Kiel/Berlin. Internationale Märkte für den Warenaustausch gab es schon früher als angenommen. Archäologen warten mit überraschender Erkenntnis auf.

Der Terminus "Globalisierung" ist eigentlich ein Begriff, den man eher in der Gegenwart verorten würde. Laut herrschender wissenschaftlicher Meinung habe eine zunehmende Verflechtung von Wirtschaft, Technologie und Politik, also eine Globalisierung im herkömmlich gebrauchten Sinn, erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert begonnen.

Vor-und Frühgeschichtler der Universität Kiel argumentieren jetzt, dass es eine Vorstufe der Globalisierung bereits in der frühen Jungsteinzeit (etwa 4100 bis 3300 vor unserer Zeit) gegeben habe. Zu diesem Ergebnis kommen Wissenschaftler des Kieler Sonderforschungsbereiches "TransformationsDimensionen". Die Forscher haben die Zirkulation eines zu dieser Zeit wichtigen Metalls, Kupfer, genauer unter die Lupe genommen.

Kupfer wurde aus Südosteuropa nach Skandinavien gebracht

Die Experten kommen zu dem Ergebnis, dass in Norddeutschland und Skandinavien ansässigen Menschen bereits im Neolithikum, also in der Jungsteinzeit, zunehmend Kupferobjekte importiert hätten. Das Kupfer sei aus Lagerstätten in Südosteuropa gekommen, insbesondere aus den serbischen Berbauregionen. Später habe man auch Kupfer aus aus dem slowakischen Erzgebirge und den Ostalpen importiert.

Zu der Erkenntnis kamen die Kieler Forscher nach einer Bleiisotopenanalyse von insgesamt 45 jungsteinzeitlichen Kupferobjekten. "Das ist die bisher größte Stichprobe jungsteinzeitlicher Objekte aus der nordeuropäischen Tiefebene und Südskandinavien", erklärt Studienleiter Dr. Jan Piet Brozio.

Umfangreicher Wissenstransfer von Süd nach Nord

Der Import von Kupfer sei Teil eines Austausches von Wissen gewesen, interpretieren die Wissenschaftler die Daten. Neben Kupfer seien noch andere Erkenntnisse aus dem Süden in den Norden gekommen, etwa das Wissen um neue Getreidearten und neue Ideen zu Architektur und Bauwesen. Die Forscher sagen allerdings auch, dass das Wissen um die Verarbeitung von Kupfer im Norden zunächst wieder verlorengegangen sei. Erst in der späten Jungsteinzeit und in der Frühbronzezeit hätten die nordischen Gesellschaften die Kupfermetallurgie dauerhaft in ihr Wirtschaftssystem integriert.

Diesen Austausch als Globalisierung zu bezeichnen, wie es die Kieler Wissenschaftler tun, scheint dann aber doch etwas weit hergeholt. Stattdessen sollte man wohl bescheidener von einer frühen Europäisierung der Handelsbeziehungen sprechen. (tok)