Berlin. Hotelzimmer wirken auf den ersten Blick oft sauber. Doch Bakterien können sich überall verstecken. Was ist die größte Keimschleuder?

Endlich mal nicht putzen! – Das ist wohl einer der größten Vorteile, den ein Hotelzimmer im Urlaub mit sich bringt. Doch der Schein von weißer Bettwäsche und sterilen Teppichböden täuscht häufig: Der vermeintlich saubere Erholungsort ist die perfekte Umgebung für Krabbelviecher, Keime und Bakterien. Das meint zumindest die britische Mikrobiologin Doktor Primrose Freestone.

"Sind wir mal ehrlich: Was ein Hotel als sauber empfindet, kann durchaus von Ihrer Vorstellung von Sauberkeit abweichen", schreibt die Biologin in dem Wissenschaftsmagazin "The Conversation". Ob ein Hotelzimmer sauber ist, werde oft nur durch Riechen und einem Blick ins Zimmer bewertet und nicht auf Ebene unsichtbarer Mikrobiologie. Genau dort aber steckt laut Freestone das Risiko. Denn auch, wenn ein Raum für uns auf den ersten Blick sauber wirkt, könnten sich die unsichtbaren Keime und Bakterien überall verstecken. Lesen Sie hier: Marburg-Virus: So gefährlich ist es für Deutschland

Im Bett eines Hotelzimmers lauert eine der Gefahren: Bettwanzen
Im Bett eines Hotelzimmers lauert eine der Gefahren: Bettwanzen © Jan Woitas/dpa | Jan Woitas/dpa

Podbielski über Keime im Hotel: "Keimkontakt haben wir überall"

Laut der Expertin lade nämlich zwangsläufig jeder Hotelbesucher Bakterien, Pilze und Viren überall auf Möbeln, Teppichen, Vorhängen und Oberflächen ab. "Was von diesen Keimablagerungen übrig bleibt, hängt davon ab, wie effizient Ihr Zimmer vom Hotelpersonal gereinigt wird", schreibt sie. Die gefährlichsten Orte, um sich mit Viren, wie dem Norovirus oder Covid-19, anzustecken, seien der Nachttisch, der Wasserkocher, das Telefon, die Fernbedienung und der Zahnputzbecher, so Freestone. Diese Orte würden beim Putzen häufig vergessen werden. "Das typische Zeitintervall zwischen den Gästen beträgt oft weniger als zwölf Stunden, da muss es schnell gehen."

Das sich an diesen Orten deswegen mehr Bakterien und Keime als anderswo ansammeln würden, hält Prof. Dr. Andreas Podbielski von der deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie anders als die britische Mikrobiologin jedoch für unwahrscheinlich, wie er auf Anfrage unserer Redaktion erklärt. "Egal wo wir sind, ob in der Straßenbahn oder auch an jedem anderen öffentlichen Ort: Keimkontakt haben wir überall. Der Situation begegnen wir jeden Tag – nicht nur im Hotelzimmer", meint er. Dass das Infektionsrisiko dort größer sei als anderswo, halte Podbielski deswegen für reine Spekulation. Er weist außerdem daraufhin, dass es für den Menschen nicht zwangsläufig schlimm sei, Keimkontakt zu haben. "Die Menschheit ist es von ihrer Evolution her gewohnt, solche Keimkontakte zu haben. Sonst würden wir keine 80 oder 90 Jahre alt werden".

Keime und Bakterien: Mikrobiom verändert sich im Laufe des Lebens zwangsläufig

In den meisten Fällen würden fremde Keime daher nichts anrichten können, so der Experte. "Jeder Mensch hat sein eigenes Mikrobiom, das dafür sorgt, dass Fremdkeime normalerweise sofort wieder rausgeschmissen werden." Das könne man sich laut Podbielski so vorstellen, wie es auch bei Schweinen am Trog ist: "Wir sind der Trog und unsere Bakterien sind die Schweine, die sich von und auf uns ernhähren. Wenn da jetzt ein neues Schwein ran möchte, braucht es schon sehr viel Durchsetzungsvermögen, damit die anderen es ranlassen. Und genauso ist es bei den Bakterien eben auch".

Selbst wenn ein Bakterium es dann doch einmal schafft, Teil des Mikrobioms zu werden, heiße das außerdem noch lange nicht, dass man sich damit auch tatsächlich infiziere, wie der Experte erklärt. "Es ist völlig normal, dass ab und zu neue Mikroorganismen dazukommen und dann Teil unseres eigenen Mikrobioms sind." Im Laufe des Lebens verändere sich das Mikrobiom und habe eine gewisse "Dynamik", so Podbielski.

Insekten im Hotel: Beide Experten warnen vor Bettwanzen

Beim Betreten eines Hotelzimmer müsse man seiner Meinung nach keine Angst vor Infektionen haben. Zumindest keine größere als an den meisten anderen Orten auch. Podbielski sieht allerdings ein anderes, geringes Risiko: "Am ehesten sind vermutlich noch Parasiten, wie zum Beispiel Wanzen, ein Problem in Hotelzimmern". Mit dieser Eischätzung ist er nicht allein, denn auch die britische Mikrobiologin schreibt: "Bettwanzen sind in ganz Europa, Afrika, den USA und Asien verbreitet – und kommen häufig in Hotels vor". Anzeichen für einen Befall der lästigen Viecher können zum Beispiel rötliche Hautbisse, Blutflecken auf dem Laken und bräunliche Flecken von Kotresten sein.

Eine Kontamination mit den lästigen Viechern sei laut Freestone in einem fünf-Sterne Hotel nicht unwahrscheinlicher als anderswo. "Da in Hotels mit höherem Status die Zimmer häufiger genutzt werden, bedeutet ein teureres Zimmer in einem Fünf-Sterne-Hotel nicht unbedingt mehr Sauberkeit, da die Kosten für die Zimmerreinigung die Gewinnspanne verringern", so die Mikrobiologin. Ganz grundsätzlich würde sich, so Podbielski, in den Industrieländern aber kein Hotel – egal ob fünf-Sterne oder nicht – lange halten, wenn es ein dauerhaftes Problem mit Wanzen habe. "Natürlich besteht das Risiko, von Wanzen geplagt zu werden, aber das sind Einzelfälle und nicht die Regel". Lesen Sie auch: Mehr Schädlinge durch den Klimawandel: Warum die Wanze kommt

Prof. Dr. Podbielski: "Mit gesundem Menschenverstand kommt man meistens ziemlich weit"

Den Tipp von Mikrobiologin Freestone, eigene Bettwäsche mitzunehmen, hält Podbielski daher für übertrieben: "Dann müsste ich konsequenterweise auch eine eigene Matratze mitnehmen. Dort können sich die Tiere nämlich genauso verstecken. Aber spätestens da wird der Gedanke illusorisch: Wie soll man im Flugzeug schon eine Matratze mitnehmen?!"

Podbielski meint, dass es im Normalfall sowieso ausreiche, ein paar grundlegende Hygieneregeln zu beachten. "Man sollte zum Beispiel nicht Barfuß auf dem Teppichboden im Hotelzimmer rumlaufen". Doch auch das Beachten dieser Regel sei laut Podbielski im Hotelzimmer nicht von größerer Relevanz als im Schwimmbad oder anderswo auch. "Man hat ja überall ähnliche Gefahren. Mit gesundem Menschenverstand kommt man meistens aber schon ziemlich weit".

Es gäbe jedoch ein Problem vor dem man sich nicht so einfach schützen kann und das, so erklärt Podbielski unserer Redaktion, viel gravierender sei als die von Freestone angesprochenen Infektionsgefahren: "Die Wasser und Abwassersituation ist außerhalb von Mittel- und Nordeuropa das viel größere Problem. Vor allem wenn man Wasser trinken möchte und es somit in den Körper aufnimmt, sollte man wirklich aufpassen. Denn da stecken die wirklich großen Gefahren drin". Lesen Sie auch: Mallorca "Ballermann": Bakterien breiten sich im Wasser aus