen lassen, aber die meisten dieser Produkte landen nach dem Gebrauch im Müll.

Nicht alle Kunststoffe sind gleichwertig in Bezug auf ihre Recyclingfähigkeit. Ein Teil des Plastikmülls, der nicht wiederverwertet werden kann, wird zur Energiegewinnung verbrannt, wobei Wärme und Strom erzeugt werden. Allerdings wird dabei Kohlendioxid (CO2) freigesetzt, das den Treibhauseffekt verstärkt. Zwei Forschergruppen aus den USA schlagen jeweils einen neuen Ansatz zur Verwertung von PE- und PP-Abfällen vor.

Recycling von Kunststoffmüll: In Belgrad (Serbien) wurde Plastikflaschen wieder verwendet, um eine Brücke zu bauen
Recycling von Kunststoffmüll: In Belgrad (Serbien) wurde Plastikflaschen wieder verwendet, um eine Brücke zu bauen © Darko Vojinovic/AP/dpa

Kunststoffmüll verwerten: So funktioniert die Pyrolyse

Grundlage für die Lösungsansätze ist eine Upcycling-Methode, mit Hilfe derer der Kunststoffmüll von PE- und PP-Produkten in höherwertige Chemikalien umgewandelt wird. Das chemische Verfahren dahinter wird als Pyrolyse bezeichnet und läuft folgendermaßen ab:

  1. Vorbereitung: Die Altkunststoffe werden sortiert, gereinigt und in kleine Stücke oder Pellets zerkleinert, um eine effiziente Pyrolyse zu ermöglichen.
  2. Erhitzung: Die zerkleinerten Kunststoffe werden in einem Reaktor oder Ofen erhitzt. Die Temperatur variiert je nach Art der Kunststoffe zwischen 300 und 800 Grad und wird kontrolliert, um eine effiziente Zersetzung der Kunststoffe zu gewährleisten.
  3. Abwesenheit von Sauerstoff: Während des Pyrolyseprozesses wird der Reaktor oder Ofen luftdicht abgeschlossen, um sicherzustellen, dass kein Sauerstoff vorhanden ist. Das verhindert die Verbrennung der Kunststoffe und fördert stattdessen den Zerfallsprozess.
  4. Zersetzung: In Abwesenheit von Sauerstoff beginnt der Kunststoffmüll zu zerfallen. Die langen Polymerketten, aus denen Kunststoffe bestehen, werden in kleinere Moleküle aufgespalten. Dazu gehören Gase, Rückstände und das sogenannte Pyrolyse-Öl.
  5. Sammlung der Produkte: Die entstandenen Produkte werden aus dem Reaktor gesammelt und können dann weiterverarbeitet werden.

Die gewonnenen Produkte werden unterschiedlich eingesetzt. So dienen die Gase beispielsweise als Energiequelle und werden zur Stromerzeugung genutzt. Die Rückstände werden in einigen Fällen als Ruß oder Aktivkohle wiederverwendet. Doch von allen Nebenprodukten der Pyrolyse ist das Pyrolyse-Öl besonders interessant.

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1. Upcycling-Methode:

Die Pyrolyse von Altkunststoffen ist bereits ein gängiges Verfahren. Doch ein Forscherteam an der Universität Wisconsin hat die Methode erweitert, indem es spezielle Stoffe aus dem Pyrolyse-Öl für weitere chemische Umwandlungen nutzte. Dabei handelt es sich um bestimmte Kohlenwasserstoffe, sogenannten "Olefine", die aufgrund ihrer chemischen Struktur reaktiver sind als andere.

Normalerweise verwendet die Chemieindustrie viel Energie, um Olefine aus fossilen Brennstoffen wie Erdöl oder Erdgas herzustellen, zudem werden dabei große Mengen an Treibhausgasen freigesetzt. Bei der Pyrolyse von Plastikmüll aus PE und PP fallen die Olefine einfach als Nebenprodukt an.

Plastikmüll upcyceln: Neue Methode ist wirtschaftlich und umweltschonender

Olefine können verwendet werden, um wichtige Substanzgruppen wie Carbonsäuren, Amine, Aldehyde und Alkohole für die Industrie herzustellen. Aus wirtschaftlicher Sicht sind die letzten beiden besonders interessant, da sie wertvolle Rohstoffe für die Produktion der Kunststoffe Polyester und Polyurethan sind. Sie werden in vielen verschiedenen Branchen eingesetzt, darunter:

  • Bekleidungs- und Textilwirtschaft
  • Verpackungsproduktion
  • Automobilindustrie
  • Bauwesen
  • Medizintechnik

Daneben hat die Gewinnung der Rohstoffe über die Pyrolyse aber einen weiteren Vorteil: Sie ist umweltschonender. Laut Kevin Van Geem vom Zentrum für nachhaltige Chemie an der Universität Gent in Belgien werden bei der Gewinnung von Olefinen aus Altplastik im Vergleich zur herkömmlichen, petrochemischen Produktion rund 60 Prozent weniger Treibhausgase freigesetzt, berichtet "Geo".

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    2. Upcycling-Methode:

    Das zweite Forscherteam von der Virginia Polytechnic Institute and State University nutzt ebenfalls PP- und PE-Abfälle und wandelt dieses in höherwertige Stoffe um. Bei diesem Ansatz werden Fettsäure-Salze aus dem Kunststoffmüll hergestellt, die als sogenannte Tenside in Seifen, Shampoos oder Waschmitteln verwendet werden. Ähnlich wie die Upcycling-Methode aus Wisconsin gibt es auch bei diesem Ansatz einen ökonomischen und einen ökologischen Vorteil:

    ökonomischDer Marktpreis der gewonnenen Tenside ist laut den Forschern etwa dreimal so hoch wie der des Ausgangsstoffs Polyethylen (PE). Das sei eine Wertsteigerung, die die Verfahrenskosten schnell kompensieren würde.
    ökologischBislang wurden Tenside überwiegend aus fossilen Rohstoffen gewonnen. Bei diesem Ansatz ist das nicht notwendig. Alles, was dafür benötigt wird, ist Kunststoffmüll aus PE, PP oder einer Kombination von beiden.

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      Die Pyrolyse von Altkunststoffen hat das Potenzial, zur Reduzierung von Kunststoffabfällen beizutragen und wertvolle Ressourcen zurückzugewinnen. Sie ist jedoch ein komplexer Prozess, der sorgfältig gesteuert und optimiert werden muss, um die gewünschten Produkte mit hoher Effizienz und geringen Umweltauswirkungen zu erzeugen. Im besten Fall ließen sich alle Altkunststoffe mechanisch recyceln. Das bedeutet, sie werden gereinigt und ohne chemischen Prozess direkt wiederverwendet.

      Doch dafür muss Plastikmüll sortenrein sein, was häufig nicht der Fall ist. Unsortierte Abfälle können nur durch chemisches Recycling wiederverwendet werden. Van Geem geht davon aus, dass das langfristig für über 65 Prozent der Plastikabfälle das Verfahren der Wahl sein werde.